Die Schreibblockade
Jeder Schriftsteller kennt das:
Die Schreibblockade.
Das vergeht irgendwann wieder. Nicht so bei mir. Ich versuche mich auf dem Schreibblock, statt auf dem Computer. Man könnte es ja später übertragen. Ein paar Worte hin gedroschen, schon produziere ich Müll. Meine bessere Hälfte ist mit Kuchen backen in der Küche zugange. Die hat nie Probleme, ihre Backwaren gelingen immer. Genauso schlimm ist es mit Essen kochen. Es gelingt alles. Wie gerne würde ich über diverse Desaster in der Küche schreiben. Ein Buch zum totlachen. Würde ich Hand anlegen, wäre das kein
Problem. Bei mir würde das Wasser überkochen und die Frühstückseier in der Mikrowelle explodieren. Leider aber habe ich Küchenverbot, so dass mir es einfach an der Praxis fehlt über entsprechende Unglücke zu schreiben.
„Geh doch spazieren und nimm den Hund mit. Da kommst du auf andere Gedanken." Ich nehme die Leine und Tobi mit.
Ich weiß zwar nicht, was es bringen soll, wenn ich beschreibe, wie Tobi hingebungsvoll pinkelt, oder gar Drucki macht, aber nun gut.
Wir spazierten zum naheliegenden See. Tobi schnüffelte, wie verrückt. Der hatte es gut. Lauter Gerüche nahm er auf, wie Zeitung lesen. Wer wann wo da war, was passierte
und ich schleppte mich gelangweilt so durch die Gegend.
Auf einer Bank, ganz nahe am See, setzte ich mich. Tobi nahm ich von der Leine. Sollte er doch toben, wie er mag. Dazu brauchte der nicht einmal einen Ball.
Ich sah über den Baggersee. Auch der war fade und ruhig. Grau lag er da und kein Lüftchen regte sich.
Ein Skater rollte ratternd an mir vorbei und ich sah ihm nach. Wenn er wenigstens stürzen würde! Aus dem Gebüsch würde ein entlaufener Bluthund herbeistürzen und würde die gebrochenen Knochen weiter zerkleinern. Raben kämen herbei, um Köstlichkeiten, wie die Augäpfel heraus zu picken, aber leider:
nichts, kein Zündfunke für eine Story. Der Kerl konnte sogar ausnehmend gut fahren und war bald aus meinem Blickfeld verschwunden.
Eine Blondine kam daher. Das war doch mal was fürs Auge. Blonde Mähne, Mannequin-Figur, hinreißende Stöckelschuhe, adrett gekleidet, wie ein Marmeladenbrot. Leider trübte der vor ihr rollende Kinderwagen das Gesamtbild erheblich. Der unsichtbare Wurm im Vehikel fing an zu schreien.
Vielleicht sollte ich doch über die Zeit des kalten Krieges schreiben. Da werden Agenten gefoltert, indem man ihnen lautstark Kindergebrüll vorspielt, bis sie zusammen brechen. Blondes Gift und Kindersirene wanderten weiter. Nicht einmal einen Blick hat diese Kuh für mich und meinen
Alabasterkörper übrig gehabt.
Obwohl ich täglich in teuren Cremes bade, werden auch bei mir allmählich Falten sichtbar. Das ist bei Männern gefälligst attraktiv, verdammt nochmal!
Es blieb, Langeweile.
Keine Spur davon, einer Story auf der Spur zu sein.
Das, was nun auf der Bildfläche erschien, war auch nicht gerade ein Aktion-Kracher. Ihr Gesicht war eine einzige Faltgarage und an der Leine wuselte eine Fuß-Hupe von zotteligem Etwas, das eine Mischung aus Ratte und Wischmopp zu sein schien. Der olle Kellerbesen hatte aber noch einen ganz rüstigen Schritt drauf, während der Hund eine rote Krawatte trug. Ach nein, das war seine
Zunge.
„Ist noch frei“, fragte die alte Schachtel frech. Passte mir gar nicht, aber ich rutschte. „Schönes Wetter“, stellte sie fest, als sie sich gesetzt hatte.
Ich nickte, während mir das Hecheln der haarigen Silberdistel auf die Nerven ging.
Jetzt hatte ich die Alte an der Backe. Da war mir doch glatt die Langeweile lieber.
„Sie haben auch einen Hund“, sagte sie.
Es klang wie eine Feststellung. Ich nickte nur und verdrehte die Augen. Jetzt würde diese Mamsell bestimmt von ihren Beschwerden anfangen, welche Ärzte sie konsultierte und welche Gebrechen besonders schlimm waren. Alte Männer und Frauen quatschen immer über irgendwelche Gebrechen. An die Namen
jedes tollen Arztes, jeder Krankenschwester erinnern sie sich. Sie würde mir also buchstäblich das Ohr abkauen. Überhaupt erinnerte mich ihre Erscheinung irgendwie an eine Hexe.
Null Story in Sicht!
„Ich sehe keinen Hund“, schaute sie mir in die Augen.
„Ach, der schnuffelt hier so in der Gegend rum“, antwortete ich lässig.
„Wo?“
Ich richtete mich nun doch auf. Von Tobi keine Spur.
„Tobi! Tobiii!“ Ich ließ einen gellenden Pfiff los.
Nichts.
„Soll ich ihnen helfen?“
„Nee, nicht nötig. Tobi! Tobiass!“
Wo blieb der Racker? Er war einfach verschwunden. Scheiße!
Jetzt wurde das Hutzelweiblein resolut.
"Geben sie mal die Leine her.“
Ich gehorchte wie ferngelenkt.
„Astaroth, schnüffel mal!“
Dieses Zottelwesen schnüffelte. Es war eher ein knarrendes Grunzen. War das wirklich ein Hund? Und überhaupt, dieser hirnrissige Name: Astaroth
Astaroth schnappte sich die Leine, wie ein hungriges Krokodil. Ich hatte schon Angst, dass der Rollgriff das nicht überleben würde. Dann raste dieses Wuschelmonster davon. Ich konnte die Geschwindigkeit gar nicht glauben. Dagegen bewegt sich ein Greyhound-Windhund wie eine Schildkröte. Ich wollte
irgendetwas tun, aber die Alte befahl: „Sitz!“
Eine Kraft zog mich auf die Bank. Da pappte ich nun auf dem Holz, wie mit Industrie-Leim verklebt.
"Abwarten, Bübchen“, schnarrte die Unbekannte.
Wir warteten.
Es dauerte nur ungefähr eine viertel Stunde, da kam der wuschelige Handbesen wieder. Er zog Tobi an der Leine hinter sich her, der wie eine Marionette wirkte. Tobi war abgeliefert. Ich staunte Bauklötze.
Sie grinste, wobei ihre Falten Wellen schlugen. Sie befreite die Leine aus dem Fang, der vorher wie ein unknackbares Schloss fungiert hatte. Wie hatte denn dieses Wuselmonster Tobi überhaupt anleinen
können?
Dann beugte sie sich zu ihrem Vierbeiner herunter. Er fiepte und bellte.
"Aha", krächzte sie.
Hatten die Beiden sich wirklich unterhalten, oder träumte ich?
"Haben sie letzten Sommer ihre Uhr verloren?"
"Ja, ja, meine Seiko. Ich dachte, sie wäre geklaut worden."
Sie rief nur: "Astaroth", und der Hund flitzte davon. Fünf Minuten später hatte er meine Uhr apportiert.
Einfach so? Ich war platt.
Wie hatte er sie finden können? Ich hatte sie abgeschrieben. Wie hatte er und die Alte überhaupt wissen können, dass…
Mir wurde einfach unheimlich.
„Gehen sie nur“, schnarrte das Weiblein verdrießlich.
„Sie brauchen sich bei mir und Astaroth nicht zu bedanken."
Ich machte, dass ich Land gewann.
„Passen sie auf dem Rückweg auf“, rief sie mir noch Unheil gewitternd nach.
Heim, heim, war mein einziger Gedanke. Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Ich war doch wohl nicht verrückt geworden? Wie dem auch sei, ich hätte mich allerdings wirklich bedanken sollen. Ein wenig schlechtes Gewissen machte sich breit.
Übrigens, die Uhr funktionierte sogar noch.
Auf der Treppe zur Wohnung stolperte ich. Ich
war noch nie auf der Treppe gestolpert!
Jetzt liege ich mit Gipsbein in der Wohnung und meine bessere Hälfte ummuttert mich. Von der unheimlichen Begegnung habe ich ihr natürlich nichts erzählt.
Und Ihnen werde ich es auch nicht erzählen! Sie würden mich ja auch nur für plemplem halten.
Ich erzähle Ihnen am besten von den Ärzten und wie sie heißen, den Medikamenten und was mir alles weh tut, wie es unter dem Gips juckt, warum ich nicht schlafen kann. ich empfehle Ihnen sogar irgendwelche Ärzte, wenn Sie wollen.
Interessiert Sie nicht die Bohne?
Ich sag‘s ja, Schreibblockade!