Ich nehm ein Blatt
Dieser Text ist eine Leseprobe aus meinem aktuellen Buch "Bühnenbilder", das meine Poetry Slam Texte aus dem letzten Jahr enthält. Wer mehr lesen und hören will, guckt bei youtube oder legt sich einfach das Büchlein zu.^^
In nehm ein Blatt, ich nehm ein Blatt,
weil nur ein Blatt die Gabe hat,
sich meiner Worte anzunehmen,
und angenommen, sie bekämen
zu Wort und Schrift noch eine Stimme,
so kann der Text zum Slam beginnen.
Die Gedanken fliegen wild
unter dem Radar des Kopfes,
nur das Herz allein bestimmt,
Klang und Rhythmus …
und jetzt klopft es,
hofft es, zittert und diktiert,
all die Wünsche destilliert,
die man sonst schnell überhört,
wenn der Lärm des Alltags stört.
Noch betört vom Rausch der Reime
kann ich mich nicht recht entscheiden.
Auswahl ist so riesengroß,
konsumieren Stoß für Stoß.
Wie im Stau geht es voran,
jeder Meter hart
umkämpft,
und am Ende schaut doch niemand,
welcher Blinker warnend brennt,
welcher Otto da noch rennt,
aber nein, bei uns, da läuft es
und das selbstgekaufte Glück
aus den Kaufregalen häuft es,
das Gefühl, noch mehr zu brauchen,
das Gefühl, nichts mehr zu sein.
Steht die Bude voller Schnickschnack,
fühlt man sich nicht mehr allein?
Ist das so, kann man das schaffen?
Wenn dann keine Lücken klaffen,
wenn kein Atemzug mehr bleibt,
ist man dann von sich befreit?
Wir sind so individuell, so einzigartig,
so wunderschön, so wertvoll … so ein Schwachsinn.
Guck dich um: Jeder fummelt entweder an Ärschen oder Touchscreens, schreibt seinen eigenen Blog und sucht am Wochenende die große Liebe … zwischen Alkoholleichen.
Wir gleichen uns in unserer Scham und in unseren Wünschen, weil wir zu viel Genormtes wissen,
um individuell zu sein, weil wir zu viel gesehen haben, um uns schön zu finden, weil wir zu viel besitzen, um wertvoll zu sein.
Wir sind alle gleich, und damit auch nicht allein.
In nehm ein Blatt, ich nehm ein Blatt,
weil nur ein Blatt die Gabe hat,
sich meiner Worte anzunehmen,
und angenommen sie bekämen
zu Wort und Schrift noch eine Stimme,
so kann der Text zum Slam beginnen.
Ich hab diese fünf Minuten
hier im Licht am Mikrophon,
um in diesen fünf Minuten
auf den Sinn im Text zu kommn.
Und ich könnte viel versuchen,
denn die Vielfalt ist enorm.
All die Themen anzusprechen,
sprengt das Maß, erst recht die
Norm.
Geht man tief, bleibt man alleine,
denn wer kommt noch bitte mit,
wenn ich hier, in diesen Zeilen,
wage einen ersten Schritt
und Gehör von euch verlange?
Nicht nur das, dazu Verstand,
Empathie und die Bereitschaft,
all die Wege, die ich fand,
einen Deut mit mir zu gehen,
vielleicht würdet ihr verstehen,
was ich meine, wenn ich sage:
Erwartungsvoll und ehrlich schweigst du –
an unverbrauchten Worten reich.
Sie loszulassen wäre Leichtsinn,
fielen sie doch zu Boden gleich.
Gedanken fliegen – wild wie immer –
im Zimmer deiner Fantasie.
Sie sind so schnell und nicht zu fassen,
reißen dich mit und ruhen nie.
Gesagtes wird so leicht vergessen,
wenn ihm die festen Flügel fehlen.
Doch es bedarf nur einer Frage:
„Magst du von deiner Welt erzählen?“
Eine Geschichte ist nichts wert,
bleibt sie verstummt und unerzählt,
bleibt sie versunken in Gedanken,
die nie den Mut zum Reden
fanden.
Komm schenke mir deine Geschichte,
dein Glück und Pech und alles sonst.
Ich heb sie auf und schreib Gedichte,
denn auch dein Wort birgt pures Gold.
„Wie war dein Tag?“, fragt man dich oft,
und zu oft nicht. Wen interessierts?
„Wie war dein Leben?“, frag ich dich.
Und sehe wie es dich verwirrt.
Komm schenke mir deine Geschichte,
dein Glück und Pech und alles sonst.
Ich heb sie auf und schreib Gedichte,
denn auch dein Wort birgt pures Gold,
birgt pures Gold, birgt pures
Gold.
In nehm ein Blatt, ich nehm ein Blatt,
weil nur ein Blatt die Gabe hat,
sich meiner Worte anzunehmen,
und angenommen sie bekämen
zu Wort und Schrift noch eine Stimme,
so kann der Text zum Slam beginnen.
Und eigentlich kann ich nichts sagen,
das irgendwie besonders wäre,
weil uns dieselben Ängsten plagen,
wir leben in derselben Sphäre,
tragen die gleichen stummen Herzen,
die sich nach Liebe sehnen,
doch noch zu klein, um es zu sagen,
sich noch in Wünschen
wähnen.
Was helfen kann, ist einfach reden
und miteinander Worte tauschen,
Geschichten schreiben, sie erzählen
und anderen Geschichten lauschen.
Wie Grönemeyer es mal sagte,
sind es Geschichten, die uns einen.
Egal, ob große Meisterwerke
oder einfach nur die kleinen
Alltagstaten, Kindermärchen,
alles hilft und alles heilt,
wenn das Wort aus deinem Herzen
bald in fremden Ohren weilt.
In nehm ein Blatt, ich nehm ein Blatt,
weil nur ein Blatt die Gabe hat,
sich meiner Worte anzunehmen,
und angenommen sie bekämen
zu Wort und Schrift noch eine Stimme,
so kann der Text zum Slam beginnen.