Titel
„Es ist vierzehn Uhr nachts.“
Das war schon mal ein gutes Zeichen, dachte sie. Wenn er kleine Späße macht, dann konnte man sich vernünftig mit ihm unterhalten. Ansonsten musste man aufpassen. Er schlug zwar nicht zu, aber er schrie dann sehr laut und zerdepperte irgendwas. Es dauerte dann eine Zeit, bis er sich wieder beruhigte.
„Du bist vier Stunden über deine Zeit und morgen ist Schule. Wie willst du das Abitur schaffen, wenn du die Nächte durchmachst?“
„Es tut mir leid. Ich habe nicht auf die Zeit geachtet. Zum ersten mal bin ich
wirklich verliebt und richtig glücklich. Wenn ich mit ihm zusammen bin, vergesse ich alles um mich herum. Die Zeit, die Menschen...Einfach alles.“
„Oh Gott!“, raunte er.
„Weißt du nicht mehr wie das ist, zum ersten mal verliebt zu sein?“, fragte sie ihn.
„Da war ich noch jung gewesen...“
„Und das bin ich jetzt.“
„Was?“
Na jung. Ich bin siebzehn. Und zum ersten mal macht mich ein Junge wirklich glücklich. Du glaubst gar nicht, was ich für Schmetterlinge im Bauch habe, wenn ich ihn sehe. Schon der Gedanke an ihn macht mich
ganz...“
„Erspare mir das bitte.“, unterbrach er sie, „Du kennst deine Mutter und weißt ganz genau, wie sie zu mir ist. - Ist er wirklich so ein Traumtyp oder siehst du ihn durch eine rosarote Brille? Ich kenne deine letzten Kerle. Berauschend waren sie nicht. Aber besser, als die, die deine Mutter vor mir hatte.“
„Er ist anders. - Ich dachte mir, das ich ihn mal zu uns einlade, damit ihr ihn kennenlernen und ein Bild von ihm machen könnt. Dieses Wochenende vielleicht?“
„Was habt ihr ausgemacht? Samstagmittag?“
„Eigentlich Sonntag zum
Kaffee.“
Er atmete tief durch und dachte angestrengt nach. Sollte seine Frau dabei sein, oder nicht? Sie war die Mutter seiner Tochter. Aber sie war auch die Frau, die sein Leben zur Hölle machte. Er blieb nur mit ihr zusammen, weil er angst vor dem Alleinsein hatte. Seine Tochter würde bald ausziehen und dann wäre er ganz allein. Das wollte und konnte er nicht.
„Du kennst das nette, kleine Café in dem wir manchmal waren. Sag deinem Schwarm, das wir uns um drei dort treffen. Deiner Mutter sagen wir nichts. Du weißt, wie sie ist.“
Erleichtert fiel sie ihrem Vater um den
Hals und drückte ihn. Sie wusste, was sie an ihm hatte. Er hatte Verständnis für sie und ihre Probleme. Nicht, wie ihre Mutter. Manchmal war sie zugänglich. Häufig war sie aber eher die Pest. Daher verstand sie nicht, warum ihr Vater sich nicht von ihr trennte. Ihrer Meinung nach hatte er etwas besseres verdient. Auch wenn es ihre Mutter war, wünschte sie sich, das ihr Vater eine andere Frau hätte.
„Ich hab dich so lieb. - Komm nie wieder so spät, ohne Bescheid zu geben. Du bist das Wertvollste, das ich habe.“
„Es tut mir so leid, Daddy.“