Wie hat alles begonnen war die Frage mit der alles anfing. Welch Ironie… Sie haben immer gefragt wie sie sich getroffen haben, wie sie miteinander gelebt haben und wo sie gelebt haben. Ihre Münder zerrissen sich selbst an jenem dunklen Tag über Gerüchte, obwohl alles nun ein Ende haben sollte. Sie konnten selbst da nicht still sein, obwohl sie nicht wussten was sie sagen sollten, was angebracht war und was nicht. Manche weinten wirklich oder man konnte es ihnen zu mindestens abkaufen. Dicke, fette und hässliche
Tränen, die über ihre geröteten Wangen flossen, während sich ihre Mundwinkel nach unten verzogen und aus ihren Gesichtern hässliche Fratzen schnitten. Dampf stieg vor ihren Nasen auf, während sie wie Pinguine sich zusammen rotteten, die Hände aneinander rieben, um warm zu bleiben und einen letzten Blick auf ihre kümmerlichen Blumenkränze warfen. Schließlich entschieden sie sich alle den Weg hinein in die kleine Kirche im Ort zu nehmen. Es war kalt, sie gaben dieser Kälte nach. Der Winter in diesem Jahr war erbarmungslos zu allem Vieh und zu den Pflanzen gewesen. Doch nicht zu Menschen. Die meisten überlebten. Der
Mensch war eigentlich nur ein Parasit auf dieser Erde, doch ein kluger Parasit. Er würde überleben, er würde strampeln, bis man ihn endlich ertränkt, verbrennt oder anderweitig auslöscht. Der Kies knistert unter den vielen schwarzen Lack- und Lederschuhen. Waren wohl ihre besten Paare, als sie sich heute Morgen anziehen mussten, um ein paar Stunden im Schnee damit zu stehen. Als die Stimmen endlich schwanden und nur noch der säuselnde Wind da war, der den hochgestellten Kragen ignorierte und ihm in den Nacken kroch, atmete er lange und erschwert aus. Die helle kleine Wolke vor seiner Nasenspitze stieg auf
und löste sich in binnen von Sekunden auf. Genauso wie sich das Leben seiner Frau einfach aufgelöst hatte. Er zog die Schultern näher heran, versteckte den Kopf tiefer im Kragen und blickte weiterhin runter auf die kleine Marmorplatte. Mehr hatte er sich nicht leisten können und von Familie und Unterstützung brauchte er erst gar nicht anzufangen. In vergoldeten Lettern stand darauf: Geliebte Eden Andersson, geboren 08.11.1983, gestorben 30.12.2013. Auf ewig in unseren Gedanken. Sie war eine wunderbare Frau gewesen, auch wenn er sie nicht lange genug in den Armen gehalten hatte. Sie war viel
beschäftigt gewesen, doch nie erschien es ihm, als sei sie damit überfordert. Sie trug die Lebensfreude tief in ihrer Brust und hätte sie am liebsten allen geschenkt. Ihre Erscheinung gab ihr natürlich weitere Vorteile darin jeden Menschen für sich zu gewinnen. Sie hatte zwar nie die Modelfigur, doch wer brauchte diese schon, wenn man eine atemberaubende Ausstrahlung und Persönlichkeit hatte. Eden besaß einen weichen und zarten Körper mit den Rundungen an den richtigen Stellen. Ihre dunkle Haut erinnerte tatsächlich an eine leckere Vollmilchschokoladentafel. Ihre Augen waren hell und voller Energie. Sie hatte in ihrem Leben jeden
angesteckt. Binnen Sekunden waren die Leute verliebt in sie, binnen Sekunden waren sie motiviert und ihre Melancholie in die nächste Gedankenecke geschoben. Auch er hatte sich damals binnen Sekunden in sie verliebt. Was sie jedoch an ihm sah, konnte er bis zu jenem Tag nicht verstehen. Dennoch war er dafür dankbar und hielt dieses Geschenk mit Samthandschuhen an seine Brust gedrückt. Vielleicht nicht stark genug… Von Tag Eins auf hatte er sie mit großen glänzenden Augen angeschaut, wie ein Schulkind einen großen bunten Lutscher. Voller Begierde und doch voller Zurückhaltung.
Er traf sie damals in einer Bar. Sie saß nicht alleine, sondern zwischen ihren laut schnatternden und kichernden Freundinnen. Ein silberglänzendes Kleid ging ihr nur bis zur Hälfte ihrer Oberschenkel. Ihre Haare fielen in sanften Wellen über ihre Schulter auf ihr Dekolleté. Sie gab niemals alles preis, denn sie wusste, dass die Fantasie ein mächtigeres Werkzeug war, als die vollkommene Preisgabe. Sie hüllte sich in Geheimnisse, während sie sich selbstbewusst präsentierte. Sie wusste was sie ausmachte. Damals hatte sie sich ihm mit einem genauen Blick und einem schief sitzenden Lächeln zugewandt. Die
hellen grünen Augen starrten ihn hoffnungsvoll an, während ihre Freundinnen mit einem abfälligen Schnauben reagierten. Doch er hielt damals stand, fragte ob er ihr etwas spendieren dürfe, später war sie diejenige die mit ihm tanzen wollte. Auch wenn er ihr erklärte, er hätte das nie gemacht und sah dabei auch nicht sehr gut aus, was nicht zu seinem Vorteil wäre beim ersten Treffen, nahm sie ihn bei der Hand. Sie sah über sein fehlendes Können in vielerlei Dingen hinweg, akzeptierte es und grub tiefer in seiner Seele, als jeder andere, und sie schien etwas gefunden zu haben. Vielleicht mochte es der Alkohol
gewesen sein, doch an diesem Tag war Chase Andersson glücklich gewesen. So glücklich würde er nie wieder werden, das wusste er nun. Ein dünner Schleier von Tränen bildete sich auf seinen Augen, doch er wischte ihn nicht weg, blinzelte nicht einmal, denn er hatte Angst, etwas zu verpassen. Ein Wink ihres Geistes, ihre Stimme, ein kurzes Abbild von ihr aus dem Jenseits. Dass das vollkommen unmöglich war, wusste er selbst und doch hielt er sich krampfhaft daran. Er wollte sie nicht gehen lassen. Das hatte sie nicht verdient. Er erinnerte sich, wie sie das erste Mal zusammen gezogen waren. Nach zwei
Jahren Beziehung und als beide ihren Abschluss hatten, suchten sie sich einen Job in der gleichen Stadt. Eine kleine schnuckelige Wohnung, sollte ihr erstes trautes Heim werden. Chase war noch immer über beide Ohren in sie verliebt, auch wenn er sich immer wieder fragte wieso sie gerade mit ihm zusammen war. Was hatte er damals schon zu bieten. Doch sie ließ sich darauf ein, sagte sie würden beide gemeinsam alles schaffen. Später entschieden sie sich eine kleine Katze zu kaufen, die jeden Abend sich zwischen sie drängte und laut schnurrte, wenn man sie kraulte. Am liebsten lag Tatze auf ihrem Schoß. Ihn mied sie, sofern es nicht um etwas zu essen ging.
Chase verzog das Gesicht zu einem schmerzhaften und schiefen Lächeln, so dass ihm eine Träne über die hohen Wangen rutschte. Es fing an zu schneien und dicke Flocken aus weißen Kristallen legten sich auf seinen schwarzen Haare nieder. Er schloss für sie seine Augen und atmete noch einmal tief ein und aus. Die Kälte kroch unter seinen schwarzen Mantel in seine Brust und ließ ihn erzittern. „Mister?“, ein älterer Herr mit einer dunklen Mütze auf dem Kopf kam auf ihn zu, in der einen Hand hielt er eine Schaufel und in der anderen einen Eimer mit Blumen für den Winter. Auch zu
dieser Jahreszeit sollte man die letzte Ruhestätte der Verstorbenen nicht welken lassen. Chase blickte auf, der Mann warf ihm einen bemitleidenden Blick zu, bevor er den Kopf senkte und ein leises Beileid aussprach. „Ich möchte nicht unhöflich wirken, aber ich denke Sie sollten lieber nach Hause gehen. Es wird bald dunkel. Zu Hause sind sie besser aufgehoben.“ Chase beobachtet ihn noch eine Weile ohne wirklich ein Wort zu sagen, zu sehr zitterte seine Stimme und zu groß war der Kloß in seiner Kehle. Er hätte kein Wort herausbekommen. Außerdem hatte der Mann recht. Die
Sonne ging langsam unter und färbte den von grauen Wolken behangenen Himmel in ein tiefes und dunkles rot. Seine letzten Gedanken galten seiner Frau und seiner Zukunft.Ich werde dich rächen…
tooshytowrite ...wow... |
TheGeneral Danke für den Kommentar. Hoffe ich kann die Spannung aufrecht erhalten. |