Sie bewegten sich nicht. Jede kleine Bewegung könnte die Situation ändern, deswegen waren ihre Arme steif an ihre Seiten gedrückt, die Beine wurden so gut es ging aneinander gepresst, so dass sie nicht mehr zittern sollten und der Kopf lag auf der Erde und bewegte sich weder zur einen noch zur anderen Seite, um zu sehen was um einen herum los war. Nebeneinander liegend spürten sie kaum die Kälte, die über den nackten und erdigen Boden durch ihre wattierten Jacken und Hosen kroch. Der Dreck auf ihren blassen Gesichtern, unter den Fingernägeln und auf ihrer Hose
interessierte sie seit Wochen nicht mehr. Seit dem sie dem Schrecken ins Auge geblickt hatten, war der einzige Wunsch der geblieben ist, nach Hause zu kommen. Ganz egal wie.
Ihre Herzen veranstalteten eine Hetzjagd, als würde derjenige gewinnen, dessen am schnellsten und lautesten hämmern konnte. Wie bei einem Pferderennen. Voller Panik lagen sie da, nur die Augen rasten von einer Ecke zur anderen. Sie erwarteten den Angriff, wussten nicht von woher. Warteten auf den Todesstoß. Vielleicht hatte man sie schon entdeckt, vielleicht auch nicht. Die knochige Hand des Todes griff nach ihren Hälsen. Eiskalt und scharf wie die
beste Klinge der Welt.
Der Panzer über ihnen bot kaum das beste Versteck in der Gegend. Mitten auf einem Feld stand er zwar nicht alleine, doch wenn man genau hinsah, war er einer der wenigen Maschinen, die nicht explodiert waren, dessen Innere nicht von züngelnden Flammen zerfressen worden war. Kratzer, Schrammen und Ruß befleckten ihn, zeigten, dass er mitten im Gefecht war, aber nicht mehr bemannt war, so wie die Lucke oben auf dem Panzer offen war. Die Soldaten waren geflohen, sprach der Panzer und versteckte wie eine Vogelmutter ihre Kleinen unter sich.
Ein warmes und behütetes Nest sah dennoch anders aus. Es war besser als eine 2 Meter breite und 2 Meter lange Kuhle, die man voller Angst und Hektik mit den bloßen Händen gegraben hatte. Aufgeschürfte Ballen und aufgerissene Nägel musste man in kaufnehmen, aber bei der Kälte spürte man den Schmerz sowieso nicht mehr. Sie haben kapituliert und jeder wusste was mit Kapitulierten geschah, die sich zeigten, deswegen versteckten sie sich. Lieber schaufelte man sich sein eigenes Grab, bevor es der Feind tat. Man war zwar grausam zu sich selbst und seiner Seele, aber der Feind würde keinerlei Rücksicht
zeigen. Es war immer schlimmer, wenn es jemand anderes tat, als man selbst.
Der Atem zitterte, als einer von ihnen versuchte langsam auszuatmen und dabei ein leises, kaum wahrnehmbares Geräusch von sich gab. Aber es hörte sich für die von Adrenalin vollgepumpten jungen Männer an als würde eine Rakete auf sie zu rasen. Jede Sekunde könnten sie entdeckt werden. Jede Sekunde würde die Rakete detonieren. Jede Sekunde zählte und sie klammerten sich an sie, haderten mit sich. Ihre Brust schien zu zerspringen vor Anspannung. Wie lange müssten sie sich noch verstecken? Sollten sie sich vielleicht lieber zeigen? Sich ergeben?
Vielleicht würde man Nachsicht zeigen? Sie vielleicht sofort umlegen? Die Ungewissheit schnitt jedem einzelnen unter die Haut. Darauf hatte man sie nicht vorbereitet und wenn doch, reichten bloße Worte nicht raus. Auf so etwas war niemand in seinem Leben vorbereitet.
Stimmen erheben sich auf einmal, schneiden durch die trügerische Stille, die eingekehrt war. Stiefel trampeln gefühlt über den Boden neben ihnen. Sie verstehen den Feind nicht. Eine andere Sprache. In ihren Ohren klingt sie bedrohlich und jedes Wort klingt, als hätten sie sie gefunden und nun müssten
sie nur überlegen was mit ihnen geschehen sollte. Jetzt erschießen oder gefangen nehmen?
Als auf einmal eine tiefe Stimme kaum 10 Meter nördlich von ihnen noch einmal laut über alle hinweg brüllte. Sie rief einen Befehl und zeugte weder von Erschöpfung noch von Angst. Pure Verachtung für diejenigen, die sie suchten, pure Zielstrebigkeit für den Auftrag. Damit sein Land gewann. Dann wurde es still. Die Schritte entfernten sich.
Trotzdem wagte es keiner von ihnen aufzuatmen. Druck bildete sich auf ihren Ohren, ihrer Brust und sie hielten verkrampft die Hände zu Fäusten geballt.
Leblos starren sie auf die Unterseite des Tanks. Hatten sie wirklich überlebt?