Einleitung
Da sitze ich nun am ersten Tag des neuen Jahres auf dem Sofa.
Mein süßes weißes Wollknäul kuschelt sich längst über meine großen Brüste, hält ihr rosa Näschen schnuppernd hoch und lässt sich ganz genüsslich unter ihrem pelzigen Hals streicheln.
Und ich denke so bei mir, dass es wie ein Wunder ist, dass meine Mary so ruhig und relaxt auf mir liegt und sich streicheln lässt. Ich höre sie schnurren, spüre ihr Herzchen auf meinem weich gepolsterten Brustkorb pochen und bin mir sicher, dass auch sie den Rhythmus meines Herzens wahrnimmt.
Mein Mann kommt vorbei, sieht uns und schmunzelt. Ich weiß, was er denkt, denn er hat es in den letzten Wochen häufiger gesagt: „Was seid Ihr süße Schmusebärchen!“
Und jedes Mal, wenn er dass sagt, erwidere ich ihm: „Ja, und wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass wir mal so relaxt abhängen und miteinander schmusen können?!“
Erste Begegnung
Als Mary und ich uns das erste Mal begegneten, machte ich einen Spaziergang um das Krankenhausgelände. Hinter dem großen Gebäude begann nach einer kleinen Grünfläche ein großer Nadelwald, welcher den weitläufigen Berg verzierte. Und so lief ich im Januar vor zwei Jahren, warm in meine Winterjacke und dicken Schal eingepackt, den schon verrotteten Pflasterweg entlang zu einer Gruppe von alten vergammelten Bänken. Offensichtlich wurde diese Grünfläche von den Krankenhausbetreibern nicht mehr gepflegt. Etwas weiter vor mir sah ich ein kleines Holzhäuschen, das wie ein Geräteschuppen aussah. Ich war neugierig
und entdeckte, dass ein Schild daran hing, auf welchem stand: „Futterplatz für wild lebende und freilaufende Katzen. Bitte nicht stören!“
Während ich mich so umschaute, fielen unerwarteter Weise die ersten Schneeflocken des Jahres. Leise und ganz sachte rieselten sie vom Himmel. Und auf einmal entdeckte ich vom Wald her kommend eine große weiße Schneeflocke, die sich beim genaueren Hinsehen als Katze entpuppte. Das weiße Knäul reckte sein Köpfchen nach vorn und schaute mich von Weitem an.
„Ohhhh, was bist du denn für ein süßes Schneeflöckchen?!“, entfuhr es mir spontan.
Während ich in meiner Begeisterung ob der hübschen vollkommen weißen Katze und der willkommenen Ablenkung außerhalb des Krankenhauses, so weiter auf sie einsprach, kam die kleine Weiße doch tatsächlich ganz nah an mich heran und umkreiste meine Beine. „Ja hallo du Kleine, du bist ja eine ganz Süße!“, flüsterte ich ihr zu, während ich in die Hocke ging. Doch allein diese Bewegung schien sie derart zu erschrecken, dass sie wieder auf Abstand ging. Noch ein paar Mal lief sie raunzend um meine Beine Drumherum, bevor ich meinen Weg zurück zum Gebäude fortsetzte. Immer wieder zurück schauend, rief ich dem langhaarigen Kätzchen meinen Abschied zu: „Tschau du süße Schneeflocke! Mach`s gut und such dir
ein warmes Plätzchen! Ich komme morgen wieder nach dir schauen!“
Diese erste Begegnung weckte eine tiefe Freude in mir und hatte mich für eine Zeitlang vergessen lassen, warum ich mich im Krankenhaus befand. Zurück auf der Station, in welcher die Patientenzimmer für die stationäre Schmerztherapie untergebracht waren, wollte ich sofort meiner Zimmernachbarin von der schneeweißen Katze berichten, doch war sie gerade zum Behandlungsgespräch bei ihrer Ärztin. Also schnappte ich mir mein Notizbüchlein und versuchte meine Freude in Worte zu fassen. Später am Tag, nachdem ich Behandlungen wie Krankengymnastik und Massage
bekommen hatte, berichtete ich meinen Mitpatienten in der Raucherecke von meiner Entdeckung und fragte, wem diese besondere Katze schon aufgefallen sei. Ich wunderte mich sehr über die Antworten, welche von „ich gehe hinter dem Haus nicht spazieren“, über „ich habe noch keine Katzen gesehen“, bis hin zu „das ist mir zu kalt draußen“ reichten. An diesem Abend war ich gespannt, ob ich die süße Schneeflocke nochmal wiedersehen würde.
Fortsetzung folgt.......