Fantasy & Horror
Die Frau in weiß - Teil 2

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"Hört die Geschichte von Augustin, welche euch daran zweifeln lässt, was Traum und was Realität ist"
Veröffentlicht am 30. September 2015, 18 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
© Umschlag Bildmaterial: Christas Vengel - Fotolia.com
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Über den Autor:

Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.
Hört die Geschichte von Augustin, welche euch daran zweifeln lässt, was Traum und was Realität ist

Die Frau in weiß - Teil 2

Teil 2

So kam es, dass die geheimnisvolle Frau nun immer zu nächtlicher Stunde an die Tür des Schreibers klopfte. Wie im Fieber erwartete er den Einbruch der Nacht, welcher nun immer zeitiger erfolgte, da der Herbst sich seinem Höhepunkt zuneigte. Kaum hatten er und sein Meister das Tagwerk beendet, da vereinigten sich bereits die Schatten der Dinge zu einem dichten Netz, welches vom menschlichen Auge bald nicht mehr zu durchdringen war. Wie beseelt schrieb Augustin dann nieder, was ihm des Tags durch den Kopf geschossen war. Noch waren viele Gedanken wild

und ungezähmt, doch begannen sie sich an den Rändern des Gedächtnisses langsam aufzuhellen. Er würde einen Hymnus schreiben, dessen Fragmente er bisher nur zu sammeln im Stande war, doch bereits jetzt spürte, dass bei Vollendung alles ein Werk ergeben würde, wie die Welt es noch nicht erblickt hatte. So flog der Federkiel über das Papier mit lautem Ton, als es wieder klopfte und Augustin augenblicklich seine Niederschrift unterbrach. Er sprang förmlich auf, als wöllte er sich in den Himmel erheben. Still trat Lilith ein, ein flüchtiger Kuss wechselte den Besitzer, welcher ihm

jeden Tag so hell auf der Haut brannte, wie Eisfeuer. „So lies bitte wieder. Ich will hören, was du zu Papier bringen konntest“, forderte sie ihn auf, wie es in jeder Nacht Sitte war. Geliebtes treues Herz, du liegst begraben, Bist fort von meinem Busen schon seit Jahren. Jeden Blick von deinen holden Augen, Darf nur im Traume ich noch schauen. Über mir der weite blaue Himmel liegt, So denk ich dass dort auch deine Seele

fliegt. So will ich mich auch zu dir erheben, Mit dir fliegen wie mit den Vögeln. Doch weiß ich nur von einem Ziel, Herunter, wo einst Erde auf dich fiel. Herabsteigen in die dunkle Nacht. So sehne ich mich jeden strahlenden Tag, Nach der Nacht und dem Ende dann im Grab. Wo der Gevatter uns zu Eheleuten macht. „Ist es dein Schmerz, den du da beweinst?“, fragte ihn Lilith, als er geendet hatte und schweigend in die Glut des Kanonenofens

starrte. „Ja, es ist die Erinnerung an einen geliebten Menschen, den ich jeden Tag besuche. Es ist meine Mutter, die mich in den Küsten vertraut machte. Mein Vater dagegen hasste alle Kunst, alles Schöne. Er wollte nur immer arbeiten und Geld verdienen, doch was ist dies für ein Leben, ohne jeden Müßiggang? Wenn man immer nur rastlos Mammon den Götzendienst ableistet? Nein, sie war so ein Mensch nicht. Und deshalb liebte ich sie so sehr, auch als sie an einer unerklärlichen Schlafkrankheit verstarb, welche kein Medicus zu heilen im Stande war. Kein weiser Mann wusste woher sie kam und wie man ihr

begegnen sollte. Es waren wenige Wochen, die meine Mutter immerzu auf dem Bett lag und immer öfter in tiefen Schlummer verfiel. Bis sich ihre liebenden Augen ein letztes Mal vor mir verschlossen. Den letzten Kuss, welchen sie mir auf die Stirne drückte, den trage ich wie ein unsichtbares Mahl.“ Lilith ergriff sachte seine Hände und so schwiegen beide einige Minuten, wobei ein jeder stumm mit dem anderen sprach, da beide in den jeweils anderen geistig eindrangen. „Ich sah schon oft eine Geige auf dem Schrank stehen. Gehört sie dir?“, unterbrach sie die

Stille. „Ja, geschenkt von meiner Mutter, als ich noch klein war. Meine Mutter war eine begnadete Spielerin. Ich selbst habe diese Kunstfertigkeit leider nicht ererbt.“ „Spiel bitte ein wenig für mich. Ich möchte deine Kunst begutachten.“ So hob Augustin das Instrument vom Schrank und spielte ein wenig darauf, was ihm gerade in den Sinn kam. „Du bist nicht schlecht, du beherrschst das Instrument souverän. Aber, ich muss sagen, si wie du kann ein jeder gute Schüler eines Musiklehrers spielen. Die Emotionen, welche ich in deinem Schreiben finde, die mein Herz anrührt, die höre ich nicht in deinem Geigenspiel.

Dürfte ich es einmal versuchen?“ Lilith ergriff die Geige und spielte zögerlich ein paar Töne. Doch dann hob sie an zu einem Spiel, wie es Augustin seinem Lebtag weder gehört hatte noch einmal so würde hören. Sie spielte Variationen von träumerischen Stücken, die ihm selbst von seiner Mutter bekannt waren. Doch schwangen darin auch Gefühle solcher Trauer und tief empfundener Sehnsucht mit, sodass ein jeder Ton direkt aus ihrem Herzen zu entkommen schien und die Geige lediglich diese Sprache in die hörbare Wirklichkeit entsandte. Sie schien mit ihrer Spielerin förmlich zu verschmelzen. Augustin wurde von den

Melodien förmlich erhoben in eine fremde, düstere Welt, die er nun nicht nur erspüren konnte, sondern, wenn er die Augen schloss, förmlich vor sich erblicken konnte. Er sah all die süß glimmende Hoffnung und die tiefschwarzen Schmerzen, welche wie todbringende Abgründe ihn anschrien. Und mit jedem Schritt darin erhellte er, der selbst ein astrales Licht war in dieser Welt, die Finsternis ein wenig. Lilith beendete ihr Spiel und Augustin war noch gebannt von all diesen Eindrücken, den tausend Bildern in seinem Kopf, dass er nicht anders konnte, als der inneren Erregung dadurch Geltung zu verschaffen, dass er

Lilith mit stockendem Atem innig an seine Brust drückte und heiße Tränen vergoss. Ihr ruhiger Atem half ihm dabei sich selbst zu erholen von der wilden Raserei seines Herzens. „Hast du gespürt, was ich meinte? So, mein Lieber, solltest du lernen zu spielen. Jede Kunst ist Ausdruck unseres Inneren, welches sich einen Weg bahnt in die irdische Welt. Und je höher unsere Gefühle, je freier sie sind von den Geißeln der irdischen Welt, umso höher wird unsere eigene Kunst steigen und umso großartiger wird der Geist des Genies darin seinen Ausdruck finden. Ich lese diesen Geist aus deinen Schriften. Deshalb weiß ich, dass wir

verwandte Seelen sind und darum verwundert es mich nicht, dass du mich schon kanntest, bevor ich in dein Leben trat. Verwandte Seelen finden sich immer und wissen voneinander, unabhängig von ihrer physischen Existenz.“ „So weiß ich nun, dass du wunderschönes Traumgebilde bestimmt dazu bist mir immer nah zu sein“, verkündete Augustin mit feierlichem Ernst. Lilith küsste seine Lippen mit ihrem eisigen, brennenden Feuer. „Ja, so ist es mein Liebster. Die höhen Mächte haben uns Künstler zusammengebracht. Zusammen können

wir in ein Reich hinfort schreiten, welches uns von allen irdischen Hemmnissen enthebt. Doch schweig nun, mein Liebling, denn ich werde nun gehen müssen.“ Von diesem letzten Abend freilich nicht, doch von den Treffen mit der weißen Frau berichtete Augustin schließlich dem alten Hades, da er glaubte diesem vortrefflichen Herren so viel Ehrlichkeit entgegenbringen zu müssen, dass dies kein Geheimnis bleiben durfte. „Ich lebe in der Nähe der Kirche beim Herrn Pfarrer in seinem kleinen Anbau der Pfarrei. Von dort kann ich nicht nur den Friedhof recht gut überblicken,

sondern auch deine Hütte. Und natürlich ist mir dies schon aufgefallen, dass dein Kerzenlicht nicht allzu rasch verlischt. Doch da du mir des Tages gute Dienste leistest, war ich so frei es nicht zur Sprache zu bringen. Was ich aber nun hören muss, das behagt mir indes wenig.“ Augustin, der gerade half ein frisches Grab auszuheben war verwundert. „Was ist es, das Euch beunhagt, Meister Hades?“ „Das fragst du noch? Zwar gebe ich der Gütlich Tochter ihren Zugang zum Friedhof, den sie ja nicht anders betreten kann als zu einer Zeit, da niemand auf diesen durch die offizielle

Pforte hindurch schreiten darf. Aber diese Dame ist des Teufels, ich würde sagen, sie ist ein Dämon, welcher dir nicht gut tun wird. Unser Gewerbe bringt es mit sich, das wir zwischen den Welten wandeln und sicherlich mag sich da manch Sonderbares aufdrängen. Doch darfst du nie vergessen, dass allein der Weg des Herrn der selig machende ist. Verleugne wegen ihr nicht unseren Herrn Jesu Christi, denn sonst wird es dir schlecht ergehen. Die dunklen Pfade, auf welche sie dich lockt mögen süß sein, doch wirst du bitter bezahlen, dass du deinem Herrgott gefrevelt hast.“ Augustin musste seine Arbeit

unterbrechen. „Wie könnt Ihr, Meister, solch Lügenzeug über Lilith sprechen?!“ Der alte Hades fuhr ungerührt mit seiner Arbeit fort. „Es ist zu viel geschehen. Das Unglück über die eigene Familie, die sonderbaren Dinge, welche mit ihr in Zusammenhang gebracht werden. Es ist hier in M einfach zu viel gesprochen wurden, als dass dies lediglich Klatsch der Bürger wäre. Mein Sohn, ich verstehe deine Erregung, aber ich bin alt und habe vieles schon die Leute über andere reden gehört. Und niemals gab ich nur einen Groschen darauf. Aber dieser Fall liegt anders, Augustin. Lass dich bitte

nicht verführen, ist der törichte Wunsch eines Alten an einen Jungen, dessen Arbeit er sehr zu schätzen weiß.“ Einerseits schmeichelte Augustin das Kompliment doch konnte er nicht verschmerzen, dass der Alte seine Geliebte einen Dämon hatte geschimpft. Doch mochte er ihn auch zu sehr, als dass er ihn hätte weiterhin Widerworte geboten. So verging der Tag in einfacher Arbeitstätigkeit.

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RogerWright
Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.

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