Himmlischer Einsatz
Ich bin ja eigentlich guten Gewissens, trotzdem war ich doch etwas unsicher, als ich zum Abteilungsleiter gerufen wurde. Petrus schaute mich gestreng über den Brillenrand an, bevor er mir Platz anbot.
„Engel 27 Bedarfsflügel 314?“
„Ja“, bestätigte ich. „Aber inzwischen Kategorie 7“, betonte ich stolz.
„Eben“, meinte Petrus. „Ich hätte da einen Spezialauftrag.“
„Hat das mit meinem Frohlocken-Kurs zu tun? Bin ich etwa in den Hosianna-Chor aufgenommen?“
„Nein, sie sollen der Erde dienen.
Die Profis sind zu sehr ausgelastet. Wegen
Weihnachten und Tsunamis, Hurrikane und so. Ich weiß noch nicht, was in Planung ist, aber man spricht von einem Vulkanausbruch, der über die Menschen kommen soll.
El Ninjo steht praktisch fest. Überhaupt muss man mal wieder die Zügel für die Menschen straffen, wenn sie verstehen, was ich meine.
Tja, nun zur Sache. Ich muss vorausplanen. Ihnen ist ja bekannt, dass die Weihnachtszeit vor der Tür steht. Wir haben da eine Diskompatibilität hinsichtlich der Manpower der Weihnachtsmänner und facility needs." "Hä?" "Zuwenig Leute um die Arbeit zu bewältigen", übersetzte Petrus dem Nichtwisser. Er hüstelte indigniert.
"Sie sehen, die Schwierigkeit ist das Problem. Ich würde mich freuen, wenn sie da aushelfen
könnten, also zur Disposition stünden.“
„Ich weiß nicht so recht. Ich habe nämlich noch zu pauken. Das Lautenspiel in seiner evangelischen Auslegung.“
„Lassen sie doch diese Animositäten“, rückte mich Petrus zurecht. "Denken sie gefälligst auch an die anderen Glaubensrichtungen!"
„Aber selbst die katholischen Liturgien kann ich noch nicht. Sie sind so, wie soll ich sagen, pompös, so aufgeblasen, chic und nobel. Auf der Erde würde man sagen: teuer. Außerdem bin ich auch noch mit der Harfe dran.“ „Papperlapapp! Es ist doch noch etwas Zeit bis dahin. Ich brauche sie dann als rudimentären Handwerker. Reine, klare Handarbeit, kein göttlicher Schnickschnack Drumherum. Säcke schleppen, freundlich zwischen ehrlichen Schweißperlen
grinsen und gütig sein. Das ist es, was wir brauchen!
Und stellen sie nicht irgendwelche Fragen wegen des Nachschubs. Im Lager ist alles himmlisch organisiert. Die Waren werden am Fließband zusammen gestellt, verpackt und zum Ausliefern bereit gestellt.
Wir haben da jetzt schon ein Abkommen mit dem Teufel eingetütet. Er wird uns als Subunternehmer grässliche Leiharbeiter zur Verfügung stellen. Gewiss, sie sind praktisch Separatoren-Fleisch, aber dadurch vermeiden wir Belegschaftsaltlasten. Sie wissen schon, Angestellte, die wir nach dem Weihnachtsrun nicht mehr los werden würden. Da sind wir praktisch alternativlos.
Diese Leihkräfte sind wahrlich nicht tauglich für
Kundenkontakt, aber sie tun den Akkordjob gerne.“
Mein Vorgesetzter musste kichern.
„Wenn ich die Wahl hätte zwischen geröstet werden und Akkord mit Hungerlohn..? Na ja, Schwamm drüber! Wir sind alle geknechtet, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche."
Er polierte seinen goldenen Heiligenschein. "Na? Wie ist es? Aushilfsweihnachtsmann wäre doch eine schöne Herausforderung für Sie, oder nicht?“
„Wenn ich dienlich sein kann?“
„Über Verdienst brauchen wir nicht reden, oder? Schließlich sind sie Engel und nur Kategorie 7.“
„Verstehe“, sagte ich, „ehrenamtlich.“
„Ich wusste, dass wir uns verstehen."
Er machte eine Pause und ich ahnte nichts
Gutes.
"Da gibt es noch eine Kleinigkeit.“
„Bitte?“
„Der Teufel wollte auch noch seinen Anteil für die Vermittlung.“
„Ich verstehe nicht.“
„Wissen sie, wenn ich nicht darauf eingehe, wird er die Leiharbeiter wieder abziehen. Dann bricht unser ganzer Workflow zusammen.“
„Und?“
„Sie müssten anschließend nach der Weihnachtszeit für drei Monate noch ein Praktikum absolvieren, nämlich beim Füttern des Heizkessels behilflich sein."
Er stieß den Zeigefinger nach unten.
„Unten! Als Aushilfe! Sie können folgen?“
Ich konnte. „Ach ja?“
"Ich weiß, die Zeiten sind hart, aber modern. Wie ist es? Kategorie 8 könnte ich für sie ins Auge fassen, natürlich gänzlich unverbindlich.“
Wie es einem Engel geziemt antwortete ich.
„Ich bin dankbar die Aufgabe übernehmen zu dürfen. Der Herr lenkt’s.“
„Ach iwo, unser heiliger Vater weiß gar nichts von diesen unheiligen Kungeleien.
Wir können ihn ja nicht mit jedem Firlefanz behelligen. Und bei Arbeitnehmerzahlen wird doch sowieso immer gelogen.“
"Aber Herr Abteilungsleiter!"
"Na, ist doch wahr, wie soll ich denn sonst auf meine Boni kommen."
Petrus lehnte sich entspannt zurück. Er war offensichtlich nicht an Weisungen gebunden, sondern an
Überweisungen.
Das Alles klang nicht so wirklich prickelnd, so nach Brotberuf, deshalb versuchte ich Gegenargumente auf den Index zu stellen.
"Was ist mit meinen Flügeln? Mit meinem engelsgleichen Odem, meinem Geruch? Riecht ein Weihnachtsmann nach Engel?"
So versuchte ich mich elegant aus der Affäre zu ziehen.
Petrus aber, der taffe Manager, hatte dies natürlich antizipieren können.
"Wegen dem himmlischen Geruch machen sie sich mal keine Gedanken. Der Heilige Geist hat da eine betrügerisch-himmlische, manipulative Katalysierungs-Software entwickelt, so dass die Geruchsgase manipuliert werden. Sie riechen
dann eben, wie ein verschwitzter Weihnachtsmann. Da werden sie hundertprozentig beim Test durchkommen."
"Echt clever", bemerkte ich.
"Ich weiß davon natürlich nichts, sie verstehen", fügte Petrus eindringlich hinzu.
"Die Flügel werden sie dann bei Jesus los. Der ist darauf spezialisiert, ich meine mit der Mensch-Werdung. Außerdem konnten wir Maria für die Stoßzeit als Stylistin gewinnen. Hip war sie ja schon immer. Die verpasst ihnen dann den Bart und das entsprechende Outfit, so wie es sich die Menschen vorstellen. Sie weiß, was gerade en vogue ist. Die Menschen sind da reichlich unflexibel, wie ich finde. Immer nur rot, Mantel und so, aber das ist ja nicht meine Kernkompetenz. Sehen sie, sie können dann
sogar Erfahrung, wie auf dem Laufsteg für sich verbuchen, Und wenn Sie dann das Praktikum beim Teufel, also als Heizer antreten, können sie die Flügel genauso wenig gebrauchen. Das geht sozusagen in einem Abwasch."
Ich gab noch nicht auf.
"Wir sind doch im Himmel. Wird da nicht unser guter Ruf darunter leiden?"
"Hier geht es um einen Engpass in the future, also um eine Notsituation. Seien sie gefälligst flexibel. Da ist kein Platz für sentimentale Überlegungen. Außerdem wird die Sache sowieso gedeckelt. Sogar der heilige Nikolaus hat diese prekäre Angelegenheit schon durchgewunken, notgedrungen. Alt ist er geworden und so wird er sich auf den Generationenvertrag berufen. Er ist ja nicht
knowledge resistent.
Nur Knecht Ruprecht braucht keine Verstärkung. Der freut sich schon wie Bolle auf seine Einsätze. der kann davon gar nicht genug kriegen."
Petrus merkte, dass ich nicht so richtig mitziehen wollte.
"Also gut", sah er mich an, "Kategorie 8 sei Ihnen gewiss, aber dafür bitte ich mir absolutes Stillschweigen aus!"
"Natürlich! Und vielen Dank auch!"