Kurzgeschichte
Lehrer aus Leidenschaft

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"Manchmal kommt es knüppeldick und man lässt es an den Falschen aus."
Veröffentlicht am 20. Oktober 2015, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Manchmal kommt es knüppeldick und man lässt es an den Falschen aus.

Lehrer aus Leidenschaft

Titel

Plötzlich flippte er aus. Schmiss den Lehrertisch um und sprang aus seinen Schüler zu. Seine Hände ergriffen seinen Hals und umklammerten ihn. „Wie blöd kann man nur sein?“, schrie er ihn an und schüttelte ihn dabei. Die anderen Schüler saßen reg- und sprachlos da. Nicht im Stande sich zu rühren, oder auch nur zu atmen. So hatten sie ihren Lehrer noch nie erlebt. Wut kannten sie bei ihm nicht. Ihr Lehrer war ein rücksichtsvoller und ruhiger Mann gewesen. Mit viel Geduld. - Schier endloser Geduld. Niemand wusste etwas von seiner Kündigung und

der Scheidung. Beides kam zu selben Zeit. Diese Wut ließ er an seine Schüler aus. „Wie oft musst ich euch das ganze noch erklären, bis ihr es in euren hohlen Schädel...“ Er ließ den Hals los und griff sich stattdessen an seine Brust. Röchelnd sank er zu Boden. „Ich glaube, er hat einen Herzinfarkt.“, rief einer. „Wir sollten einen Krankenwagen rufen.“, kam es aus den hinteren Reihen. „Ich rufe an.“, meldete sich eine Freiwillige. Trotz des Wutausbruches, hatten sie angst um ihren Lehrer. Schon als er am

Morgen zur Tür hereinkam, hatten sie bemerkt, das mit ihm etwas nicht stimmte. Sie kannten ihn seit Jahren. Auch wenn er nicht die pure Heiterkeit gewesen war, so hatte er noch nie so Niedergeschlagen und ungepflegt ausgesehen. Stets kam er rasiert und mit positiver Ausstrahlung in die Klasse. An jenem Morgen hatte er Stacheln im Gesicht, seine Mundwinkel hingen nach unten und seine Kleidung ließ zu wünschen übrig. Schlampig war fast untertrieben. Unterbewusst spürte er, wie seine Schüler sich um ihn sorgten und bereute seine Attacke. Wie konnte er sich nur so unkontrolliert daneben benehmen? Was

hatten seine Schüler mit all dem zu tun, was ihm derzeit widerfuhr? - Gar nichts. - Sie waren nicht immer die Hellsten. Aber sie gaben sich Mühe. Machten ihre Hausaufgaben. Respektierten ihn. Noch nie hatte er Probleme mit ihnen gehabt. Außer das sie sich manchmal schwer taten, den Stoff zu verstehen. Dumm waren sie nicht. Manchmal brauchten sie eben nur länger, um zu verstehen. Wie sollte sein Leben weitergehen, ohne seinen Job? Ohne seine Familie? Seine Eltern waren schon längere Zeit tot. Ebenso seine Großeltern. Geschwister hatte er keine. Von Onkeln und Tanten hatte er nie erfahren. Vielleicht gab es

sie. Möglicherweise aber auch nicht. Wer wusste das schon. Und mit der Familie seiner Exfrau wollte er keinen Kontakt haben. Auch wenn sie ihn sehr mochten. Es wäre nur zu schmerzlich. „Wo bleibt der Krankenwagen?“ Es rührte ihn, das seine Schüler sich so sehr um ihn sorgten. Trotz des Angriffs auf einen ihrer Klassenkameraden. Aus diesem Grund wollte er noch nicht sterben. Er liebte seine Schüler und seine Schüler liebten ihn. Sie brauchten ihn. Und jetzt, wo die Frau ist, hatte er mehr Zeit für sie...Ach nein. Er wurde ja gekündigt. So der so würde er nicht mehr als Lehrer fungieren. Genauso gut konnte er sterben. Was hatte er sonst für

einen Grund zum Leben? Er war allein und arbeitslos. Kinder hatte er keine. Rationalisierung. Ein Wort, mit dem er gar nichts anfangen konnte. Die Schule hatte kein Geld und musste Lehrer entlassen. Wen hatte es noch getroffen, außer ihm? Oder war er der Einzigste gewesen? Und wenn ja, warum er? Er kannte mindestens zwei Lehrer, die die Schüler gar nicht leiden konnten. Wenn die entlassen werden würden, könnte er es verstehen. Aber warum gerade er? Nach über siebzehn Jahren hätte er doch so was wie ein Bleiberecht verdient. Tage später wachte er wieder auf. Als er um sich blickte, sah er Genesungskarten und Blumen in Hülle

und Fülle. Ihm war sofort klar, von wem sie waren. Ganz bestimmt nicht von seiner Exfrau oder seinen Kollegen. Jene mochten ihn nicht besonders, weil er ein Verhältnis zu seinen Schülern hatte, welches sie gerne hätten. Die Karten und Blumen verschafften ihm neuen Lebensmut. Nur weil er nicht mehr an dieser Schule lehren durfte, bedeutete das nicht, das er nie wieder unterrichten würde. Es gab noch so viele andere Schulen und er konnte Nachhilfe geben, ohne Rücksicht auf irgendwen nehmen zu müssen. Wenn er wollte, konnte er auch mitten in der Nacht Nachhilfe geben. „Ich bin Lehrer und werde Lehrer

bleiben. Bis zum letzten Atemzug.“

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