Ich saß auf einer Stufe zum Innenhof meines Elternhauses und betrachtete den Kirschbaum. Er hatte begonnen zu blühen und die Blüten versprühten einen lieblichen Duft. Ein kleiner Vogel ließ sich auf einer der unteren Äste niedere und zwitscherte ein Lied. Ich hörte ihm zu und genoss die Sonne in meinem Gesicht. Es waren einige Wochen vergangen, seit dem die Männer und Frauen und das Mädchen hier gewesen waren, seit sie Yuki´s Eigentum beschmutzt hatten, seit ich sie ermordet hatte. Seit diesem Tag hatten sich meine Augen
nicht geändert. Der Augapfel war schwarz und die Iris blutrot. Aber ich war noch immer nicht dahinter gekommen, was es zu bedeuten hatte. Ich schirmte mein Gesicht einer Hand ab und öffnete die Augen. Der Himmel war strahlend blau und der kleine Vogel stieß sich von dem Ast der Kirsche ab und flog dem blau entgegen. Ich überlegte, wie es wohl war fliegen zu können. Es musste sich befreiend anfühlen und alle Sorgen von den Schultern werfen. Ich stand auf und ging ins Haus. Drinnen war es kühl, doch trotzdem brannte die Hitze meines Sonnenbades auf meinem Gesicht. Ich ging in die
Küche und zu dem Kühllager. Ich sah mich um, doch was ich suchte war nicht dort. Ich seufzte und beschloss in die Stadt zu gehen. An solchen Tagen ließ es sich super Wassermelone essen. Doch wie es aussah hatte ich gestern die letzte gegessen. Kurze Zeit später lag die Mauer, die das Anwesen noch immer umschloss, hinter mir und der Stadtrand Kyoto´s kam auf mich zu. Ein Strohhut schützte mein Gesicht vor der Sonne und meine Ohren vor den Blicken der anderen. Heute war Markttag und zahlreiche Händler waren in die Hauptstadt gekommen, um ihre Waren anzubieten. Ich schländerte durch die Straßen und entdeckte einen Stand,
welcher Melonen anbietete. Ich betrachtete das Angebot und bat dann den Mann mir zwei große Wassermelonen einzupacken. Er tat es und ich zahlte den verlangten Preis, sprach jedoch kein Wort. Dann ging ich weiter. Ich kam an mehreren Ständen vorbei, da entdeckte ich auf einem der hölzernen Theken ein Buch. Es war alt und abgewetzt, doch man konnte die feinen Muster auf dem schwarzen Einband gut erkennen und obwohl der Titel mit roter Tinte geschrieben war konnte man ihn deutlich lesen: 悪魔と魔法. Dämonen und Magie. Die Verkäuferin sah mich starr an und ich zeigte auf das Buch, damit sie mir den
Preis sagte. Doch sie verstand es nicht. „Wenn du es kaufen willst, musst du bezahlen“, gab sie mürrisch von sich. Ich nickte, zeigte auf das Buch und rieb Zeigefinger und Daumen aneinander. Ein Zeichen für Geld. Nun verstand die Frau, nannte mir den Preis und als ich meinen Geldbeutel hervorholte stand sie auf und reichte mir das Buch. Sie wechselte das Geld und ich verneigte mich zum Abschied. Die Frau sah noch immer mürrisch drein.
Es kam ihm so vor, als seien Tage vergangen, doch schon bald musste Yuki feststellen, dass es gerade einmal vier Stunden her war, dass Mizusu ihn besucht hatte. Langsam brach der Abend an und von seinem Zimmer aus konnte Yuki den Sonnenuntergang über Kyoto beobachten.
Nach kurzer Zeit hatte die Dämmerung den Himmel der Nacht überlassen, doch Yuki konnte nicht schlafen. Das Fenster stand offen und die Geräusche der Stadt drangen in den kargen Raum. Der 17 – Jährige drehte sich auf die Seite und
schloss die Augen. Es war wichtig, dass er jetzt schlief, doch die Stimmen der Stadt hielten ihn davon ab. Yuki hielt sich die Ohren zu und steckte den Kopf unter das Kissen, doch es half alles nichts. Der Teenager stand auf und schloss das Fenster. Dann legte er sich wieder hin und versuchte erneut einzuschlafen. Dieses Mal mit Erfolg. Er hielt sich eine Hand vor die Augen, um diese vor dem grellen Licht zu schützen. Kinderlachen ließ den Teenager zusammenzucken und plötzlich liefen zwei kleine Jungen an ihm vorbei. War das die Realität? Langsam gewöhnten sich Yuki´s Augen an das Licht und er senkte die Hand. Die beiden
Jungen waren Katzenmenschen. Sie spielten im Innenhof, lachten und kämpften aus Spaß. Plötzlich stand neben Yuki eine schöne junge Frau. Auch sie war ein Katzenmensch und scheinbar eine Adelige aus einer vergangenen Zeit. Der 17 – jährige zuckte zusammen. „Yuki, Akuma, hört auf. Ich habe die Hakama gerade erst gewaschen. Kommt, das Essen ist fertig. Aber vergesst nicht eure Ohren zu verstecken. Ihr wisst, dass euer Vater sie hasst“, schimpfte die Frau und wartete, dass die Beiden Jungen kamen. Einer von ihnen schüttelte sich und die Katzenohren waren verschwunden, doch der zweite sah ihn nur verdutzt an. Der
erste Junge lief zu der Frau, der zweite folgte ihm zögerlich. „Akuma, weißt du noch immer nicht, wie man seine Ohren versteck? Komm her“, sagte die Frau in einem bemitleidenden Ton. Sie strich dem zweiten Jungen über den Kopf und die Ohren waren verschwunden. Yuki drehte sich um. Plötzlich entflammten zwei großen Kerzen und als die Dunkelheit sich langsam zurückzog, gab sie einen Altar und einen Schatten davor frei. Yuki schrak zurück. Es war der Schatten, der mit ihm gesprochen hatte, bevor er Ohnmächtig worden war. „Was soll das hier? Wo bin ich und warum kann ich nicht zurück?“, fragte Yuki und scheiterte an dem Versuch, sicher zu
klingen. Der Schatten bewegte sich langsam und lautlos auf ihn zu und Yuki bemerkte, dass er dabei immer wieder dieselben Worte sang: Nennen korori yo, okorori yo. Bōya wa yoi ko da, nenne shina. Nenne no omori wa, doko e itta. Ano yama koete, sato e itta. Sato no miyage ni, nani morota. Denden daiko ni, shō no fue. Okyāgari koboshi ni, furi tsuzumi. Okyāgari koboshi ni, furi tsuzumi. Je näher der Schatten kam, unheimlicher wurde es dem 17 – jährigen. Yuki wich zurück, er wollte die Tür aufreißen und weglaufen, doch da war kein Ausweg. Er rannte immer weiter in das dunkle Nichts. Panik breitete sich in ihm aus
und er hatte Mühe diese nicht ausbrechen zu lassen. Der 17 – jährige drehte sich um, um zu sehen wo der Schatten war und ihm blieb beinahe das Herz stehen, denn der Fremde stand so dicht vor ihm, dass Yuki sein Atem spüren konnte. Nun war das Gesicht des Schattens überhaupt nicht mehr verschleiert, sondern glasklar zu erkennen. Ein vernarbtes, verbranntes, von Wut und Hass zerfressenes Gesicht. Doch das schockierenste waren die Augen, denn der Augapfel war Pech schwarz und die Iris blutrot. „Dort hat man mir unrechtes angetan. Dort soll Furcht, Schuld und schlechtes Blut sein. Dort soll Unterwerfung und kein Mitleid
sein. Dich soll die Furcht blind machen. Erblindet durch Schmerz. Verflucht durch mich“, schrie der Fremde ihn an. Yuki schrie und riss die Augen auf. Er lag wieder im Zimmer des Krankenhauses. Doch es war noch nicht vorbei. Direkt vor seinem Gesicht starrten den 17 – Jährigen zwei schwarze Augen mit blutroter Iris an. Sie kamen immer näher und langsam gab die Dunkelheit auch die Konturen eines vernarbten Gesichts frei. Yuki wollte zurück weichen, doch der Schatten packte ihn und drückte ihn auf das Bett. Mit aller Macht versuchte Yuki sich zu befreien, doch es half nichts. Der Schatten war zu stark. Der Teenager
konnte einen Blick auf die Zimmertür erhaschen. Ärzte und Krankenschwestern versucht hereinzukommen, doch etwas blockierte die Tür. „Sie werden dir nicht helfen“, zischte der Schatten über ihm. Yuki sah ihm direkt in die Augen. Er wollte Stärke beweisen, doch je länger er diese Augen ansah, desto mehr breitete sich die Angst in ihm aus. „Der du mir genommen warst. Du seist zu mir zurückgekehrt. Ich danke den Schatten der Finsternis. Du seist für immer mein!“ Was…was meinte der Schatten damit? Yuki hatte die Bewegung gar nicht bemerkt, doch nun stand der Schatten am Fenster. „Akuma!“, rief
Yuki und der Schatten drehte sich um. Yuki schluckte. „Wer bin ich, der dir genommen war?“, fragte der 17 – Jährige und musste seinen ganzen Mut sammeln, damit seine Stimme nicht zitterte.