Kapitel 1
„Juli es gibt Mitttagessen“: ruft meine Mutter aus der Küche. Unten warten schon meine Mutter und mein Bruder auf mich. Sie starren mich an als würde ich nackt vor ihnen stehen. „Ist etwas?“, frage ich verdutzt. Meine Mutter blickte für eine Sekunde abschätzig auf den Kalender. Plötzlich fällt es mir ein. Die Auserwählung. Ich stürme in mein Zimmer. Die Treppe hinauf und dann links. Verdammt denke ich. Wieso vergesse ich die Auserwählung jedes Jahr aufs Neue. Ich meine spätestens nachdem mir meine Mutter letztes Jahr eine Standpauke darüber hielt welche Folgen ein Nichterscheinen haben kann,
müsste ich es besser wissen und mir diesen Tag fett im Kalender anstreichen. Aber ich habe ihn schonwieder vergessen. Weil ich eben ich bin. Julianne Allister, das vergessliche Mädchen aus Bezirk 1. Meine Mutter sagt immer:“ Juli du bist so vergesslich, ich habe Angst das du eines Tages deinen Namen vergisst.“ Aber meine Mutter übertreibt auch gerne. Doch sie ist wohl oder übel noch das kleinste Problem in meiner Familie. Einerseits wäre da Mark. Mein kleiner Bruder ist der Alptraum. Er lügt von vorne bis hinten aber Mutter nimmt ihn immer noch in Schutz. Egal bei was, er lügt. Einmal gingen wir schwimmen, zu einem
See anliegend an Bezirk 1.Viele Leute gehen dort im Sommer schwimmen. An diesem Tag waren jedoch kaum Menschen am See. Es war als wären wir die einzigen am ganzen See gewesen. Auf was ich hinaus wollte ist, dass wir mein Bruder und ich zum See gingen und am Seeufer sahen wir einen riesigen Kirschbaum. Seine Blätter waren noch grün und saftig, auch wenn es bereits anfing Herbst zu werden. Wir sahen also diesen Baum und mein Bruder und ich entschlossen auf den Baum zu klettern weil er so viele kräftige Äste hatte. Es machte viel Spaß, besonders weil uns keiner zusah, wir konnten so dumm tun wie wir wollten. Doch dann begannen wir
immer höher auf den Baum zu klettern und irgendwann traute ich mich nicht mehr weiter und kletterte zurück hinunter. Mark jedoch wollte sich wieder einmal beweisen und kletterte so weit bis er so angst hatte, dass er sich keinen Schritt mehr gehen traute. Er begann furchtbar zu heulen und schrie so laut wie er nur konnte nach unserer Mutter. Mutter kam natürlich sofort angerannt und fragte entsetzt was er denn so hoch am Baum tue. Er sagte erst nichts und weinte nur weiter wie ein Feigling. So macht er das immer. Zuerst redet er groß und dann beginnt er zu weinen wie ein Mädchen. Das macht er heute immer noch genau so. Meine
Mutter schaute mich entsetzt an und fauchte:“ Was soll das, wieso hast du nichts getan?“ Wie getan? Ich weiß bis heute nicht was tun hätte sollen, jedoch schaute sie nur weiter böse und wartete verärgert auf meine Antwort. „Ich hab ihm gesagt, dass er wieder runter kommen soll aber er meinte er könnte so hoch klettern”, sagte ich meiner Mutter verunsichert. Sie wendete sich von mir ab und sprach zu meinem Bruder:“ Schatz, beruhig dich, es ist alles in Ordnung. Schau unter dir, da ist ein Ast auf den steigst du jetzt.“ Langsam und behutsam stieg er auf den Ast den ihm meine Mutter beschrieben hat. Er setzte auf und belastete den Ast. Es war still,
wir alle schauten gespannt auf den Ast. Meine Mutter seufzte kurz vor Erleichterung und machte sich schon auf die Suche für den nächsten Schritt. Ich jedoch merkte etwas. Der Ast bog sich viel zu weit. Mit lautem Getöse und Geschreie brach der Ast ab und fiel zu Boden mit ihm mein kleiner Bruder. Für eine Sekunde war es still. Meine Mutter schrie wie verrückt. Doch Mark antwortete nicht. Wir ruften einen Krankenwagen. Meine Mutter konnte eine Woche lang nicht schlafen, sie dachte er würde sterben oder so. In Wahrheit hat er sich nur 3 Knochen gebrochen und eine kleine Gehirnerschütterung gehabt. Aber meine
Mutter musste mal wieder übertreiben. Als Mark erwachte und wieder nach hause kam fragte ihn Mutter was passierte. Ich weiß nicht was er sich dabei dachte doch er sagte:“ Julianne hat mich gezwungen, sie wollte das ich höher klettere.“ Ich war fassungslos. Er lügte nur um selbst nicht dumm dazustehen. 2 Monate kostete mich diese Lüge. 2 Monate Hausverbot, nur weil mein Bruder nicht zugeben wollte das er nicht klettern kann. Seit dem redet mein Bruder nicht mehr viel mit mir. Ich denke er schämt sich für seine Tat. Er ist aber anscheinenden auch nicht Mann genug um es unserer Mutter zu sagen.
Ich gehe also wieder hinunter und setzte mich zu Tisch. Ich sehe mittlerweile aus wie eine Prinzessin weil zur Auserwählung kleiden sich alle Menschen schick,sogar die normal nicht das Geld dazu haben. Die Auserwählung findet jedes Jahr am ersten Donnerstag des Jahres statt. Ich weiß nicht genau warum es ausgerechnet der erste Donnerstag im Jahr aber ich schätze es gibt einen Grund. Mein Bruder ist dieses Jahr auch bei der Auserwählung mit dabei. Ich musste auch in seinem Alter das erste Mal teilnehmen. Ich erinnere mich noch genau. Ich hatte furchtbar Angst gezogen zu werden. Es war schrecklich für mich dort zu stehen in
der Angst gezwungen zu werden einen Drachen zu töten. Jedes verdammte Jahr sterben sechs unschuldige Menschen. Sechs Menschen die dem Drachen serviert werden. Alles geschieht in der Hoffnung eines Tages eine Gruppe den Drachen tötet. Er heißt Ignito. Zumindest nennen ihn so die Bürger. Legende zufolge ist er so lang und groß wie 10 Menschen. Seine Augen sind blutrot, sein Schweif brennt wie sein Atem und er zerstört alles was in seine Nähe kommt. Noch nie ist ein Mensch zurückgekehrt. Der Frühstückstisch sieht wieder einmal köstlich aus. Am Tag der Auserwählung isst man für gewöhnlich wie ein Kaiser, weil es sein
kann das es die letzte Mahlzeit ist. Aber daran denke ich nicht einmal.“ Kann mir jemand den Honig geben?“, fragten ich und mein Honig gleichzeitig. Ich merke die Rivalität in seinen Augen. Ich griff zum Honig. “Ich will den Honig Juli!“, jammerte er. „Warte doch eine Sekunde.“
„Nein ich will ihn jetzt!“ Auch er griff jetzt zum Honigglas. Er beginnt am Honigglas zu ziehen. „Lass das!“, sage ich wütend. Wir beginnen zu streiten. Er zieht am Glas:“ Gib jetzt her!“ Ich ziehe am Glas:“ Nein ich hatte ihn“ „Stopp jetzt!“, unterbricht uns unsere Mutter. “Mark gib doch bitte deiner Schwester den Honig. Das erste Mal das meine Mutter zu mir hielt. „Nein!“, schrie er
wie ein Mädchen. Er reißt mir den Honig aus der Hand und plötzlich läuft er aus dem Haus und irgendwo in den Wald, der neben unserem Haus steht. So hatte ich meinen Bruder noch nie erlebt. Wieso regt er sich wegen eines Glas Honigs so auf? Meine Mutter blieb ausnahmsweise ruhig und sagte ich solle ihn suchen gehen. Ich verweigerte nicht. Den wenn wir tatsächlich zu spät zur Auserwählung kommen, drohen uns 4 Jahre Haft und 10 weitere Lose in der Schüssel der Auserwählung. Der Wald neben unserem Haus ist mir unheimlich. Ich mag es nicht. Er ist dunkel. Auch bei Tag. Das erste Mal im Leben habe ich Respekt davor das sich Mark hier
alleine hereingetraut hat. Ich schaue mich um, jedoch sehe ich kaum. Ich bin einen Moment still und höre genau in die Umgebung, dann höre ich ihn. Sein unverkennbares Geheule. Ich folge dem Geräusch und finde ihn weinend hinter einem Busch. Ich bin eigentlich gar nicht mehr böse auf ihn. Einerseits weil ich selber Angst habe und, andererseits weil ich merke das, das ganze Theater nicht mit dem Honig zu tun hat. Er hat wirklich Angst. Angst vor der Auserwählung. Ich knie mich vor ihm hin und flüstere ihm ins Ohr :“ Ich hatte auch Angst beim ersten Mal, aber überleg doch. Es sind 10 000 Menschen. Wie wahrscheinlich ist es schon das
genau du gezogen wirst?“ Er blickte zu mir auf und ich sah seine verweinten Augen. Seine roten Haare hängen in sein Gesicht. Seine Wangen sind knallrot vom Laufen. Wir stehen auf, er putzt sich den Hintern und wir machen uns auf dem Weg zur Auserwählung. Die Glocken haben bereits zu läuten begonnen. Der Hauptplatz wurde gesperrt. Beim betreten werden unsere Namen kontrolliert und wir werden eingeteilt. Ich überlege was ich meinem kleinen Bruder gesagt habe. Mir wird klar ich bin eine zu nette Schwester. Meine Gedanken werden von einer symphytischen Frauenstimme unterbrochen. Die Auserwählung beginnt.
Auch wenn ich weis ich werde es nicht sein, bin ich immer ein wenig aufgeregt. Ich bin in den Gedanken bei meinem kleinen Bruder, er hat jetzt bestimmt Angst. Das hübsche Mädchen nähert sich dem riesigem Topf voller Zettel. Sie steckt ihre Hand bis zur Achsel in den Topf und zieht eine kleine Karte. Ich bin entspannt. Sie atmet tief ein und verkündet den Namen des 109. Auserwählten aus Bezirk 1.
Es ist so still das es jeder hören kann
„Julianne Allister“