Ich weiss nicht wie ich aufgestanden und zum Blutabnehmen gekommen bin. Ich kann mich nicht an die Worte des Arztes erinnern und nicht an die Worte von Vanessa. Ich weiss nur, dass sie mich alle besorgt ansehen. Als wir endlich fertig sind, entlässt mich der Arzt mit vielen Informationsbroschüren und einem Mutterpass. Ich habe noch immer kein Wort gesprochen. Vanessa und ich laufen still nebeneinanderher und begeben uns ganz automatisch in ihre Wohnung. Mike ist bereits dort und will uns begrüssen aber als er mich ansieht bleibt er sofort stehen und fragt Vanessa was los ist.
Sie antwortet nicht, setzt mich auf die Coach und schleppt Mike hinter sich her in die Küche. Ich kann es nicht fassen. Ich bin schwanger. Ein eigenartiges Gefühl macht sich in mir breit. Angst, Verzweiflung, Wut, Glück – alles gemischt. Ich habe ein unfassbares Glück, dass in mir ein kleines und so wehrloses Geschöpf wächst. Aber wie in aller Welt konnte das passieren. Ich rechne nach und der Zeitpunkt fällt auf unsere Ferien in Neapel. Ich schüttle ungläubig den Kopf und zucke dann zusammen als ich dann den Klingelton meines Handy höre. Ich schaue nach und sehe Adams Foto auf dem Display. Er hat bereits schon drei mal angerufen aber ich
weiss gar nicht was ich ihm sagen soll. Wie wird er reagieren? Vanessa kommt nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder zurück zu mir und bringt mir ein Glas Zitronenwasser mit. „Trink Liebes“, sagt sie lächelnd. Ich hebe das Glas an die Lippen und bemerke wie meine Hand dabei zittert. „Ich weiss nicht was ich machen soll, Vanessa“, stammle ich leise vor mich hin. „Wie meinst du das Ria, was sollst du denn machen? Du bist schwanger, du wirst Mamma!“ „Ja aber Adam! Er will keine Kinder, er will mich nicht, wenn ich schwanger bin, er will nichts mehr von mir und dem Kind wissen und dann muss ich hier bei dir oder unter einer Brücke leben und kann
mein Kind nicht versorgen und dann nehmen die Behörden mir das Kind weg und dann bin ich wieder alleine und… „ „Ria, beruhig dich bitte!“ Vanessa umarmt mich und ich beginne wie ein kleines Kind zu weinen. Ich will Adam nicht verlieren und weiss einfach nicht, wie ich ihm die ganze Situation erklären soll. Ich kann mich noch an den Tag im Büro mit Samantha erinnern. Sie hat etwas bezüglich Kinder erwähnt und Adam war daraufhin ganz komisch. Ich weine nur noch mehr, denn ich erinnere mich, dass Adam schon damals sagte, dass er noch nicht für ein Kind bereit sei.
Mein Handy klingelt schon wieder aber ich ignoriere das Klingeln sowie Vanessas Blick. Ich kann nicht. Ich weiss nicht wie.
Ich muss Adam verlassen! Dieser Gedanke brennt sich in mein Hirn und ich bin davon überzeugt, dass es die einzige Lösung ist. Ich bitte Vanessa mein Handy zu geben und rufe Adam zurück. „Ria endlich! Was ist los und wo bist du?“ Es schmerzt Adams Stimme zu hören aber ich muss es tun. Ich weiss es gibt keine andere Lösung. „Adam ich bin weg, ich…. ich brauche Abstand.“
„Wie meinst du ich brauche Abstand?“ „Ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein Adam, es tut mir leid, ich liebe dich nicht!“ Schnell lege ich auf. Ich weiss es ist absolut feige und die dümmste Idee die ich bisher je hatte. Die Tränen kullern über mein Gesicht und ich lasse Ihnen freien Lauf. Vanessa sieht mich fassungslos an, sagt jedoch kein Wort. Die Erschöpfung macht sich in mir breit und ich lasse mich widerstandslos von Vanessa und Mike in ihr Gästezimmer bringen und lege mich aufs Bett und schlafe auch gleich ein.
Ich erwache immer wieder in der Nacht, weine, fluche und werfe mich hin und her. Wieso in aller Welt musste mir dies passieren? Am nächsten Morgen erwache ich mit Kopfschmerzen und trete leicht benommen in den Flur. Vanessa sitzt mit einer Tasse Tee im Wohnzimmer. „Ich habe uns für heute krankgemeldet Liebes“ sagt sie. Ich bin froh, dass heute Freitag ist, sodass ich noch ein paar Tage Schonfrist habe, bevor ich Adam wieder über den Weg laufen muss. Bei dem Gedanken an Adam muss ich meine Tränen wegblinzeln. Ich frage Vanessa nach einer Kopfschmerztablette aber sie verneint, da ich schwanger bin, dürfe ich
keine Medikamente einnehmen. Klar, die Schwangerschaft, ich wollte es schon fast vergessen und hatte gehofft es sei alles ein schlechter Traum gewesen. Den ganzen Tag verbringe ich mit Vanessa auf dem Sofa. Sie versucht immer wieder mit mir zu sprechen aber ich will nicht über die Schwangerschaft und Adam sprechen. Mein Handy habe ich auf lautlos gestellt. Heute Morgen hatte ich einige SMS von Adam darauf aber ich habe mich nicht getraut diese zu lesen. Ich höre Stimmen im Flur. Ich blinzle, draussen ist es bereits dunkel und ich weiss im ersten Moment nicht was los ist. Ich höre Vanessas und Mikes Stimme
im Flur und urplötzlich kommen alle Erinnerungen zurück. Der Termin beim Arzt, das Ultraschallbild, die Trennung von Adam, der Tag bei Vanessa…Adam! Die Türe ist aufgegangen und Adam steht in der Türe. Ich war noch nie so erleichtert und gleichzeitig verängstigt ihn zu sehen. Vanessa und Mike stehen hinter ihm und schauen sich besorgt an. Adam dreht sich zu ihnen um, sagt etwas zu Vanessa, die ihm zunickt und kommt dann in mein Zimmer. Langsam schliesst er die Türe hinter sich zu und drückt den Lichtschalter. Das Zimmer wird mit gedämpftem Licht durchflutet. Ich setze mich langsam auf, wickle die Decke um meine Beine und schaue ihn fragend an.
Adam setzt sich langsam zu mir aufs Bett und drückt mir mein Handy in die Hand. Ich schaue es an und verstehe nicht, was er damit möchte. „Wie viele Anrufe hast du von mir drauf Ria?“ fragt Adam leise und ich höre in seiner Stimmer, dass er ziemlich erschöpft sein muss. Ich drücke den Homebutton und erkenne, dass es bereits nach 02.00 Uhr ist und ich 25 unbeantwortete Anrufe von Adam habe. „Weisst du, was für Sorgen ich mir gemacht habe? Weisst du, dass ich mich dumm und dämlich telefoniert habe als ich dich nicht mehr im Büro vorgefunden habe und dann in Vanessas Outlook Kalender den Eintrag Dr. Bajlar Ria, gefunden habe?“
Ich kann Adam nicht in die Augen schauen und sehe noch immer auf das Handy, welches in meiner Hand liegt. „Zuerst dachte ich, du seist wegen deiner Narbe bei einem Arzt und hättest mir nichts gesagt, weil es ein heikles Thema ist aber als du nach über 2h einfach noch immer nicht an dein Handy gegangen bist und Vanessas Handy ausgeschaltet war, habe ich mir Sorgen gemacht! Ria, wieso warst du beim Frauenarzt und hast mir nichts gesagt? Wieso muss ich mich um dich Sorgen? Wieso kannst du verdammt nochmal nicht einfach mit mir reden, wie ein normaler Mensch? Weisst du, dass ich erst durch Mike erfahren habe, dass Du hier bist?
Nicht mal Vanessa hat mir etwas gesagt!“ Die letzten Worte schreit Adam nur noch. Ich drücke mich immer weiter von ihm weg, immer weiter in die Ecke des Bettes. Ich weiss, dass er Angst um mich hatte und ich will mir gar nicht vorstellen wie es mir dabei gegangen wäre. Ich schaue ihn an und sehe die Verzweiflung in seinem Gesicht. Er streckt die Hand nach mir aus und ich zucke zusammen. Adam lässt die Hand sinken und sieht mich verzweifelt an. „Ria, was habe ich dir getan, dass du mir nicht vertraust. Ich habe dir die Türe zu meinem Haus und meinem Herz geöffnet. Ich liebe und beschütze dich. Ich möchte mit dir zusammen sein und du verlässt
mich einfach so aus heiterem Himmel.“ Tränen laufen mir übers Gesicht. Die Gedanken in meinem Kopf rasen. Ich wurde einfach schwanger und er muss nun dafür gerade stehen ob ihm das passt oder nicht. Was haben wir denn für eine Option? Ich muss Adam verlassen, ich muss ihn frei lassen, damit er glücklich wird und nicht mehr an mich denkt. „Ria, ich habe die ganze gestrige Nacht besoffen in meinem Büro verbracht. Ich weiss nicht mal mehr, was ich gemacht habe aber ich bin heute morgen dort erwacht und konnte wohl von Glück reden, dass es nur Samantha war die mich dort so vorgefunden hat. Ich kann und will nicht, dass du mich verlässt und
auch du willst das auch nicht. Das weiss ich ganz genau. Ich musste vor Mike bitten und betteln damit er mich endlich reinlässt und er und Vanessa mir endlich erzählen was los ist.“ „Du weisst also was ich getan habe?“ frage ich erschrocken. „Ria Jones! Ich weiss was wir getan haben oder hast du dies etwa alleine durchgezogen? Ich glaube kaum aber wieso in aller Welt glaubst du immer wieder, dass du alles alleine lösen musst? Wieso musstest du mich von dir wegstossen?“ „Ich weiss nicht Adam…ich wollte dich nicht verletzen. Ich wusste keinen Ausweg und wollte das Kind nicht abtreiben und dich nicht damit belasten weil ich wusste, dass du
ja keine Kinder willst und deshalb…“ „Warte..“ unterbricht mich Adam. „Du wolltest nicht abtreiben?“ fragt er mich und sieht mich fragend an. Ich schüttle den Kopf. „Nein, ich wollte und will nicht, deshalb muss ich dich ja gehen lassen. Deshalb habe ich dich verlassen.“ Ich weine wieder und lege instinktiv die Hand auf meinen flachen Bauch. Adam zieht mich zu sich und umarmt mich, er klammert sich regelrecht an mir fest. „Shht Ria, es kommt alles gut..“ sagt Adam und legt sich mit mir gemeinsam aufs Bett und nach einer halben Ewigkeit schlafen wir ein.