Menschlichkeit
Unaufhörlich frage ich mich,
wohin sie eigentlich wollen,
diese Menschen mit dem leeren Blick,
die sich verstecken hinter ihren Fassaden von künstlich erzeugten Wohlstand,
von immer Mehr und immer Größerem,
nicht außer Acht lassend, dass auch ich sehr wohl die Tatsache geniesse,
ein schönes Heim zu haben,
eine Heizung, die mich vor Kälte schützt
und einen stets gut gefüllten Kühlschrank.
Erfüllt und dankbar kann ich mich noch immer an den kleinen Dingen erfreuen,
an den vermeintlichen Selbstverständlichkeiten,
denen Beachtung zu schenken mir so sehr in Fleisch und Blut übergegangen ist,
dass es mich fast von jenen, deren mehr und größer sie antreibt zu trennen droht.
Ich vermisse die Fröhlichkeit,
die wahre Lebensfreude,
die wirkliche Begegnung von Mensch zu Mensch,
die sich nicht an Status und Papier misst,
die sich nicht vergleicht, sondern jedes einzelne Individuum schlichtweg als Wunder begreift, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und sozialem Status.
Ich habe von den Ärmsten gelernt,
was Ehrlichkeit ist,
ich habe von den Ausgegrenzten gelernt
was Größe ist,
ich habe von den Mutigen gelernt,
was es bedeutet über den Tellerrand zu schauen.
Von jenen, die sich selbst und ihre Welt über Mehr und Größer identifizieren,
kann und will ich das, was sich zeigt, nicht lernen,
sich verschließen,
sich vergleichen,
immer atemloser und getriebener,
einem Ruhm hinterherjagend,
der flüchtiger und oberflächlicher nicht sein könnte,
kann in meinem Verständnis der Welt,
des Lebens nur dahin führen,
dass wir einander nicht mehr sehen können,
und viel mehr als das, uns selbst nicht mehr sehen können.
Die uns nahe liegendste Fähigkeit,
wie es bereits ihr Wortstamm erahnen lässt,
weil sie unser ureigenster Wesenszug aus unserem freien Willen heraus ist,
die Menschlichkeit,
sie schreit uns an, uns ihrer anzunehmen,
um unserer selbst,
uns als Mensch willen,
sie zu entfalten und zu kultivieren,
als unser größtes Potential, als das, was uns erfüllt und glücklich macht,
heute mehr denn
je.
Wie soll ich je einem anderen außerhalb meiner selbst je wirkliches Vertrauen entgegen bringen, wenn ich mir selbst nicht traue, mich selbst und meine beste Eigenschaft nicht einmal kenne.
Wenn ich nicht weiß,
was diese Menschlichkeit zu bewegen in der Lage ist.
Der, der aus Sicht der leer Blickenden zu viel gibt,
wird nicht allzu selten als dumm dargestellt,
als sich selbst nicht genug achtend,
als infantil und naiv,
im Irrsinn ihrer eigenen Vorstellungen übersehen jene allzu leicht,
dass das, was du jenem tust,
dem du mit Menschlichkeit begegnest,
auf deiner ureigensten Ebene auch dir selbst tust.
Dein dringlichster Instinkt,
der Hand in Hand geht mit
deiner seelischen, körperlichen und geistigen
Gesundheit,
die Entfaltung deiner Menschlichkeit,
er wird nicht schweigen,
nur weil du ihn vollstopfst
mit allerhand Tant und Plunder,
mit skurilen Erfolgen mit gekünstelter Anerkennung,
die dir eine kurze Befriedigung verschaffen
für ein Bedürfnis, dessen Namen und vielmehr dessen Essenz du längst vergessen hast.
Mensch du entartest dich selbst,
wenn du dir weiterhin den Zugang zu der dir ureigensten Fähigkeit verwehrst,
die gerade jetzt deiner Beachtung und des neuerlichen Lebens bedarf.
Erobere dir die Wärme, den Funken deines eigenen Blickes zurück,
beschenke dich und die Welt mit wahren Begegnungen,
mit echter Nähe und besinne dich auf deinen Ursprung.
© Simone Hurtmann, 28.11.2015