Als ich sie sah, wusste ich nicht, wie ich reagieren soll. Ignorieren, wie sie es oft mit mir getan hatte? Viele Jahre waren wir zusammen gewesen. Dann hatte sie sich von mir getrennt. Einfach so, aus heiterem Himmel. Von da an ging es bergab mit ihr. Ich bekam es auch nur mit, weil ich nicht wollte, das wir getrennte Wege gehen. Immer wieder kämpfte ich um sie. Und was machte sie? Stürzte sich von einer Beziehung in die andere. An wen es lag, das ihre Beziehung nie länger als zwei, drei Wochen hielten, weiß ich nicht. Gefragt hatte ich sie mal.
Aber nie eine Antwort darauf bekommen. Eines Tages hatte ich auch wieder eine Beziehung. Jahre hatte es gedauert. Dafür war es keine Hauruck-Beziehung. Wir lernten uns erst richtig kennen. Gingen alles ganz langsam an. Schauten genau, ob es zwischen uns funktionierte, bis wir uns das erste mal nackt gegenüberstanden. Weder sie noch ich wollten irgendwas überstürzen. Wenn mich meine Ex nicht angesprochen hätte, wäre ich wortlos an ihr vorbeigelaufen. Schließlich hatte ich kein Grund, sie anzusprechen. Nur weil wir vor Jahren mal ein Paar gewesen waren, muss ich den Kontakt nicht aufrechterhalten. Zu meinen anderen
Exfreundinnen habe ich auch keinen Kontakt und es stört mich nicht. Ich ließ mich dazu überreden mit ihr einen Kaffee zu trinken. Sie wollte ihn ausgeben und sie wollte mit mir reden. Was mir neu war. Damals hatte ich reden wollen und sie nicht. Auch mir zuhören, wollte sie nicht. Ich war gespannt, was sie so wichtiges sagen wollte. Es war für mich überraschend und interessant gleichzeitig. Wer hätte gedacht, das sie eines Tages wieder meine Freundin werden will. Das sie eines Tages zur Besinnung kommt und merkt, das ich doch nicht so ein schlechter Griff bin, wie sie dachte. Nur
leider kam sie damit zu spät. Erstens war ich seit geraumer Zeit in festen Händen und zweitens waren mir zu viele Typen in ihr drin gewesen. Und wer sagte mir, das es nicht nur eine Kurzschlussreaktion war, weil sie gerade eine kleine oder große Durststrecke hatte? Ich hatte Jahre um die Frau gekämpft. Ihr gezeigt, wie sehr ich sie liebte. Doch sie suchte stets einen anderen und fand auch immer wieder einen. Wenn auch nur für kurze Zeit. Und ausgerechnet jetzt, wo ich eine Frau gefunden hatte, die dachte, wie ich. Die mich liebte, wie ich bin. Ausgerechnet da fiel meiner Exfrau ein, das sie ihr Leben mit mir teilen
will. Sie hatte schon immer ein sehr gutes Zeitgefühl gehabt. Wenn ich daran denke, wie oft und lange ich auf sie gewartet hatte, weil sie nicht auf die Uhr geschaut hatte. Oder weil sie einfach mal so vergaß, das wir verabredet waren. Und nun das. Kaum war ich mit einer anderen Frau fest zusammen, kommt sie an und will mich zurück. Es fiel mir nicht leicht, ruhig zu bleiben. Am liebsten hätte ich ihr eine Szene gemacht. So laut, das alle es hörten. Aber ich ging in mich. Atmete tief durch und erklärte ihr ruhig und sachlich, das sie ein wenig zu spät dran
ist. Zeigte ihr das Bild meiner neuen Freundin, die entschieden besser aussah, als meine Ex jetzt. Erst beim Bildvergleich fiel mir auf, das meine Damalige sich drastisch verändert hatte. Früher sah sie mal gut aus. Aber in dem Café...wie soll ich sagen...irgendwie heruntergekommen. Wie kam es dazu? Gefragt hatte ich sie nicht. Obwohl ich es wissen wollte. Aber ich wollte nicht riskieren, dass sie mich volljammert und ich dadurch die Zeit verpasse. So oft sah ich meine Freundin nicht. Sie brauchte sehr viel Freiraum. Zeit mit ihren Freunden. Grund zur Eifersucht hatte ich nicht. Ich habe ihre Freunde
kennengelernt. Mit Zweien war sie mal liiert. Die Beziehungen gingen auseinander, weil sie viel Zeit mit ihren Freunden und wenig Zeit mit ihnen verbracht hatte. Dafür war die wenige Zeit sehr intensiv. Das stellten sie aber erst nach Beziehungsende fest. Es hatte noch einen Vorteil, das wir uns eher selten sahen; sie ließ ihren Arbeitstress nicht an mir aus. In ihrem Beruf blühte sie zwar auf. Aber er frustrierte auch sehr. Brachte sie an ihre Grenzen. Ich hatte sie einmal nach einem super stressigen Tag angerufen. Das war mir eine Lehre gewesen. Sie hatte sich zwar im Nachhinein bei mir entschuldigt und mir gestanden, das sie
sich eigentlich über meinen Anruf gefreut hatte, weil sie endlich jemanden Normales an der Strippe gehabt hatte; dennoch rief ich sie nie wieder unter der Woche an, sondern wartete darauf, das sie mich anrief. Im Normalfall war es ein bis zweimal die Woche. Für mich war es sehr Gewöhnungsbedürftig, eine Art Wochenendbeziehung zu führen. Denn meist sahen wir uns nur an den Wochenenden. Aber zwischenzeitlich habe ich mich daran gewöhnt. Mein Freundeskreis ist durch sie auch gewachsen. Manchmal befürchte ich sogar, den Überblick zu verlieren. Ich war nicht einfach so gegangen. Als
ich bemerkte, wie heruntergekommen sie aussah, hatte sie mein Mitleid. Also gab ich ihr meine Visitenkarte und sagte ihr, das sie mich jederzeit anrufen kann. Sie solle sich aber keine Hoffnung machen, das wir je wieder ein Paar werden. Der Zug war für immer abgefahren und würde nie wieder zurückkehren. Was ich machen konnte, war, sie meinen Freunden vorstellen. Alles anständige Typen. Aber zuvor musste sie erstmal wieder ein Mensch werden.