Ameise
Beitrag zum Forumsbattle 45
Aufgabenstellung:
Aus einer alten Geschichte eine Neue "stricken", entweder als Umschrift, als Fortsetzung oder die >>Alte<< inspiriert zu einer neuen Geschichte,einem Gedicht, einer Fabel, einem Drabble, oder was sonst aus Worten gemacht werden kann.
Damit Ihr wisst was ich umgestrickt habe, kommt es zuerst.
Ameise
Ich möchte nie ein Engel sein,
Viel lieber wär ich winzig klein.
Möcht nicht zerbrechen lassen meine Flügel.
Mag lieber leben in einem Hügel.
Mit Schwestern gleich, wie Du und ich.
Unterschiede kennen wir nicht.
Und eines das ist Sonnenklar,
Die eine ist für die andere da.
Drum frag ich Dich ganz leise.
Willst Du sein wie ich eine Ameise?
„Du bist ein Engel, von Gott auf diese unsere Erde gesendet in Menschengestalt, damit nicht jeder auf den ersten Blick, Dein wahres ich erkennt!“ flüsterte Jakob in ihr Ohr. „Und ich bin von Gott gesegnet, denn Du begleitest mich ein Stück auf meinem Weg.“
Er küsste Claudia zärtlich auf die Lippen, wünschte ihre eine angenehme Nacht und gute Träume, ließ sich zufrieden, mit einem Lächeln in den Mundwinkeln in sein Kissen sinken. Dann gab er sich seinem wohlverdienten Schlaf dankbar hin. An seinen regelmäßigen und tiefen Atemzügen, erkannte Claudia, das Jakob schlief.
Jetzt könnte auch sie in das Land der Träume
eintreten, aber der Schlaf wollte nicht den Weg zu ihr finden. Um Jakob nicht aufzuwecken verließ sie auf Zehenspitzen das gemeinsame Schlafzimmer.
Claudia holte die angefangene Flasche Rotwein aus dem Kühlschrank, schenkte sich ein Glas ein, ging ins Wohnzimmer und machte sich leise etwas Musik an. Sie hatte über die Jahre festgestellt das, wenn der Schlaf sie mied ein Glas Rotwein, ein paar entspannende Klänge und das Sofa Wunder bewirken konnten. Jakob hatte nie Probleme beim Einschlafen.` Ach, Jakob. Lieber, süßer, immer die wunder schönsten Dinge sagender Jakob.`, dachte Claudia. Sie setzte sich aufs Sofa, trank einen Schluck von dem köstlichen Rotwein, hing ihren Gedanken
nach.
Jakob sagte sie sei ein Engel. Das berührte Claudia wirklich. So begann sie darüber nachzudenken, ob sie wirklich ein Engel seien möchte. Mit Religion verband sie nichts. Kein Glaube, auch keine Kirchenbesuche. Feste Vorstellungen von Engeln, ihre Lebensweise, ihr Vermächtnis begleiteten Claudia. Wie jeden anderen. Das ein Engel etwas Reines, Vollkommenes darstellt, versteht sich ja von selbst. Er beschützt und liebt. Aber warum? Weil es in seinem Wesen liegt? Weil Gott es ihm zur Aufgabe gemacht hat? Und da tauchte es wieder auf dieses Dilemma mit Gott, diesem übersinnlichen Wesen. Dessen Existenz weder bewiesen, noch greifbar war. Claudia
wusste nur zu gut, das sie nicht zu den Menschen gehörte die zu Gott fanden. Die Wahrscheinlichkeit das es je soweit käme, schätzte sie als sehr gering ein.
Claudia konnte sich aber mit einigen Aspekten der Religion ganz gut anfreunden. Auch ihr lag das Wohl ihrer Mitmenschen am Herzen. Sie mochte nicht über andere und ihre Lebensweise urteilen. Geben war für sie erfüllender als Nehmen. Schon in jungen Jahren erkannte Claudia für sich , das viele der Dinge die Religionen als „Eintrittspreis“ zu ewiger Glückseeligkeit einfordern, bei ihr ein inneres Bedürfnis befriedigten.
Aber machte sie das schon engelsgleich? Wollte sie das auch wirklich sein?
Claudia überlegte, welche anderen
Lebewesen, uneigennützig, auf das Wohl der Anderen bedacht wie auf das eigene,hier mit uns leben. Nach einigen Überlegungen, auch Verwerfungen der eigenen Gedanken kam Claudia zu der Erkenntnis, das Ameisen einige der wenigen Tiere sind die augenscheinlich uneigennützig für den Rest ihrer Mitameisen da sind. Jede Ameise kommt der ihr von der Natur zugeteilten Aufgabe ohne murren und knurren nach. Keine der zahllosen Tierchen, von der Königin bis hin zu den Ammen beschwert sich über die Ungerechtigkeit des Lebens, das es zu einer Gebährmaschine oder zu niederen Tätigkeiten verdammt. Keine Ameise missgönnt einer ihrer Schwestern, das sie größere Zangen bekommen, mehr tragen
kann oder als einzige Kinder bekommen darf. Auch Angeberei liegt Ameisen völlig fern. Jede ist wie sie ist und jede tut, was sie tut. Das ist gut so.
´Ja`, dachte Claudia, ´ich möchte eine Ameise sein.` Während sie den Gedanken festhielt und er sich in ihrem Inneren warm ausbreitete, schaltete sie die Stereoanlage aus, brachte die mittlerweile gelehrte Flasche und das Glas in die Küche und schlich auf Zehenspitzen zurück ins Schlafzimmer. Sie kroch unter die Decke, hauchte Jakob, der im Traumland weilte, einen Kuss auf die Wange.Dann versank in ihrem Kissen. Bevor sich der Schlaf wie ein Tuch über Claudia legte, flüsterte sie:
„ Morgen in der Früh, werde ich Jakob fragen,
ob er auch eine Ameise seien möchte.“
Ameise