Kurzgeschichte
Blutige Kratzer und blaue Flecken

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"Wäre er, wie er es eigentlich vor hatte, gleich wieder zurück gefahren, wäre ihm einiges erspart geb"
Veröffentlicht am 13. Oktober 2015, 22 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Wäre er, wie er es eigentlich vor hatte, gleich wieder zurück gefahren, wäre ihm einiges erspart geb

Blutige Kratzer und blaue Flecken

Titel

Nackt stand er vor dem großen Spiegel und sah sich ganz genau an. Ungläubig sah er auf seine Wunden. Tiefe Kratzer. Blaue Flecke. Also war es doch kein Traum gewesen. Hätte er ihr nur nicht angeboten bei sich einkaufen zu gehen und es dann zu ihr zu bringen. Aber es war seine beste Freundin gewesen. Sie konnte nicht zu ihm kommen, weil sie knapp bei Kasse war. Eine Fahrkarte kostete über zehn Euro. Viel Geld für sie. Dafür konnte er ihr drei Packungen Fleisch holen, aus einem Billiggeschäft, welches es nur bei ihm gab. Wenn er nicht die Wochenkarte gehabt

hätte, weil er unweit von ihr Probearbeiten gewesen war, dann hätte er sich zweimal überlegt, ob er ihr das Angebot macht, zu ihr zu kommen und ihr das Essen zu bringen. Eigentlich wollte er eh nur seine Wochenkarte richtig ausnutzen. Zwei Tage war sie noch gültig gewesen. Danach hieß es wieder Radfahren, bis er wieder irgendwo außerhalb seiner Stadt Probearbeiten gehen und die Fahrtkosten dem Amt übergeben durfte. Als er im Zug saß, hatte er ihr geschrieben, das er maximal zwei Stunden bleibt. Wenn er ihr geschrieben hätte, das er ihr nur die Lebensmittel übergibt und gleich wieder zurückfährt,

weil er noch einiges erledigen muss, dann hätte er kein schlechtes Gewissen und vor allem keine Wunden. Es war der zweite Besuch bei ihr gewesen. Schon beim letzten mal wollte sie sich mit ihm schlagen. Warum, das wusste er nicht. Aus Spaß? Oder wollte sie ihm beibringen sich zu wehren? Er wusste es nicht. Hatte sie nie danach gefragt. Nur festgestellt, das sie eine reizende Figur hatte. Und mit jemanden, der ihr eigentlich nicht gut tat. Das hatte sie ihm öfter geschrieben. Dennoch wollte sie mit ihm zusammen bleiben. Seinetwegen hatte sie die Stadt gewechselt. Um zu ihm zu ziehen und bei ihm zu wohnen. Vor Kurzem suchte

sie nach einer Wohnung für sich und ihre Tochter. Als Freund half er ihr natürlich dabei. Nun schien es, das sie zusammen bleiben. Ihm war es, auf der einen Seite, egal. Andererseits konnte er sie nicht leiden sehen. Fragte immer wieder, was sie will. Ob sie wirklich mit ihm zusammen bleiben will. Doch sie wusste es selber nicht. Er strich sanft über die Kratzer, die sie ihm zugefügt hatte. Dachte daran, wie sie auf ihm hockte und ihn nach unten drückte. Ihr Kerl schaute dabei zu. Das hieß, keine falsche Bewegung. Genau überlegen, wo und wie anfassen. Gern hätte er sie überall angefasst, wäre er unter ihr Shirt gegangen um zu spüren,

wie sich ihre Haut anfühlte. Wie gern hätte er seine Hand über ihren angespannten Hintern gleiten lassen. So nah würde sie ihm nicht mehr so schnell kommen. Doch weder war es der rechte Augenblick, noch die rechte Frau. Er konnte nicht einfach seine Arme um sie legen und sie an sich drücken. Auch wenn er es noch so gern wollte. Deswegen lag er bewegungslos da und kapitulierte. Was sollte er auch anderes machen? Riskieren, das ihr Kerl die Fassung verliert? So weit er von ihr erfahren hatte, saß er schon im Gefängnis, wegen schwerer Körperverletzung. „Was ist eigentlich aus – wie hieß sie

nochmal – geworden?“, fragte er sich halblaut. Vor weniger als einem viertel Jahr soll er sich mit einer Dame geschrieben haben. Ob da immer noch Kontakt war? Ihre Nummer war zwar nicht mehr in seinem Mobiltelefon gespeichert, aber das hatte nichts zu sagen. Vielleicht trafen sie sich heimlich. „Wenn sie beim Aufräumen nicht das Sexspielzeug unter der Couch gefunden hätte, wäre sie nie auf die Idee gekommen sein Handy auszuspionieren. Außerdem hatte er das Recht dazu. Schließlich hatte sie es mit anderen getrieben, als sie...Egal. Geht mich eh nichts an. Warum rede ich eigentlich mit

mir selbst?“ Einsamkeit. Sehnsucht nach Zweisamkeit. Das wird es gewesen sein, warum er den Drang verspürt hatte, sie überall zu berühren. Auch wenn sie wirklich heiß aussah, wollte er keine Beziehung mit ihr. Denn sie war die Einzige, die ihn verstand und ihn nicht mit Müll zu laberte. Darum bezeichnete er sie als beste Freundin. Aber war sie wirklich eine Freundin? Noch einmal sah er seine Wunden an, die sie ihm zugefügt hatte. Bei jeder Berührung taten sie weh, weswegen er zu Hause mit freiem Oberkörper herumlief und es vermied rauszugehen. Denn bei Außentemperaturen von maximal zehn

Grad plus brauchte er etwas langärmeliges und das würde an seinen noch frischen Wunden reiben. Es war schon eine Qual, der Weg von ihr zu ihm. Kaum hatte er die Wohnungstür hinter sich geschlossen, war er auch schon halbnackt. Indirekt hatte er sich dafür gerächt, indem er im Bad randaliert hatte. Kriechen, hätte er sollen. Dann wäre auch nichts passiert. Denn wenn man schon am Boden ist, kann man nicht tiefer fallen. Was er aber nicht verstand, war, wieso das Wandregal einseitig abfiel. Beim stolpern war er dran gekommen. So weit er noch wusste, wollte er daran Halt finden.

Hätte auch prima funktioniert, wenn es korrekt an der Wand montiert geworden wäre. Trotz seines Zustandes, den er Dank des Likörs hatte, der einfach nur Süffig war, wusste er, was zu tun war. Er sah den Haken aus der Wand gucken. Aber so sehr er sich auch Mühe gab, das Regal wollte nicht halten. Dann fiel auch noch was runter und ging zu Bruch. Dies hörte seine beste Freundin und kam sofort angestürmt. Ihr Kerl schlief schon tief uns fest und bekam nichts davon mit, obwohl es sehr laut gewesen war. Sie sah die Bescherung und brachte es in Ordnung. Am folgenden Morgen berichtete sie ihrem Kerl von dem Missgeschick. Dabei hatte

sie einen Ton drauf, als wollte sie ihm sagen, schlag ihn. Das war ein Grund gewesen, warum er so schnell wie möglich von dort weg wollte. Nur wenigen Stunden zu vor standen sie noch in der Küche und sie hatte ihm eine traumatische Geschichte erzählt, an die er sich nun nur noch bruchstückhaft erinnern konnte. Dabei hatte er einen Arm auf ihre Schultern gelegt. Mehr hatte er sich nicht getraut, da er ihr schon mehrfach gestanden hatte, das er sie geil fand. Sie sollte nicht den Eindruck gewinnen, das er mit ihr schlafen wollte. Deswegen unterließ er es, sie richtig in die Arme zu nehmen. Sie an sich zu drücken und ihren Duft

einzuatmen. „So viel Holz. Ich war so kurz davor, es zu berühren, als sie auf mir lag. Aber das hätte ein gewaltiges Theater gegeben.“ Bevor sie sich hinlegten, drückte er sie doch noch kurz. Aber nur kurz. Eine 'Tut mir leid Umarmung' sozusagen. Dabei achtete er peinlichst genau darauf, das seine Hände über der Gürtellinie blieben. Auch wenn seine Motorik nicht mehr funktionierte, konnte er immer noch klar denken. Noch etwas hatte ihn nach Hause gezogen, abgesehen von der Peinlichkeit, das er etwas zu Bruch gebracht hatte und ihrer Gereiztheit, die

sie an den Tag legte. Ihm war kalt gewesen, da die ganze Zeit das Fenster offen gestanden hatte. Trotzdem roch man die Hinterlassenschaften der Katze ziemlich doll. „Deswegen habe ich keine Haustiere.“ Von der Armbeuge bis zum Handgelenk verliefen parallel zwei Kratzer. An ihre Entstehung erinnerte er sich. Seine beste Freundin hatte flüchtig mit ihren Fingernägeln über seine Haut gerieben. Er wollte gar nicht wissen, wie es gewesen wäre, wenn sie richtig gekratzt hätte. Fehlte ihr nicht ein Fingernagel? So weit er sich erinnern konnte, hatte sie was erwähnt davon. „Hoffentlich steckt er nicht in mir drin.

Das würde mir gerade noch fehlen.“ Er dachte an Sektfrühstück bei sich. Aber mit Kindersekt und nicht mit Normalem. Nach dem Erlebnis wollte er für eine ganze Weile völlig Abstinent leben. Kein Alkohol. Und ob er jemals wieder zu ihr fahren würde, bezweifelte er. Sollten Narben zurückbleiben, würde er definitiv nicht mehr zu ihr fahren. Ihr wahrscheinlich nicht beim Umzug helfen, wenn sie jemals umziehen sollte. Am Ende würde sie wieder zur Flasche greifen... „Oder breche ich den Kontakt völlig ab? Da brauche ich mir nicht mehr die Ohren voll heulen zu lassen, was ihr Kerl ihnen wieder angetan

hat.“ Er hatte sich schon oft gefragt, was und wie ihre Tochter über diese Beziehung denkt und von ihrer Mutter. Wie das Kind einmal wird. Normale Verhältnisse sehen anders, dachte er. Ihm wurde kalt. Doch anstatt sich wieder anzuziehen, ließ er sich ein Bad ein. Dann löschte er das Licht. In Dunkelheit eingehüllt, genoss er die ihm umgebene Ruhe. Manchmal hatte es Vorteile, wenn man alleine war, ging es ihm durch den Kopf. Als er die Augen schloss, sah er sie vor sich. Sie hatte zu viel auf den Rippen - das hatten alle drei – aber sie war nicht fett. Alles war gleichmäßig verteilt. Zwar

hatte er sie noch nie nackt gesehen, aber er konnte sie sich hüllenlos vorstellen. - Hatte er ein Auge auf sie geworfen, oder hatte er doch nur Sehnsucht nach einer Frau? „Ich halte erstmal Abstand von ihr und warte, bis sie sich bei mir meldet. Das wird das Beste sein.“ Er lenkte sich mit anderen Gedanken ab. Verließ die Großstadt und rannte hinein in den tiefsten Dschungel. Umgeben von Natur und fernab von allen Menschen, fühlte er sich am Wohlsten. Wenige Sekunden später kehrten seine Gedanken zurück zum vergangenem Wochenende. Nicht alles war schlecht gewesen. Es gab auch schöne Momente.

Aber wie lange hielten sie an? Was war von denen gespielt und was ernst? Kaum hatten sie die Wohnung betreten, wurde die Wii angeschlossen. Sie zeigten ihm, was er machen musste und er machte es dann nach. Zuvor mussten noch persönliche Daten eingegeben werden. Gewicht, Körperlänge, Geburtsdatum...Kurz darauf wurde der BMI Wert angezeigt. Wie zu erwarten, war er im Normalbereich. Im Gegensatz zu den anderen dreien. Die hatten alle Übergewicht. Ob die Empörung nur gespielt war oder nicht, hatte er nicht erkennen können. Aber seien wir mal ehrlich, was kann er denn dafür, das sie einen Speckmantel

tragen? Dann ging es auch schon los. Obwohl es sein erstes mal war, stellte er sich ziemlich gut an. War teilweise besser, als die anderen drei. Je nach Spiel. Bei manchen Spielen brauchte er mehrere Anläufe, um wenigsten etwas voran zu kommen. Und dann passierte es, das er ins Mittelfeld rückte, was die anderen nicht so lustig fanden. Anscheinend waren sie keine guten Verlierer. Ihm war es egal, ob er gewann oder verlor. Wichtig war doch nur, das es Spaß machte. „Vielleicht sollte ich der Kleinen ein paar Tipps geben, wie sie gesund und dauerhaft abnehmen kann. So affig, wie

sie sich hatte, als der BMI Wert angezeigt wurde. Mit ihrem ganzen Körper hatte sie versucht ihn zu bedecken. Aber er hatte es dennoch gesehen, weil er, nicht wie verlangt, hingesehen hatte. Für ihr Alter war sie erstaunlich groß. Nur noch vier Zentimeter fehlten und sie war größer, als er. Ihre Mutter hatte sie schon eingeholt. Sogar überholt. Man könnte behaupten, im Alter schrumpft man. Aber diese Dame hatte eben erst die Dreißig überschritten. Und so früh fängt das Schrumpfen nicht an. Er tauchte seinen Kopf unters Wasser. So lag er da und überlegte, ob er atmen sollte. Wie lange würde es wohl dauern,

bis er einschlief? Langsam kam er wieder hoch. „Wenn ich fies wäre, würde ich sie anzeigen, wegen Körperverletzung.“ Er wusch sich so gründlich, wie er konnte. Die Kratzer taten immer noch weh. Und wenn er einen seiner blauen Flecke berührte, zuckte er automatisch zusammen. Wenigstens hatten sie seinen Kopf in Ruhe gelassen. Der hatte nur wegen dem übermäßigen Alkohol wehgetan. Aber ausreichend Flüssigkeit und eine Pille hatten die Kopfschmerzen vertrieben. Als er seine Sachen in die Hand nahm, die er vor dem Baden angehabt hatte, rümpfte er die Nase. Sie hatten den

Gestank der Wohnung angenommen. Wenigstens hatte die Katze seine Hose ganz gelassen. Nicht so, wie die von einer damaligen Freundin, die stets ihre Krallen ausgefahren hatte, wenn sie auf seinem Schoß lag. Im Bademantel eingehüllt, legte er sich ins Bett. Wollte er sie wieder sehen, die Freundschaft aufrecht erhalten? Oder war es besser, Abschied zu nehmen und sich neue Freunde zu suchen? Mit diesen Gedanken schlief er ein.

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