Seitdem Galrens Vater vor 20 Jahren auf einer Expedition verschwand, hatte er nichts mehr von ihm gehört. Dies ändert sich schlagartig, als eines Tages ein Fremder in seinem Haus auftaucht und ihm eine Karte übergibt, die ohne Zweifel die Handschrift seines Vaters trägt. So macht er sich schließlich auf, die Route nachzuvollziehen, die dieser vor zwei Jahrzehnten genommen hatte, unwissend, das er dabei längst Teil eines viel größeren Spiels ist, das vor über einem Jahrtausend begann.
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Die Wellen brachten das kleine Ruderboot in dem sie saßen bedrohlich zum schwanken. Von der Immerwind aus, bemerkte man sie nicht einmal, aber hier zwischen den Riffen war die Strömung stärker, das Wasser unruhiger. Armell konnte sehen, wie Merl sich so gut es ging am Rand des Boots festhielt. Sie wusste, er hatte eigentlich nicht mitkommen wollen. Erst kurz bevor sie ablegten hatte der junge Magier sich schließlich doch dazu durchgerungen sie zu begleiten… Lias und Galren ruderten sie gegen den
Druck der Wellen beständig näher an das gestrandete Wrack heran, während sie die Augen nach einer Stelle zum Anlanden offen hielten. Am Schiff selbst gab es nur hoch aufragende Felsen und das Stück flachen Strands, den es gegeben hätte, lag unter dem Rumpf begraben. Das hieß, sie mussten die Insel einmal umrunden um zu sehen ob es irgendwo eine Möglichkeit gab, das Boot an Land zu bringen. Elin stand am Bug , die Hände auf den hölzernen Rahmen gestützt und sah zu, wie das Wrack in einiger Entfernung an ihnen vorüberzog. Offenbar konnte sie es nicht erwarten, dachte Armell amüsiert. Ihre Augen hatten einen seltsamen
Glanz, während ihre Finger unruhig auf dem Holz der Bordwand wippten. Ein seltsam gurgelndes Geräusch begleitete sie , während das gestrandete Schiff nun fast schon zum Greifen nahe war. Mit jeder Welle wurde Wasser durch die zahlreichen Löcher im Rumpf gespült und floss in kleinen Sturzbächen wieder hinaus, wenn das Meer sich wieder zurückzog. Seepocken Algen und Muscheln hatten sich bis fast zum Deck hin im Holz festgesetzt. Es musste wirklich schon lange hier liegen, dachte Armell erneut. Naria saß, in ihren Umhang gewickelt auf der hintersten Bank des Boots. Die Augen halb geschlossen hätte man den
Eindruck gewinnen können, sie schliefe, aber das täuschte. Ihre ganze Form wirkte angespannt, die Ohren unter der Kapuze ihres Mantels waren aufgerichtet als lauschten sie auf etwas, das nur sie hören konnte. Gejarn härten im Allgemeinen besser als Menschen, aber wenn es hier etwas gab würde Lias das doch ebenfalls bemerken, oder? Dieser blieb jedoch ruhig und konzentrierte sich ganz aufs Rudern. ,, Da ist etwas…“ , meinte Naria schließlich abwesend. Ihre Augen schlugen auf und richteten sich auf Merl. ,, Ihr spürt es auch oder ?“ Merl runzelte die Stirn und schien für einen Moment das ständige Schaukeln zu
vergessen. ,, Irgendetwas.“ , meinte er nickend. ,, Aber ich kann es nicht festmachen. Meister Zachary hat versucht mir Beizubringen Dinge gezielter mit Magie wahrzunehmen oder mich auch dagegen abzuschirmen, aber ich bin nicht gut darin. Außer natürlich wenn ich es nicht will…“ ,, Ich habe euch in der fliegenden Stadt gesehen.“ , bemerkte die Gejarn und schenkte dem jungen Magier ein kurzes Lächeln. ,, Eigentlich lernt man recht schnell die ganzen Zauber dort auszublenden. Zumindest habe ich noch nie von einem Magier gehört, der dort fast ohnmächtig geworden
wäre…“ Armell räusperte sich. ,, Ihr meintet eben hier draußen wäre etwas ?“ ,, Es ist nicht sehr deutlich.“ , antwortete Naria. ,, Aber definitiv vorhanden . Eine Kälte, als wäre der Welt hier etwas verloren gegangen. Und da ist noch etwas… Irgendetwas an diesem Ort jagt mir Schauer über den Rücken, als dürfte es ihn nicht geben.“ Die Schakalin sagte das nicht nur so, dachte Armell. Sie konnte sehen, wie sich Narias graues Fell sträubte. Vielleicht hätten sie nicht herkommen sollen. Aber jetzt war es zu spät. ,, Was immer es ist, wir sollten es bald herausfinden.“ , meinte Galren. ,, Noch
ein Stück weiter und wir sollten eine Landestelle finden.“ Sie zog eine Augenbraue hoch und suchte die Küste der kleinen Felseninsel ab. Alles, was sie sah waren steile Klippen und unwegsames Gelände… ,, Woher wisst ihr das ?“ , wollte Armell wissen. ,, Ich… weiß es.“ , antwortete Galren unsicher. Und tatsächlich sollte er Recht behalten. Als sie das Wrack endgültig aus den Augen verloren und die Rückseite der Insel erreichten, tauchte vor ihnen ein Stück flacher Kiesstrand zwischen den Felsen auf. ,, Eines Tages mein Freund, werden wir uns hinsetzen und lange miteinander
reden müssen.“ , meinte Lias, während sie auf den Strand zuhielten. ,, Ich verstehe immer noch nicht wie du so etwas wissen kannst.“ ,, Glaub mir macht das manchmal genau so viel Angst wie euch…“ , meinte Galren. Wenige Augenblicke später setzten sie ihre erste Schritte ins flache Wasser und machten sich daran, ihr Boot den Strand hinauf und weg von der Futlinie zu ziehen. Spärliches Gras wuchs an den wenigen stellen, an denen die Vegetation halt fand. Moose, Flechten und Algen überzogen die umliegenden Felsen in einer dicken Schicht und färbten sie in allen Schattierungen von rotbraun bis
hellgrün. Steine und die Schalen von toten Krebsen und Muscheln knirschten unter ihren Füßen. Sobald das Boot sicher war, machte Armell sich daran, einen Weg zurück zu dem gestrandeten Schiff zu finden. Soweit sie das sagen konnte, gab es nur eine einzige Möglichkeit, den Strand zu verlassen, einen Pfad oder wohl besser eine vom Regen ausgewaschene Mulde, die zwischen zwei großen Felsen hindurch ins Zentrum der Insel führte. Sentine, die sich bisher in einer ihrer Lieblingsformen, einem Zaunkönig, verborgen gehalten hatte, wurde in einem Herzschlag zur Seemöwe und flog von ihrer Hand hinauf zum blauen
Himmel. Mittlerweile musste es Mittag sein, den die Sonne brannte von oben auf sie herab und trocknete die Algenschicht auf den Felsen aus. Die brüchig gewordenen Pflanzen bröselten unter Armells Hand, als sie, gefolgt von den anderen, die Felsnische hinaufstieg. Als sie schließlich oben waren, lag die gesamte Insel vor ihr. Was davon nicht aus schroffen Klippen bestand war flach wie ein Teller. Nur einige kleinere Erhebungen von Sanddornbewachsenen Dünen und Mulden in denen sich Brackwasser sammelte verliehen der Ebene so etwas wie eine Textur. Und natürlich das Schiff, das wie ein gestürztes Seemonster am anderen Ende
der Insel aufragte. Und von hier aus war auch die zerfetzte Flagge zu sehen, die träge an einem der abgebrochenen Masten wehte. Das blau des Kaiserreichs… und obwohl das Wappen darauf bereits so gut wie verblasst war, meinte Armell die vertrauten Schemen von Adler und Löwe zu erkennen. Und noch etwas anderes, das sie Erschauern lies. Das Wrack war alt. Sie hatte nur noch nicht gewusst, wie alt. ,, Das sehe ich mir an.“ , meinte Elin und bevor einer von ihnen noch etwas sagen konnte, war die junge Gejarn bereits die kurze Strecke von der Felsnische bis zum Grund hinabgeschlittert und machte sich auf
den Weg über die Sanddünen. Armell schüttelte den Kopf, während sie ihr gezwungenermaßen folgten. Mit einem hatte Hedan Recht. Die Kleine konnte schlimmer sein als ein Sack Flöhe… Aber irgendwie mochte sie sie auch. Elin war lebenslustig und schien von einer Unbeschwertheit, die sie ein wenig an sich selbst erinnerte. Bevor… allem. Innerlich hoffte sie, dass Elins Leichtigkeit diese Reise auch überstehen würde. Je näher sie dem Schiff kamen, desto mehr hatte sie dabei ihre Zweifel. Vor dem Schiff hatte jemand, wohl der Teil der Besatzung, der die Strandung dereinst Überlebt hatte, eine niedrige Palisade aufgebaut. Das Holz dazu
stammte ganz offenbar vom Schiff selbst und auch die zahlreichen Feuerstellen, nach all den Jahren kaum mehr als Ascheflecken und einige verstreute Steine, waren wohl damit befeuert worden. Hier draußen gab es auch sonst nichts… Zerrissene Stoffbahnen, die wohl einst Zelte gewesen sein mochten, flatterten im Wind. Hier musste schon eine Weile niemand mehr gelebt haben. Jedes Mal wenn die Planen sich irgendwo verfingen erfüllten sie die Luft mit einem gespenstischen Geräusch. Streichend, Kratzend, es war das einzige, das die Stille durchbrach. Das Schiff selbst sah von nahem noch erbärmlicher aus als bei
ihrer kurzen Vorüberfahrt. Auch auf dieser Seite waren Planken von der Wucht des Aufpralls, der es auf die Felsen geschmettert hatte, einfach zersplittert worden. Die Trümmer lagen zum Großteil noch dort, wo sie gefallen waren, lediglich vermodert und mit Moose überzogen. Das die Crew nicht einmal mehr dazu gekommen war, sie zu verbrennen war kein gutes Zeichen, das wusste Armell. Sie alle waren stehengeblieben, als sie das verlassene Lager erreicht hatten und selbst Elin erstarrte, als sie merkte, dass ihre Gefährten ihr nicht weiter folgten. Die Luchsin stand auf einer improvisierten Brücke, die vom Lager hinauf auf das
Deck des Schiffs führte. Erneut hatten die Gestrandeten Planken verwendet und mit inzwischen grün angelaufenen Seilen zusammengebunden. Obwohl das Holz bedrohlich unter Elin knarzte, balancierte die Gejarn ohne eine Spur von Unsicherheit. ,, Kommt.“ , meinte sie beinahe spöttisch, als sie das zögern der anderen bemerkte. ,, Wenn es mich hält…“ Ihr schien offenbar jetzt erst klar zu werden, dass sie bei weitem die Leichteste der Gruppe war. Was wenn es sie hielt? ,, Ich riskiere es.“ , meinte Lias in diesem Moment und setzte einen Fuß auf das schwankende Holz. ,, Der Rest folgt mir. Langsam und mit Abstand. Einzeln
trägt es uns vielleicht, aber nicht zusammen…“ Mit diesen Worten begann der Löwe vorsichtig die Brücke hinaufzugehen. Armell folgte ihm unsicher. Nun, das schlimmste was ihnen passieren konnte war, das das Holz brach… und sie alle mehrere Meter in die Tiefe auf die Felsen stürzten. Die Fürstin musste sich plötzlich zum Weitergehen zwingen. Aber wenn es irgendwo etwas gab das die Vermutung bestätigen konnte, die sich in ihr festgesetzt hatte, dann nicht hier. Als sie schließlich doch ohne Zwischenfall das Deck erreichten, fanden sie den ersten Toten. Oder was von ihm
übrig war. Der Körper war vollkommen skelettiert und seine Kleidung kaum mehr als ausgebleichte Fetzen, die einstmals vielleicht Farbe gehabt hatten. Der Leichnam lehnte eine Hand abgesteckt, als wollte er nach etwas greifen, an einem der Schiffsmasten gelehnt. ,, Er muss schon lange tot sein.“ , meinte Naria, die sich auf ein Knie niederlies und das Skelett kurz musterte, als könnte es ihr noch irgendwelche Antworten geben. Ihr Blick wanderte weg von den blanken Knochen zu einer offen stehenden Luke, die unter Deck führte. Die Gejarn wirkte abwesend, als wäre sie nicht richtig da als sie einen
Schritt auf die Öffnung zumachte. ,, Wir sollten besser weiter.“ Ohne zu Fragen folgten sie Naria, während diese durch die Luke unter Deck kletterte. Fahles Licht fiel durch die zahlreichen Lücken in der Bordwand hinein und der Geruch von Moder und Salz erfüllte alles. Die Planken unter Armells Füßen fühlten sich schwammig und aufgeweicht an. Beinahe als ginge man über einen Sumpf… der jeden Moment darauf wartete einen zu verschlingen. Selbst Elin sagte kein Wort mehr, während sie einem Gang zu dem folgten, was wohl einmal der Laderaum des Schiffes gewesen sein mochte. Doch gab es schon lange keine
Fracht mehr hier. Der Raum war erstaunlich gut intakt, wenn man vom restlichen Zustand des Schiffs ausging. Nur wenige Lücken ließen Licht herein und der Boden war trocken. Schatten verbargen einen Teil des Laderaums vor ihnen, doch was sie sehen musste, lag in einem dünnen Strahl aus Sonnenlicht. Weiße Knochen ohne ein Zeichen von Verfall reflektierten das Licht und blanke Augenhöhlen erwiderten die neugierigen oder abgestoßenen Blicke der kleinen Gruppe. Der zweite Tote saß nicht auf dem Boden wie der erste, sondern, so als wäre er einfach eingeschlafen wo er war, auf einem simplen Lehnstuhl aus Holz. Seine
Kleidung war besser erhalten, als der Körper. Eine Blaue Robe fiel um den Großteil der Überreste. Goldene Ziernähte schimmerten darauf, zusammen mit einigen Stücken, die wohl einst zu einer Panzerung gehört hatten. Schwach schimmerte ein einzelner verbliebener Handschuh, zusammen mit den schweren Stiefeln und den Überresten einer Schulterplatte. Selbst unter all dem Schmutz , der sich mit den Jahren angesammelt hatte, waren die in das Metall geprägten Runen nach wie vor erkennbar, einst wohl vergoldet ,heute nur noch durch Rost und einige Schuppen Edelmetall zusammengehalten. Und doch fand Armell, das dieser Tote
etwas Seltsames hatte. Wie lange mochte er schon hier sitzen, den Blick auf di Wand hinter ihnen gerichtet… und wer war er gewesen? Nach wie vor lies ihre Vermutung sie nicht los. Aber dazu bräuchte sie einen echten Anhaltspunkt. Armell wendete sich von dem Toten, der trotz allem eine seltsame Würde auszustrahlen schien, ab. Ihr Blick fiel auf die Wand, die er angestarrt haben musste. Und was sie dort sah, lies sie erstarren, wo sie war. Einer nach dem anderen folgten auch Galren und der Rest ihrer Gruppe Armells Beispiel. Auf einer blauen Stoffbahne aufgemalt befand sich dort ein Wappen, das sie alle kannten. Und gleichzeitig noch nie so
gesehen haben mochten. Weil es nicht mehr existierte, dachte Armell. Der Adler und der Löwe des Kaiserreichs waren in Gold und Silber auf blauem Grund aufgebracht worden. Doch zwischen ihnen befand sich ein weiteres Symbol. Ein einzelner Tropfen, umrundet von Gold… Das Wappen des Sangius-Ordens. Zusammen mit dem der Kaiser… ,, Armell ?“ , fragte Galren leise. ,, Was ist das ?“ ,, Das ist das Kriegswappen von Simon Belfare.“ , antwortete sie tonlos. ,, Ein Wappen das danach nicht mehr verwendet wurde, als Kaiser und Orden verschiedene Anführer bekamen. Simon
hatte persönlich verfügt, das sein Nachfolger niemals mehr alle Macht in einer Hand haben sollte…“
,, Ihr meint…“
,, Es gibt nur einen Menschen, der dieses Wappen je führte. Simon Belfare selbst verschwand, nachdem er seinen Tod vorgetäuscht hatte vor fast 300 Jahren nach Westen. Mit unbekanntem Ziel. Und er kehrte nie zurück… Wir haben soeben herausgefunden wieso.“
Terazuma Hi Eagle! Willst du uns damit sagen, dass diese Gebeine einst Simon Belfare gehörten? Dann hat er sein Ziel, was immer das auch war, nie erreicht. Das ist bitter. Warum ist er nicht in Canton geblieben? Ich denke als Kaiser hatte er mehr als genug zu tun gehabt. ^^ Na, vielleicht deckst du sein Geheimnis im Laufe der Geschichte auch noch auf? ^^ LG Tera |
EagleWriter Vielleicht schneller als du denkst.^^. Und er hatte durchaus seine Gründe, die... auch noch klar werden dürften. Simons Ende war letztlich nicht ganz untragisch. lg E:W |
abschuetze Wow ... was soll man dazu sagen ... ehrfürchtig ^^ LG von Antje |
EagleWriter ^^ lg E:W |