Mit deinem eleganten Schwung
begleitest du mich
fast ein Leben lang,
treuer Kleiderbügel.
Wie viele modische Torheiten
hast du geduldig (er)getragen:
In den Fünfzigern war es ein Hawaiihemd,
harmloses Symbol eines kraftlosen Protests,
das damals reichte,
einen Mitschüler zum Umziehen
nach Hause zu schicken.
Dann folgte in den frühen Sechzigern
der brave Nicki-Pullover
und
am Ende dieses Jahrzehnts
das Che Guevara-Hemd mit der geballten Faust.
In der Studienzeit hast du mich ergeben begleitet
von Bude zu Bude und ich ritzte
vorsorglich meine Initialen in deinen Corpus,
damit du mir nicht verloren gehen konntest.
Doch dann nach einem Umzug in das bürgerliche Leben
entschwandest du meinen Blicken,
bis ich dich neulich verstaubt
auf dem Dachboden wiederfand.
Nun hast du einen Ehrenplatz
neben jungen Bügeln,
ehrwürdiger Veteran,
und auf deinen noch immer starken Schultern
hängt das Jackett für festliche Tage
des in die Jahre gekommenen Ekki.
Ich verspreche dir,
du anhänglicher Kamerad,
dass ich dich nicht mehr
aus den Augen lassen werde,
bis du ein leichtes Sommerkleid
meiner schönen Enkelin tragen wirst.
Anmerkung: Bei der Besprechung einer Lehrprobe sollte der Kandidat eine unsinnige Frage beantworten. Der Prüfungsvorsitzende unterband das mit der Bemerkung an den Fragesteller, man könne den Examinierten auch auffordern, eine Rede über einen Kleiderbügel zu halten.
Mir hat das damals imponiert, und der Gedanke an die Rede auf einen Kleiderbügel stellte sich gelegentlich wieder ein, bis ich „Ernst“ damit gemacht habe.
©Ekkehart Mittelberg, Dezember 2015