Seite um Seite blättere ich meine Energie-Abrechnung durch. Doch davon wird die nachzuzahlende Summe nicht weniger.
Wie hieß das? EEG-Umlage?
Die ist doch tatsächlich nochmals um 18% gestiegen und damit natürlich auch mein Strompreis. Da steht's. 27,61 Cent/kWh. Das sind bei einem Durchschnittsverbrauch zusätzliche Kosten von 1,34€/Monat.
Aber wer liegt schon im Durchschnitt. Ist doch wie überall. Durchschnittswerte sind echt keine Grundlage für …
Und während ich so vor mich hinmeckere, fällt mir die letzte Debatte über Strom und dessen Herstellung ein, die ich mit einem Sechsjährigen geführt hatte.
Der Fahrstuhl stand. Nichts ging mehr.
Ein junges Pärchen, vielleicht 16 oder 17 Jahre alt, nutzte die Gelegenheit, sich gegenseitig abzuschlappern. Ein älterer Mann mit Aktentasche schaute genervert auf die Uhr und die Großmutter aus der 6. Etage versuchte ihren Enkel unter Kontrolle zu halten. Dieser hatte es sich just in dem Moment in den Kopf gesetzt, vor Langeweile rumzuquängeln.
Ich verdrehte die Augen und sah ihn grimmig an.
„Na, geschafft? Mit deinem Krawall alle Eletei in die Flucht geschlagen? Wer soll den Fahrstuhl nun weiterbewegen? Die Riesen vielleicht?“
Der Junge schaute mich trotzig an: „Pah, der
Fahrstuhl fährt mit Strom und überhaupt, was soll denn das sein Ele...wie?“
Also ein neunmalkluger 6Jähriger.
Ich würde ihm schon eine Geschichte erzählen.
„Also, die Eletei sind Strom. Setze dich her und ich erzähle dir davon. … Vor langer Zeit, als noch Keiner von den Eletei gehört hatte, es also noch keinen Strom gab, mussten Riesen aus einem fernen Land die Fahrstühle rauf und runter bewegen. Du musst wissen, die Menschen bauten ihre Burgen und Klöster auf hohen Felsen. Die Landesgrenzen wurden durch riesige Mauern, auf denen Soldaten patrouillierten, vor dem Feind geschützt. Tief in der Erde wurde nach Erz und Edelsteinen gesucht und überall gab es
Fahrstühle, um dahin zu gelangen. Die Fahrstühle waren nicht wie heute, sondern nur Körbe oder Käfige, die durch ein großes Rad bewegt wurden. Die Menschen aber fürchteten sich vor den Riesen, weil sie so groß und stark waren, viel stärker als sie selbst. Deshalb suchten sie nach irgendetwas, was die Riesen ersetzen könnte. Ein ganz schlauer Mann hat nach langer Suche die Eletei gefunden. Sie sind ganz winzig klein, mit deinen Augen kannst du sie gar nicht sehen. Sie flitzen in den Leitungen hin und her und können dabei alles bewegen. Weißt du, wenn wir auf den Etagenknopf im Fahrstuhl drücken, sehen das die Eletei und sausen los, damit der Fahrstuhl rauf oder runter fährt. Die Riesen wurden nun nicht
mehr gebraucht und gingen in ihr Land zurück, zurück in das Land der Elfen und Kobolde, Zwerge und Riesen, Meerjungfrauen und Einhörner. Nur wenige Riesen, wie Eon oder Watenfall sind bei den Menschen geblieben, um die Eletei zu beaufsichtigen. Gerade jetzt sind sie auf der Suche nach den verschreckten kleinen Dingern und … oh, sie haben sie gefunden, denn unser Fahrstuhl fährt wieder.“
Es ruckelte kurz und der Fahrstuhl setzte sich wieder in Bewegung. Der Lütte schaut mich an und zeigt mir einen Vogel.
„Na du erzählst mir ja einen Mist. Denkst du, ich glaube noch an Märchen? Strom wird durch Windräder, Photovoltaikanlagen und anderen Anlagen hergestellt, deren
Energiequellen unerschöpflich sind. Die also niemals alle werden und die es immer geben wird, wie Sonne, Wind und Wasser. Du bist ja mit deiner Erzählung genau so ein Fossil wie die Steinkohle, Braunkohle und so. Das weiß ich nämlich alles von meinem Papa. Der ist ein ganz hohes Tier bei Vattenfall.“
Damit steckte er mir die Zunge heraus und war verschwunden. Die Großmutter rannte ihm, eine Entschuldigung nuschelnd mit roten Kopf hinterher und ich blieb sprachlos ob des dreisten Bürschleins zurück.
Lächelnd hefte ich die neue Rechnung in den Ordner. So ist es wohl. Die Jungen machen frischen Wind und die Fossile bezahlen die Rechnung dafür.
Das kleine Kerlchen weiß Bescheid.
Ich und die alten Energiequellen sind Fossile. Er dagegen wächst in eine Zeit hinein, wo die Menschen neue Wege beschreiten müssen. Die Zeit toleriert keinen Sillstand. Sie fordert stets Veränderungen und auch unsere Energiepolitik hält da kräftig mit:
„Neue Kleider braucht das Land“.
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© A.B.Schuetze 11/2015