Die Schmiere
mit Feenhänden
schön regelmäßig
auf dem corpus pretiosum
verteilen.
„Das ist nur Wellness-Massage“
brummt der Maestro.
„Oh no, du musst die neuralgischen Punkte
kennen und Druck geben.“
Wie das geht,
demonstriert er mir sogleich
und presst mir die Fixpunkte unter den Fußsohlen,
dass ich die Englein singen höre.
Hilflos stöhne ich ein verzweifeltes
„Aufhören!“ in den Luftschlitz
und fühle,
wie er in meinem Rücken
grinst und seelenruhig
weiter drückt.
Der Mann ist Philosoph
und erzählt mir gerade,
dass die Stoiker selbst unter Schmerzen
noch glücklich waren.
Jetzt nimmt er sich
meine Zehen, jeden einzeln, vor.
Ich habe noch nie so sehnsuchtsvoll
bis zehn
gezählt.
Als er mir endlich den zehnten Stich
verpasst hat,
klopft er mir liebevoll auf den Po
und lässt mit rollendem Bass das erlösende
Girare ertönen.
Nun blicke ich ihm ins gütig lächelnde Antlitz.
Nein, er ist nicht der Sadist,
für den ich ihn gehalten habe.
Er ist vielmehr ein empathischer Menschenfreund.
Das glaube ich jedenfalls,
bis er sich bis zu meinem Gesicht
hochgearbeitet hat.
Jetzt kommt die Kopfmassage,
auf die ich mich als Denker besonders gefreut habe.
Er massiert mir die Wangen,
ich höre ein knirschendes Geräusch und
denke erschreckt,
dass meine Zahnspange gebrochen sei.
Während er meine Hirnkämmerchen tremoliert,
fahre ich blitzschnell mit der Zunge
die Zähne entlang.
Gott sei Dank, die Spange hat sich nur verschoben.
Endlich lässt er von mir ab
und wirft mit weit ausholender
Geste
die bösen Geister aus meinem Hirn
in die frische Morgenluft.
Mühsam richte ich mich auf
und versuche,
einen leichten Schwindel bekämpfend,
in die Schlappen zu kommen.
„Mille grazie“, grinse ich tapfer,
ziehe mich schwerfällig am Geländer
zu meinem Zimmer hoch,
stolpere über die Schwelle
und lande gleich wieder erschöpft auf dem Bett.
Jetzt spüre ich,
wie das Blut warm
durch die malträtierten Glieder
rinnt,
und bin sogar wieder zur Philosophie fähig:
Glück ist, von Schmerzen frei zu sein.
© EkkehartMittelberg, Dezember 2015