Du bist meine Mutter
Du schaust ängstlich.
Jeden Sonntag, wenn ich die Tür zu deinem kleinen Zimmer öffne und herein komme.
Hallo Mama.
Du siehst mich an.
Lange und sehr verwundert.
So, als würdest du dich erinnern.
Aber du erinnerst dich nicht.
Ich gehe langsam auf dich zu
und nehme dich sanft,
ganz sanft in den Arm.
Ich merke, wie du verunsichert
versuchst die Nähe zu vermeiden.
Ich gehe ein paar Schritte weg von dir,
damit du dich entspannen kannst.
Schau Mama,
ich habe dir deinen Lieblingskuchen mitgebracht. Aprikosenkuchen.
Du erinnerst dich nicht
an Aprikosenkuchen.
Ich weiß das seit Jahren,
aber ich erinnere mich.
An die wundervollen Nachmittage
im Garten.
Kaffeegeruch und Lachen.
Sonne und Liebe.
Dann setzt du dich auf deinen Stuhl und fragst warum ich da bin.
Fragst wer ich bin
und bittest mich das Fenster
aufzumachen.
Es ist jeden Sonntag so.
Ich stelle mich wie jeden Sonntag vor:
Ich bins, Mike.
Dann siehst du mich wieder an.
Voller Verwunderung,
voller nicht zu verstehender Fragen,
voller Zweifel.
Ich bleibe zwei drei Stunden bei dir,
erzähle von deinen Enkeln,
von meiner Frau,
unserem Leben,
meinem Beruf
und von den alten Freunden.
Ich erzähle dir von meinen Problemen,
von den vielen kleinen Dingen,
die mich glücklich machen.
Von den Nachbarn,
vom neu eröffneten Supermarkt
und von Tante Elli, die leider gestorben ist.
Und du schaust mich an.
Die ganzen Stunden.
Und manchmal weinst du
und ich weiß nicht warum.
Und irgendwann fragt du mich wieder wer ich bin und warum ich da bin.
Ich lächle dich dann immer an
und sage dir wieder meinen Namen.
Es ist egal, wer ich bin,
oder was ich für dich bin.
Du bist meine Mutter.
Ich liebe dich.