Finster schaute er sie an. Es war wieder einmal typisch gewesen. Kaum lag sie im Krankenhaus, war er wieder der Ehemann. Reichte sie deswegen keine Scheidung ein, obwohl sie sie wollte? Bis vor Kurzem hatte er noch Mitleid mit ihr gehabt. Aber das war endgültig vorbei. Er verspürte nur noch endlosen Hass für sie. War sie so dämlich oder tat sie nur so? Sie wusste, wie man sich fühlt, wenn man was versprochen bekam und es dann doch nicht kriegte. Wieso war sie wie ihr Vater und nicht besser, wenn sie wusste, wie scheiße man sich dabei fühlte, wenn jemand ein
Versprechen bricht? Und wie war das mit Verabredungen? Ihre damals beste Freundin hatte sie oft stehen lassen. Erst sich mit ihr was ausgemacht und dann durch nicht erscheinen geglänzt. Das Selbe tat sie mit ihm. Eigentlich mit allen, denen sie sehr viel bedeutet. Dafür kroch sie jenen in den Arsch, die sie nur ausnutzten. Oft hatte er versucht sie wie Dreck zu behandeln, um auch mal in den Genuss zu kommen, sie Knietief im Arsch stecken zu haben. Die erste Strophe des Onkelz – Liedes „Zeit zu gehen“ ging ihm durch den Kopf:“Wenn Freunde nicht mehr sind, was sie mal waren, wenn sie Dir nichts mehr geben, vergiss' ihre Namen! Lieber
Hass als gespielte Liebe, ist alles, was wir fühlen eine Lüge? Es wird Zeit zu geh'n, zu geh'n, zu geh'n, zu geh'n, zu geh'n. Es wird Zeit zu geh'n, zu geh'n, zu geh'n, zu geh'n, zu geh'n. Kommst Du mit mir, oder bleibst Du steh'n? Trittst Du weiter auf der Stelle, oder beginnst Du zu sehn, zu seh'n, zu seh'n, zu seh'n, zu seh'n?“ Er hatte immer wieder gegeben und sie hatte immer wieder genommen. Dankbarkeit zeigt sie anderen. Den Halunken. Das verlogene Volk, das sie als Freunde bezeichnete. Einst wollte sie sich von den trennen. Aber das Vorhaben hielt nur wenige Minuten an. „Ich hasse dich.“, zischte er
leise. Sie lag einfach nur da und schlief. „Der einzige Grund, warum ich das all die Jahre mitgemacht habe, war, das ich sonst niemanden hatte und ich nicht ganz alleine sein wollte. Aber seit Kurzem habe ich Arbeit. Mit ein paar Kollegen verstehe ich mich blendend. Wie der Status im Moment ist, kann ich nicht genau sagen. Aber es scheint, als würden wir Freunde werden. Ziemlich gute Freunde. Sie haben mir erst neulich in meiner Wohnung geholfen. Du weißt schon, was ich meine. Worum ich dich seit Monaten bat. Doch du hast mich immer wieder versetzt. Hast lieber denen geholfen, die dich eh nur
ausnutzen.“ Er sah sich, wie er ihr das Kissen aufs Gesicht legt und sanft zudrückte. Auch wenn er sie noch so sehr hasste, war er kein gewalttätiger Mörder, sondern ein sanftmütiger Mensch mit dunklen Gedanken. Was ihn davon abhielt, ihr wirklich auf das Gesicht zu drücken, war sein Gewissen. Sein Glaube an Reinkarnation. Er wollte nicht wiedergeboren werden, als ein Opfer. Im nächsten Leben wollte er jemand sein, dem es gut ging. Reich wollte er nicht sein. Aber echte Freunde wollte er haben. Und ein harmonisches Familienleben. Eben das, was er in diesem Leben nicht hatte. Wobei er in
diesem Leben auch kein Geld hatte, sondern ziemlich an der Armutsgrenze lebte. Was ihm aber nicht sonderlich interessierte. Für ihn zählten wahre Freundschaft, Vertrauen, Zuverlässigkeit und echte Liebe. Für erwiderte Liebe würde er freiwillig auf Sex verzichten, wenn die Frau zu denen gehörte, die keinen Beischlaf wollten. Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen. Vor Schreck, versteckte er das imaginäre Kissen hinter seinem Rücken, welches er eben noch auf dem Gesicht seiner Exfrau lag. Es dauerte einen Moment, bis ihm dämmerte, das er sie nur in seinen Gedanken versucht hatte sie zu
ersticken. „Wird sie wieder?“, fragte er traurig. „Ganz bestimmt.“, antwortete die Schwester. Wenn du wüsstest, was ich eben machen wollte, dachte er. Übrigens; ganz bestimmt ist ganz bestimmt eine Standartantwort von euch. Lasst es bleiben. Versucht es lieber, mal mit Ehrlichkeit, damit wir uns darauf einstellen können. Laut sagte er: „Ihr Wort in Gottes Ohr.“ Sie lächelte kurz und verschwand wieder. „Ich frage mich, was wohl wäre, wenn ich hier liegen würde. So kurz vorm Abnippeln. Würdest du Tränen
vergießen, wie bei deinem Herrn Papa, der gern versprach und nichts hielt und der dich häufig mit einem Teppichklopfer versohlt hat? Wahrscheinlich nicht. Denn ich war viel zu lieb zu dir. Genau das war mein Fehler. Ich war nett zu dir. Habe mich nach dir gerichtet. Wollte wieder gut machen, was deine Familie dir angetan hatte. - Mein Fehler. Leider kann ich nicht anders.“ Nun hasste er sich selbst, weil er war, wie er war. Weichherzig. Einfühlsam. „Ich gehe jetzt. Wir sehen uns dann morgen, so Gott will. Außer er ist gnädig und lässt mich nicht wieder aufwachen. - Achja, bevor ich es
vergesse – Ich hasse dich.“
Dann verließ er ihr Zimmer und das Krankenhaus. Hoffte, das sie das Zeitliche segnen würde. Nicht seinetwegen. Ihretwegen. Für sie war es besser, wenn sie gen Himmel steigen würde. Er wusste einiges über sie und ihre Vergangenheit und konnte daher einiges verstehen, von dem was sie tat und sagte. Aber nicht alles. Und er würde es nie erfahren, weil sie es selbst nicht wusste.