driving home for christmas
Ich betrachtete die Karte, die ich zu Nikolaus von meiner Mutter bekam und musste schmunzeln. Es war eine Karikatur vom Nikolaus, wie er eilig durch eine verschneite Landschaf rennt und dabei Päckchen aus seinem Sack verliert. In die Karte hat meine Mutter geschrieben: „Wünsch dir einen schönen Nikolaustag, mein Sohn.“
Es war lange her, dass ich nicht mehr zu Hause war. Und je länger ich darüber nachdachte, desto mehr bekam ich Sehnsucht nach Weihnachten daheim.
Ich beschloss also meinen Bruder an zu rufen, ob er nicht mal Lust hätte, ein Weihnachten in unserem Elternhaus zu verbringen, da ich wusste, dass er ebenso lange nicht mehr bei Mutter war, wie ich.
„Hey, Bruderherz“, meldete ich mich. „Lass mich raten“, antwortete er. „Du hast auch so eine kitschige Karte von unserer Mutter bekommen.“
„Ja, genau“, bestätigte ich. „Und jetzt hab ich mir gedacht, wir könnten sie doch mal zu Weihnachten besuchen.“
Es folgte eine kleine Pause. „Bist du noch dran?“, wollte ich wissen.
„Oh, man“, stöhnte er. „Du weißt doch,
dass ich mir nicht viel aus Weihnachten mache.“
„Oh, nein“, wieder sprach ich. „Du hast es geliebt..“ Weiter kam ich nicht, weil er mich unterbrach.
„Ja“, meinte er. „Als wir noch klein waren. Aber jetzt sind wir erwachsenen Männer. Wir können Mutter ja gerne besuchen, aber nicht mit diesem ganzen Weihnachtskitsch.“
„Ich bestehe auf den Kitsch“, sagte ich. „Also, du besorgst den Baum und ich komme dann am 23. zu dir. Dann fahren wir gemeinsam zu Mutter und feiern so ein kitschiges Weihnachtsfest, dass es ihr die Tränen aus den Augen treibt.“
Kaum hatte ich aufgelegt, kam mir der
Gedanke, ob sie wohl den Weihnachtsschmuck und die Lichterkette für den Baum noch hätte. Seit wir aus dem Haus sind, hatte sie ja keinen Baum mehr auf gestellt. Ach was. Das wird schon alles noch auf dem Speicher sein.
Am Morgen des 23. machte ich mich dann auf den Weg. Ich musste zuerst noch ein paar Sachen besorgen. Eine Weihnachtskrippe, eine Weihnachtspyramide, einen Christstollen und anderes Gebäck und natürlich eine Kiste Glühwein.
Das alles bekam ich am Besten im Einkaufcenter.
Was soll ich sagen. Einen Tag vor Heiligabend war in dem Einkaufcenter
der Teufel los. Ich hastete durch die Geschäfte, reihte mich in Warteschlangen vor den Kassen ein und ließ mir mit altbekannten Weihnachtsliedern aus plärrenden Lautsprechern fast das Hirn raus dröhnen.
Endlich hatte ich es geschafft und alles beisammen. Ich verstaute meine Wehnachtseinkaufsbeute im Kofferraum und machte mich auf den Weg in Richtung alte Heimat. Ich hatte allerdings mit dem Einkauf mehr Zeit vertan, als eingeplant.
Auf der Autobahn könnte ich die Zeit ja wieder rein holen. Dachte ich jedenfalls. Aber, wie sagt man so schön: „Der
Mensch denkt und der Herrgott legt ihm Steine in den Weg.“ In diesem Fall Schneeflocken. Erst ein paar wenige, die auskundschafteten, ob es sich lohnt, die Menschheit zu ärgern und dann immer mehr.
Und weil es ihnen (den Schneeflocken) so viel Spaß machte, kam auch noch ein kräftiger Wind auf. Ein wahrer Schneesturm. Die Autos vor mir wurden immer langsamer, bis alle nur noch Schrittgeschwindigkeit fuhren. Ich rechnete mal schnell im Kopf durch. Ca. 600 Km in Schrittgeschwindigkeit, grob überschlagen, könnte ungefähr Ostern werden. Um halb Drei. In Etwa.
Nach einer Stunde Schleichfahrt steuerte
ich einen Rastplatz an, stellte mein Auto auf dem Parkplatz ab und stapfte durch den frisch gefallenen Schnee ins Restaurant. Drinnen dudelte „Schneeflöckchen weiß Röckchen“ aus den Lautsprechern, während draußen Kinderfaust große Schneeflocken wirbelten.
Ich setzte mich an die Bar und studierte die Getränkekarte, weil ich irgendetwas alkoholfreies suchte.
„Probier mal den Weihnachtstee!“, sagte eine tiefe, aber dennoch sanfte Männerstimme neben mir.
Ich drehte mich zu ihm um. Er sah aus, wie ein typischer kanadischer Holzfäller. Weißes Haar, weißer Vollbart und grün
kariertes Hemd. „Ist wirklich gut“, fuhr er fort. „Fast wie Glühwein, nur dass er dir das Hirn nicht lahm legt.“
„O.k.“ , sagte ich. „Dann probier ich den mal.“ Die Bedienung nickte und brachte mir wenig später das Getränk, das tatsächlich nach Weihnachten duftete.
„Sind sie LKW Fahrer?“, begann ich ein Gespräch mit meinem Nachbarn. „I´sn Truck und kannst ruhig du sagen. Ich bin der Klaus“, antwortete er und reichte mir die Hand, die mit Sicherheit schwere Arbeit gewohnt war.
Ich stellte mich ebenfalls vor. „Und?“, wollte er wissen. „Wohin so einsam und allein, so kurz vor Heiligabend?“
Ich nahm einen Schluck von meinem Tee
und erzählte ihm, dass ich unterwegs in meine alte Heimat war zu meiner Mutter. „Und wenn ich jetzt so raus schau“, bemerkte ich, „war das ne blöde Idee. Wenn das so weitergeht, komm ich da nicht mehr an. Mein Bruder hatte recht. Wir könnten sie ja irgendwann besuchen. Warum also unbedingt an Heiligabend? Ach, ich wollte einfach nochmal ein Weihnachten feiern, wie es einmal war. Ich bin einfach ein sentimentaler Tropf.“
Klaus hörte sich das alles geduldig an und schwieg eine Weile.
„Ich erzähle dir mal was über Weihnachten mein Junge“, begann er schließlich. „Das Wichtigste sind nicht die Geschenke, ein besonders festlicher
Baum oder das traditionelle Essen. Das Wichtigste ist, sich geborgen zu fühlen. Zu wissen, da ist jemand, der bei mir ist, komme da, was da wolle. Du solltest jedes Weihnachten so feiern, als wäre es das letzte mal. Irgendwann wird es das auch sein. Vielleicht wird es nicht so sein, wie es früher war. Das liegt aber daran, dass jede Zeit auch seine eigene Weihnachtszeit hat. Das Einzige was bleibt ist der Zauber, sofern wir ihn zulassen. Und irgendwann wirst du dich auch an diese Weihnacht erinnern und glücklich sein, dass du sie erlebt hast.“
Ich nippte wieder an meinem Tee und nickte. Der Mann hatte verdammt recht.
Schließlich stand er auf, klopfte mir auf
die Schulter und sagte: „So, ich muss jetzt los. Tausend freudige Kinderaugen warten auf mich“, während er mir zuzwinkerte.
Gedankenverloren sah ich ihm zu, wie er seinen roten Mantel von der Garderobe nahm und seine rote Mütze aufsetzte. Dann widmete ich mich wieder meinem Tee, als mir ein Geistesblitz kam.
„War das etwa...?“, fragte ich die Bedienung. „Ein LKW Fahrer“, antwortete sie. „Hat nen etwas komischen Nachnamen. Santa. Ja, Klaus Santa.“
Ich ging zum Fenster und sah ihn gerade noch in seinen Truck einsteigen. Er startetet den Motor und schließlich
flammten tausende kleine Lichter auf an seinem knallroten Cola- Truck.