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Geschrieben am: 06.01.2016
heilung
Im Mondlicht ist sein Arm tot und kalt. Die Narben sehen aus wie draufgemalt. Als könnte er sie einfach mit Wasser und Seife abwaschen. Die Schnitte verlaufen in alle möglichen Richtungen. Verheddern sich. Wie ein riesiges Spinnennetz. Hervor sticht eine horizontale, besonders lange Narbe. Dick und wulstig. Zeichnet die Schlagader, für die Welt sichtbar, auf seine Arminnenseite. Wenn er sie ansieht, kann er das Krankenhaus riechen und das Blut.
Erik liegt da und zieht mit den Augen jede einzelne Linie dieses Netzes nach.
Muss an all diese weißen Tage denken. An das warme Rot an Armen und Beinen. Der Moment nachdem man die Klinge beiseite legt und zusieht wie das Blut sich durch die Haut frisst, ist wie ein kleiner Funke Glück. Das Herz schlägt beruhigend laut und wahrnehmbar. Der Kopf ist von jeglichen schweren Gedanken befreit.
Man ist losgelöst. Man atmet auf. Man spürt das Brennen in den Wunden.
Erik streichelt mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand sanft über die Narbe. Lächelt bei der Erinnerung daran wie Lucas zum ersten Mal den misshandelten Arm gesehen hat. Er hat Erik damals ganz weich angeschaut und
sich seinen Arm hinauf bis zur Handfläche geküsst. So sanft und liebevoll. Als wollte er die alten Wunden daran hindern wieder aufzuplatzen. Da war kein Mitleid in seinen Augen.
Das war ein echter Funke Glück.
Erik legt sich auf die Seite und blickt in Lucas' Gesicht. Ganz nah und hell. Wabernde Träume.
Irgendwo unter der Bettdecke liegt Fibi und schnurrt leise.
An der Wand über dem Bett schauen dutzende Fotos in den Raum.
Glühendes Lächeln. Leuchtende Augen.
Dankbar und durchflutet von Euphorie kuschelt sich Erik an Lucas' warmen Körper und gibt sich dem Schlaf
hin.
Es kommt ihm so vor als würden die Narben nach so langer Zeit noch heilen.
