Gute-Nacht-Geschichte
Pst, Kinder, hört gut zu! Die Geschichte erzählt von Timbandu, dem Geist, der die Träume bringt und leise in den Schlaf euch singt.
Abends, wenn die Kinder müde auf ihren Kissen liegen und doch nicht einschlafen wollen, dann ist es Zeit für Timbandu. Er schleicht sich mit dem letzten Lichtstrahl in die Zimmer der Kinder und setzt sich neben sie auf die Bettkante. Natürlich ist Timbandu, der Nachtgeist,
unsichtbar. Doch, das heißt nicht, dass er nicht einen Sack voller Träume dabei hat.
Für jedes Kind bringt der kleine Geist einen Traum mit. Manche sind bunt und andere auch mal düster. Dann, wenn die düsteren Träume überhand nehmen, lässt Timbandu die Kinder an einen großen Traumfänger denken. Der kümmert sich um schlechte Träume und schützt die Kinder davor.
Timbandu hat viele Freunde, die er in die bunte Welt der Kinderträume schickt. Da wären Schmetter und Ling, die beiden Kohlweißlinge, die Pfauen, Einhörner,
der mächtige Löwe Zahira und viele mehr.
Timbandu selbst war einst ein stolzer Stier auf den sattgrünen saftigen Wiesen Schottlands. Mutig und wachsam hütete der seine Herde. Er beschützte sie gegen jeden Eindringling, bis er eines Nachts einen Stern fallen sah. In diesem Moment wünschte er sich, ein Geist zu sein, um unsichtbar und lautlos durch die Nacht zu schweben.
Ihm war kalt und er hatte schwere Beine. Am Tage machten ihm die Fliegen zu schaffen. Sie piesackten ihn ohne Ende. Denen wollte er entfliehen und sich
davon machen. Seit der Bauer die Hunde zum Schutz der Herde gezüchtet hatte, kam er sich schon manchmal nutzlos vor. Sie würden seine Arbeit sicher gern übernehmen.
Und, was soll ich euch sagen, Kinder, Timbandu, wurde an diesem Abend ein Traumgeist. Sein Wunsch ging in Erfüllung. Nun wusste er nicht recht, was ein Traumgeist zu tun hatte, so schickte er aus seiner Erinnerung all seine Weggefährten und Spielkameraden in die Träume der Kinder, auch die unschönen Begegnungen mit den Wölfen auf den Bergwiesen, ließ er nicht aus.
Eines dieser Treffen mit dem grauen Wolf, namens Kralle, hatte bei unserem Stier eine schlimme Erinnerung und eine große Narbe hinterlassen. Kralle hatte sich in der Abenddämmerung still und heimlich von hinten angeschlichen, als Timbandu kurz ein wenig döste.
Plötzlich biss der Wolf ihm kräftig in den Oberschenkel, dass Timbandu vor Schmerz einen tiefen Ton hervor brachte. Dann trat Timbandu nach hinten aus, so stark er es schaffte und wirbelte herum, so dass er den Feind sehen und auf die Hörner nehmen konnte.
Kralle war allein unterwegs, was ungewöhnlich für einen Wolf ist. Er musste sich vor den Hufen des Stiers in Acht nehmen und feststellen, dass unser Timbandu wohl doch eine Nummer zu groß für ihn allein war. Der graue Jäger hatte darauf gehofft, dass Timbandu ängstlich das Weite suchen würde. Doch da kannte er den Stier schlecht. Dieser beugte das Haupt und wollte Kralle auf die Hörner nehmen, als der gerade noch entkommen konnte. Timbandu humpelte um seine Herde herum und überprüfte, ob alles in Ordnung war. Es drohte keine weitere Gefahr.
Müde und angeschlagen schaute er zum
Himmel empor. Dort funkelten die Sterne hell. Schon oft hatte unser alter Stier sich gewünscht, einmal durch die Luft zu schweben, doch nie ging der Wunsch in Erfüllung. Er hätte doch einmal eine Auszeit verdient, denn der Bauer war dabei, sich große, mutige Hunde zu züchten, die die Herde vor Angreifern schützen sollten. Was hatte dann Timbandu noch zu tun? Jahrelang hatte er fleißig und gewissenhaft seinen Dienst erledigt und Hunde neben seiner Herde, das würde er nicht dulden. Er traute ihnen nicht, sah in ihnen auch eine Gefahr für die Rinder. Vielleicht war er auch nur zu müde und es leid, ständig kampfbereit sein zu müssen.
Nun war alles anders. Timbandu war also ein Traumgeist. Ihm gefiel seine Arbeit so sehr, dass er manchmal auch am Tage zu den Menschen kam und sie zum Träumen brachte. Er erzählte ihnen Geschichten und lud sie ein, mit ihm in der Fantasie spazieren zu gehen. Denn dort im Traumland war alles möglich. Jeder konnte mutig und stark sein oder sich auch einmal verstecken und einem Streit aus dem Wege gehen. Also, wenn ihr heute Nacht etwas träumt, war es sicher unser Timbandu, der einst so mächtige Stier, der eure Fantasie anregt und euch ins Traumland mitnimmt. Denkt immer an ihn und daran, dass Wünsche
wahr werden können und selbst ein Stier lautlos und leicht durch die Nacht schweben kann als Traumgeist.
So, schließt die Äuglein nun schön zu
und folgt der Spur von Timbandu.