Vorbemerkung
Der Brauch Stiefel vor die Tür zu stellen, oder Socken aufzuhängen, hat eine ganz andere Bewandtnis, als viele Leute erzählen wollen.
Hier erfahrt ihr, wie es wirklich dazu gekommen ist.
Für Kinder zum Vorlesen geeignet.
(wieder eingestellt: 10.12.2022)
Gute Unterhaltung!
Copyright: G.v.Tetzeli
Bilder: Dank an pixabay und Monika Heisig
Cover Design: Monika Heisig
Internet: www.welpenweste.de
Der Schuh des Nikolaus
Nun, Ihr Lieben, jetzt, da Nikolaus vorbei kommen soll, muss ich es verraten.
Es geht natürlich darum, weswegen Stiefel zu Nikolaus herausgestellt, oder Socken auf die Wäscheleine angeheftet und warum die Stiefel, oder die Socken gefüllt werden.
Ihr wisst es nicht?
Es gibt da eine Geschichte, dass der Nikolaus erfahren hat, dass ein armer Mann seine Töchter nicht verheiraten konnte, weil der Vater nicht genug Geld für die Mitgift hatte. Das tat dem guten Nikolaus so leid, dass er in der ersten Nacht Geldstücke durch das Fenster warf. Der Vater sollte es nicht
bemerken. Deshalb stellten die Töchter ihre Schühchen vor die Tür und zogen sie schon am Morgen wieder an. So konnten sie die Geldstücke unbemerkt heraus nehmen, die der Nikolaus hinein gegeben hatte. Der Vater bemerkte das erst am dritten Tag und bedankte sich bei dem Nikolaus herzlich. Und er musste dem guten Nikolaus versprechen, dass er niemandem etwas von der Gabe verriet. So konnte der Vater alle drei Töchter glücklich verheiraten.
Es gibt ebenfalls die Sage, dass der Nikolaus die Goldstücke durch den Kamin rieseln ließ. Unten aber waren die Strümpfe der Töchter im Kamin zum Trocknen aufgehängt. So fingen die Töchter die Goldstücke auf.
Mumpitz! Das ist natürlich ganz anders gewesen!
Ich will es Euch erzählen, wie es wirklich war:
ALSO:
Es war einmal vor langer Zeit, da musste der Nikolaus in das nächste Dorf wandern. Er hatte sich sehr verschätzt, denn der Wald, den er durchquerte, war wesentlich größer, als er gedacht hatte.
So setzte er sich auf eine trockene Wurzel und wollte ein wenig ruhen.
Ich glaube, es war das Eichhörnchen Fips, das ihn zuerst entdeckt hatte. Es pfiff und keckerte lauthals, dass da ein Fremder im Wald war, der da gar nicht hingehörte. Da kamen alle Tiere des Waldes neugierig vorbei
und umringten den Nikolaus.
„Was tust du denn hier“, fragte der schlaue Fuchs.
„Ich ruhe mich hier nur aus“, antwortete der gute Nikolaus. „Ich bin ein wenig müde. Ihr müsst aber keine Angst vor mir haben. Ich bin nämlich der gute Nikolaus."
„Hast Du denn noch weit“, fragte das Rentier Rudolf.
„Ein ganzes Stück“, seufzte der Nikolaus. „Sollen wir dir helfen“, boten sich nun auch die erwachsenen Rentiere an.
Das Rentier Comet stand deshalb ganz nahe neben dem Nikolaus und er streichelte Comet.
Da geschah das Unglück.
Die freche Wühlmaus Fridoline grub sich gerade aus dem unterirdischen Gang heraus,
weil sie auch sehen wollte, was da los war. Comet erschrak, stellte sich auf die Hinterbeine und landete dann mit einem Huf auf dem Stiefel des Nikolaus.
"Aua", rief der Nikolaus. Das tat weh!
Dem Ren Comet tat das unendlich leid, aber es konnte nun auch nichts mehr ändern. Jedenfalls konnte der Nikolaus mit seinem angeschwollenen Fuß nicht mehr laufen.
„Wir müssen helfen“, beschlossen die Tiere des Waldes.
Und weil es Winter war, bauten die Tiere dem Nikolaus einen Schlitten. Auch der Bär half mit. Durch seine Kraft konnte er starke Äste abbrechen. Die Hirsche und Rentiere hobelten mit ihren Geweihen die Rinde ab und der
geschickte Biber verknotete die Einzelteile mit biegsamen, jungen Birkentrieben. Der Biber war auch der fleißigste, denn er schnitt die Äste zu und schnitzte die Kufen. Er hatte die Baumeister-Oberaufsicht.
Schließlich war der Schlitten fertig und der Nikolaus konnte Platz nehmen.
Die Rentiere wollten das Unglück wieder gut machen, packten die Leinen aus Weidenruten und sprangen mit dem Nikolaus davon.
Sie eilten zum nächstgelegenen Bauernhof, der noch ein gutes Stück abseits vom Dorf lag. Der Bauer nahm den verletzten Nikolaus gerne auf und wärmte ihn am Ofen in der guten Stube.
„Wir sind sehr arm“, entschuldigte sich der Bauer, „aber wir helfen gerne.“
Sogar ein paar Heugabeln Stroh hatte er für die dampfenden Rentiere übrig. Dann zog er dem Nikolaus den Stiefel aus. Das war schwierig, weil der Fuß schon so geschwollen war.
Oje, auch die Socke musste ab. Dann trug der Bauer eine Salbe aus Kräutern auf und verband den Fuß. Schließlich umwickelte er ihn noch mit einer Decke aus Lammwolle.
Der Nikolaus war ganz gerührt und dankbar. „Ich muss weiter zur Kirche vom Dorf, um Gutes zu tun“, erklärte er.
Dann humpelte er nach draußen. An der Türe drehte er sich um.
„Zur Belohnung darfst du den Schuh und die eine Socke behalten.“
Dann stieg er wieder auf den Schlitten und die Rentiere jagten auf das Dorf zu.
Der Bauer aber war ganz verdattert.
„Ein Stiefel? Eine gebrauchte Socke? Hättest du nicht noch etwas mehr von ihm verlangen können“, beschwerte sich seine Frau.
„Und wie kommst du darauf seinen Tieren auch noch Heu zu geben. Wir kommen ja selbst kaum über den Winter.“
„Ach, gute Frau, ich habe es gerne getan. Ihm musste doch geholfen werden“, sagte der Bauer und umarmte sie zum Trost.
Am nächsten Tag, es war der 6. Dezember, da geschah das Wunder. Die Socke und der Stiefel waren mit Goldstücken gefüllt. Da jauchzte die Bauersfamilie, denn sie musste
nie mehr hungern. Der Stiefel und die Socke bekamen einen Ehrenplatz im Bauernhaus.
Und jedes Jahr, am 6. Dezember füllten sich der Stiefel und die Socke mit Goldstücken, so dass der Bauer und seine Frau bis zu ihrem Lebensende glücklich und zufrieden leben konnten.
Ja, Kinder, so ist es nämlich gewesen, und nicht anders!
Ende.