Ein ganzer Kerl
Seine stahlblauen Augen
unter der schattigen Krempe des Huts
trafen uns mitten ins Herz.
Auf seinen Wangen
hatte das Leid
tiefe Kerben eingegraben.
Sein schmallippiger Mund
lächelte selten.
Sein wiegender Gang balancierte
den schwankenden Untergrund aus.
Rum und Tabak waren harmlos für ihn,
er stand täglich unter Pulverdampf.
Seine Gespielinnen hießen Jenny oder
Jane,
aber er nannte alle Baby.
Er las keine Bücher,
das Leben schrieb Geschichten.
Manchmal hörte er Musik,
nicht den „Jungen mit der Mundharmonika“,
das war für Weiber,
aber „Spiel mir das Lied vom Tod“.
Er konnte die Einsamkeit ertragen,
sein Pferd war ihm Freund genug.
Als er es angeschossen
ins rettende Gebüsch schleifte,
jagte ihm eine Kugel ein Loch in den Hut.
Das ließ er niemals stopfen.
Wenn wir ihn im Kino sahen,
strafften sich kleine Busen
und schmale Jungenschultern.
Als wir hinauskamen,
hatten die Mädchen gerötete Wangen,
wir schlugen den Mantelkragen hoch
und spuckten weite Bogen.
So hielten wir sein Bild in Ehren,
bis uns zum ersten Mal
eine erfahrene Frau
Baby nannte.
© Ekkehart Mittelberg, November 2015