Kurzgeschichte
Letzte Umarmung

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"Sie war meine Stieftochter und mir sehr ans Herz gewachsen"
Veröffentlicht am 28. Dezember 2015, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Sie war meine Stieftochter und mir sehr ans Herz gewachsen

Letzte Umarmung

Titel

Das es die letzte Umarmung sein würde, damit hatte keiner gerechnet. Sie war ein wundervolles Mädchen gewesen. Anfangs sah es nicht so aus, als ob wir uns jemals werden riechen können. Mit der Zeit erfuhr ich einiges über sie und verstand so immer mehr ihr Verhalten. Ich nahm Rücksicht auf sie, so gut ich konnte. Ging ihr viel aus dem Weg. Manchmal fragte ich mich, mit was für Umgang ihre Mutter hatte. Wie sehr sie ihre Tochter liebte. Mit der Zeit wuchs sie mir ans Herz. Im Gegensatz zu ihrer Mutter die wurde mir allmählich egal. Anfangs hatte ich

geglaubt, das es eine intelligente Frau sein. Aber da hatte ich mich anscheinend geirrt. Sie sah zwar geil aus, hatte aber wenig Hirn. Mich wunderte es, das sie ihr das Kind nicht schon längst weggenommen hatten. Oft hatte ich mit dem Gedanken gespielt, einfach zu gehen. Aber ich konnte nicht. Wie gesagt, war mir ihre Tochter ans Herz gewachsen. Ich wollte verhindern, das ihr noch mehr widerfährt. Natürlich war mir bewusst, das ich nicht vierundzwanzig Stunden über sie wachen kann. Aber wenn ich ganz weg war und keinen Kontakt mehr zu ihnen hatte, konnte ich sie nicht mal eine Sekunde am Tag

beschützen. Lange habe ich gebraucht, um herauszufinden, warum sie so ist, wie sie ist. Die Wahrheit tat weh. Und sie tut immer noch weh. Auch wenn ich sie relativ schonend beigebracht bekam. Stückchen weise. Jedes Körnchen Wahrheit bohrte sich, wie ein Messer, in mein Herz. Dennoch wollte ich die ganze Wahrheit erfahren. Die erfuhr ich aber nur durch sie selbst. Ihre Mutter... Wenn die Nacht kam und ich neben ihrer Mutter lag, hatte ich tausend Fragen im Kopf. Doch ich konnte ihr keine Stellen. Es waren zu viele Fragen gewesen und ich wusste nicht, mit welcher ich anfangen

sollte. Nicht selten stand ich nachts auf und schlich zu ihrem Zimmer. Horchte an ihrer Tür. Fragte mich, wie ich ihr helfen konnte, das Erlebte zu verarbeiten. Zu einem Psychiater wollte ich sie nicht schicken. Vor Jahren hatte ich selber einen aufgesucht. Den Weg hätte ich mir ersparen können. Wie soll er mir auch helfen können, wenn er es nicht selbst erlebt hat? Vielleicht hatte er einmal davon gehört. Aber deshalb kann er immer noch nicht nachfühlen, was in einem vorgeht. Und obwohl ich selbst nicht erlebt hatte, was ihr widerfahren war, konnte ich fühlen, wie es ihr geht. Wahrscheinlich liegt das

daran, das ich selbst einiges durchgemacht hatte und das ich vieles von anderen erfahren hatte. So ziemlich jede/r, die ich irgendwie und irgendwo kennenlerne, glaubt, das er/sie/es mir ihre Lebensgeschichte erzählen muss. Niemand fragt nach mir. Wie es mir geht. Oder wie es mir dabei geht, wenn ich all die grausamen Geschichten höre. Dann kam dieser schicksalhafte Tag. Ihre Mutter war irgendwo mit irgendwem unterwegs. Meine Stieftochter hatte vollstes Vertrauen in mir gefunden und sich bei mir ausgesprochen. Es flossen beiderseits Tränen. Ich hielt dabei ihre Hand und ließ sie spüren, das ich anders bin. Das

ich immer und zu jederzeit für sie da bin. Ganz plötzlich und unerwartet, legte sie ihre Arme um meinen Hals und drückte mich. Ihre Tränen durchnässten mein Shirt, aber das war mir egal. Sie vertraute sich mir an. Zeigte Gefühle. Hätte ich eher gewusst, was danach passieren würde, hätte ich sie davon abgehalten zu gehen. Ohne mein Wissen hatte sie mich zu ihrer Vertrauensperson ernannt. Ich sollte angerufen werden, wenn mit ihr etwas sein sollte. Und so war ich derjenige, der als erstes erfuhr, das sie nicht mehr ist. Keine halbe Stunde war vergangen, als wir gemeinsam geweint hatten. Sie wollte nur einen Spaziergang

machen. Nur ein paar Minuten an die Frische Luft gehen. Das wurde ihr zum Verhängnis. Es tut immer noch weh, wenn ich daran denke. Ihrer Mutter habe ich gleich darauf den Laufpass gegeben. Mit ihr konnte ich nicht weiter zusammen sein, nach all dem, was ich erfahren hatte und wie ich sie erlebt hatte. Ihre Tochter war tot. Mich hielt nichts mehr bei ihr.

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