Krimis & Thriller
Schattenwege - Kapitel 2

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"Schattenwege - Kapitel 2"
Veröffentlicht am 07. November 2015, 20 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Schattenwege - Kapitel 2

Schattenwege - Kapitel 2


„Wie läuft es im Archiv, Hailey?“ hörte ich meinen Dad fragen, während er sich die zweite Portion Nudeln genehmigte. Ich sah von meinem Teller auf; etwas lieblos stocherte ich in meinem Essen herum, denn wirklichen Hunger hatte ich nicht. „Ganz okay!“ antwortete ich knapp, doch das war nicht das, was er unbedingt hören wollte. Das allein zeigte sein betretenes Gesicht. Lieber wäre es ihm gewesen, ich würde ihm freudestrahlend berichten, dass ich diesen Job liebte. Aber so war es bei weitem nicht. Das ewige Akten vernichten und sortieren

war teilweise recht ermüdend. Eigentlich hätte ich mich nicht beklagen dürfen, denn ich brauchte das Geld um mein Studium zu finanzieren. Ich war neunzehn und hatte ehrlich gesagt nicht vor, meinen Eltern ewig auf der Tasche zu liegen. Dad arbeitete bis vor drei Monaten noch in dem Revier, welches ich jetzt täglich für ein paar Stunden aufsuchte. Aus, für mich unerklärlichen Gründen, hatte er seinen Job aufgegeben. Die Zeit wäre ran gewesen, um sich zur Ruhe zu setzen. So oder so ähnlich lauteten seine Worte. Er liebte diesen Beruf abgöttisch, aus diesem Grund wunderte es mich

auch, warum er jetzt schon in den Vorruhestand ging. Aber ich nahm es hin, ohne weiter nachzufragen. Mom war die letzte, die sich darüber beklagen würde. Immerhin blieben ihr jetzt die nächtlichen Stunden, die sie wach hielten, weil sie sich wie immer Sorgen machte, wenn Dad auf Streife war, erspart. Tja, und Max? Ich glaube, meinen zehnjährigen Bruder interessierte das alles herzlich wenig. Er war mehr oder weniger mit seinem Sport beschäftigt und Dad nutzte die Gelegenheit, um ihn tatkräftig dabei zu unterstützen. „Setz dich bitte gerade hin, Liebling!“ richtete Mom ihre Worte an Max, der

diese Anweisung natürlich gleich befolgte. „So langsam glaube ich...“, Mein Dad hielt mitten im Satz inne. Irgendetwas hatte seine volle Aufmerksamkeit und diesen Ausdruck kannte ich nur zu gut. Langsam drehte ich meinen Kopf nach rechts. Und dann sah ich ihn. Einen Mann, der jetzt in unserem Esszimmer stand und eine Waffe auf uns richtete. Ich konnte meinen Blick nicht mehr abwenden und irgendwie kam es mir vor, als ob er noch zögern würde. Doch aus seinem Zögern wurde ganz schnell ein Entschluss und ich fing an zu begreifen, was er eigentlich vorhatte: Er grinste uns an und dann drückte er

ab. Einmal. Zweimal. Dreimal. Viermal. Mein ganzer Körper begann zu zittern, ich hatte mich einfach nicht mehr unter Kontrolle. Alles was ich tun konnte war zuzusehen wie dieser Mann gerade meine Familie abschlachtete. Max schrie wie am Spieß, als ihn die Kugel im Brustbereich traf. Sofort verstummte er wieder, seine Augen verdrehten sich komisch nach oben, bevor er letztendlich zusammensackte und vom Stuhl fiel. Ich vernahm nur noch einen dumpfen Aufprall als er mit dem Kopf auf die Fliesen schlug. Mom reagierte sofort, in dem sie

aufstand, doch sie hatte nicht den Hauch einer Chance. Noch auf dem Weg zu ihrem Angreifer durchbohrten sie zwei Löcher. Ich schaute zu Dad hinüber und in seinem Gesicht breitete sich Panik aus. Ihn traf die Kugel nur an der Schulter, doch es reichte aus, um ihn außer Gefecht zu setzen. Sich vor Schmerzen krümmend lag er auf dem Küchenboden. Das Adrenalin schoss mir durch den Körper und mein Herz schlug so laut, dass ich befürchtete, dieser Mann könnte es hören. Er kam noch ein paar Schritte näher, sodass er seine Hände auf dem Tisch abstützen konnte. Er starrte mich an und

irgendwie konnte ich in seinen Augen ein wenig Überraschung erkennen. Ich hatte viel zu viel Angst, um seinem Blick stand zu halten. Aber irgendwie gab er mir das Gefühl, dass ich mich nicht sorgen sollte. So als ob er ausgerechnet mir nichts zu tun wollte. „Ich habe gewusst, dass etwas schief laufen würde!“ Mit seiner Faust schlug er auf den Tisch und ich zuckte automatisch zusammen. Er fluchte vor sich hin, doch binnen Sekunden schien er sich wieder im Griff zu haben. „Tut mir leid, Hailey!“ murmelte er. Mit seiner Hand strich er mir über die Wange. „Fass sie nicht an, du Mistkerl!“ zischte

mein Dad. Damit zog er die Aufmerksamkeit auf sich. „Ach halt deine verdammte Klappe, Sullivan!“ Sein Zorn war deutlich spürbar. „ Spiel hier nicht den Helden. Du kann ja noch nicht mal deine Familie richtig beschützen. Hättest du Ariana damals eine Abfuhr erteilt, wäre es nie so weit gekommen, aber du musstest ja den Helden spielen!“ Um seiner Verachtung Ausdruck zu verleihen trat er meinem Dad mitten ins Gesicht. Bevor er ging, fixierte er mich noch einmal mit seinem Blick. „Bis bald, Kleines!“ Dann verschwand

er. Die Tränen rannen mir jetzt übers Gesicht, ich war immer noch nicht fähig mich zu bewegen. Irgendwie befand ich mich in einer anderen Welt. „Hailey! Hailey!“ Ich hörte meinen Dad, wie er mir sagte ich solle einen Notruf absetzen. Ich weiß bis heute nicht wie ich es schaffen konnte, von der Küche zum Wohnzimmer zu laufen und die 9-1-1 zu wählen.Erst recht konnte ich mich nicht an die Worte erinnern als ich mit der Frau am Telefon redete. Mein nächster Weg führte mich nach oben, in das Schlafzimmer meiner Eltern. Als ich noch klein war versteckte

ich mich immer da, wenn ich vor etwas oder irgendwem Angst hatte. So also auch jetzt. Ich öffnete den Schrank und nahm die Hälfte der Kleidungsstücke von der Querstange und legte sie auf dem Bett ab. Jetzt hatte ich genügend Platz, um mich hin zu kauern, meine Beine so fest es ging an meinen Körper zu ziehen und einfach nur die Dunkelheit, die mich nun umschloss, in mir aufzunehmen. Ich konnte einfach nicht zurück gehen, nicht in diese Küche, nicht in dieses Schlachtfeld. Ich kniff die Augen fest zusammen, als ich sie jedoch wieder öffnete, befand ich mich immer noch in

diesem Schrank. Der Albtraum hatte kein Ende genommen. Es wäre auch zu schön gewesen. Ich würde mich nie wieder raus trauen, denn die Angst fraß mich gerade innerlich auf. Die Vorstellung, dass Mom und Max tot sein könnten hinterließ bei mir einen eiskalten Schauer, der sich über meinen gesamten Rücken bis zum Kopf hin ausbreitete. Ich begann zu schluchzen und je mehr ich darüber nachdachte, desto schlimmer wurde es. Das leichte hin und her wiegen meines Körpers brachte leider nicht das gewünschte Ergebnis. Anstatt mich zu beruhigen, hatte ich das Gefühl noch

viel aufgewühlter zu sein. Warum passierte gerade unserer Familie so etwas? Warum hatte sich dieser Mann gerade unser Haus ausgesucht? Ich verstand die Welt nicht mehr. Es hätten Stunden sein können oder vielleicht sogar Minuten, genau wusste ich es nicht. Es kam mir vor, als hätte ich eine Ewigkeit in diesem Schrank verbracht. Vermutlich war ich eingeschlafen, denn als ich meine Augen öffnete, lag ich, allerdings seitlich zusammen gekauert auf dem Boden. Ich fühlte mich schlapp. Erst vernahm ich nur ein kleines Klopfen gegen die Tür, dann wurde das Geräusch

lauter und schließlich folgte ein Flüstern. „Hailey? Bist du verletzt?“ Natürlich antwortete ich nicht. Erneut kehrte die Angst zurück . Wäre dieser Typ wirklich so dreist gewesen, um noch einmal zurück zu kehren? Es war mir sowieso ein Rätsel warum er mich verschont hatte. Nicht einmal die Waffe hatte er auf mich gerichtet. Und zu allem Übel kannte er auch noch meinen Namen. „Hailey, ich weiß dass du da drin bist. Mach auf, ich bins, Jack!“ Sein Flüstern hatte jetzt eine normale Tonlage angenommen. Er klang besorgt. „Bitte, öffne die Tür!“

Seine Stimme würde ich überall erkennen, doch ich war mir nicht sicher, ob ich das überhaupt wollte. . Ich war noch nicht bereit für das da draußen. Ich kannte Jack vom Revier. Er war ein guter Cop und seine Art und Weise, wie er mit den Menschen umging, machte ihn sympathisch. Ab und an spendierte er mir einen Kaffee. Damit ich nicht einschlafe, witzelte er immer. Die Tür öffnete sich einen Spalt. „Lass sie zu, verdammt!“ schrie ich ihn an. „Ist ja gut!“ entschuldigte er sich und schloss sie wieder. „Wo sind Mom und Dad?“ fragte ich

zögernd. Jetzt fing ich wieder an zu zittern, denn obwohl ich die Antwort eigentlich schon kannte, wollte ich es aus seinem Mund hören. „Dein Vater und Max sind auf dem Weg ins Krankenhaus!“ „Und Mom? Ist sie auch...?“ Ich konnte nicht zu Ende sprechen, denn jetzt hatte ich wieder mit den Tränen zu kämpfen. Die Frage war so unlogisch, das wusste ich, denn wer überlebte schon einen Kopfschuss. Die Chancen waren eher gering. „Öffne die Tür, dann können wir in Ruhe reden. Okay?“ „Nein, verschwinde einfach. Hau ab! Geh!“ Meine Trauer schlug um in

Wut. „Du kannst nicht ewig da drin bleiben, Hailey.“ „Wer weiß, vielleicht kann ich das ja doch. Und jetzt geh einfach.“ „Ich werde erst gehen, wenn du da raus kommst. Und wenn ich die ganze Nacht hier warten muss.“ Das waren sie, die Polizisten die standhaft blieben und nicht von einer Sache abzubringen waren. Von mir aus, sollte er doch vor diesem Ding hier versauern. Mir war klar, dass ich mich wie trotziges Kind benahm, immer mit dem Kopf durch die Wand. Einige endlose Minuten vergingen und

wir schwiegen uns tatsächlich an. Bis ich mir eingestehen musste, dass ich mich zusammen reißen musste. „Jack?“ „Ja?“ antwortete er sofort. „Wie spät ist es?!“ „Kurz nach zehn!“ Ich überlegte und rechnete mir aus, dass wir ungefähr gegen sieben alle am Tisch saßen. Hatte ich hier wirklich schon über drei Stunden zugebracht? „Ich geh auf keinen Fall wieder da runter!“ Und das war mein Ernst. „Das kann ich sehr gut verstehen. Aber pass auf, ich mach dir einen Vorschlag. Hör ihn dir an und dann kannst du

entscheiden. Wir spazieren hier ganz einfach heraus, ohne dass du dir das da unten noch einmal antun musst. Wir nehmen einfach den Hinterausgang.“ Natürlich. Warum war ich nicht auf diese Idee gekommen?! Wenn man die Treppe wieder hinunter lief, dann hatte man keinen direkten Einblick in die Küche. „Ok!“ antwortete ich. Langsam versuchte ich mich aufzurichten, ich war total steif vom Liegen. Dann öffnete ich die Tür und sah in Jacks besorgtes Gesicht. Mir war klar, dass der wahre Albtraum

erst begonnen hatte.

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LinneaHazel

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FindYourselF Flaaassh. bingo...Jack... Ich bin wieder ein wenig drin. Das kommt mir sehr bekannt vor..und das was du hier neu geschrieben hast, ist echt erste Klasse. Super spannend und vor allem das du noch den neuen Blickwinkel vom Mörder reingenommen hast. Supi... Muss gleich weiterlesen.. beeil dich mit schreiben :D :P
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Newcomer Mein ganz großes Kompliment, Du schreibst fesselnd und sehr spannend! Du reisst mich richtig mit beim Lesen, und ich möchte sofort wissen wie die Story weiter verläuft.
Liebe Grüße von Marko
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Meerjungfrau Wahnsinnig spannend!
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Draconian31 Spannend, bis zum nächsten Kapitel.
LG
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