Die Mondfresserin
„Papa, komm schnell“, rief das kleine Mädchen und zeigt aufgeregt in den Himmel.
Ihr Papa eilte herbei und schaute nach oben.
„Was gibt es dort oben? Es sieht alles aus wie immer.“
„Nein“, beharrte das Mädchen. „Die Wolken fressen den Mond. Schau hin, es fehlt schon ein Stück.“
„Hast du Angst um den Mond?“ fragte der Papa sanft nach.
Sie nickte leicht.
„Du brauchst keine Angst zu haben. Komm, ich hebe dich auf meine Schultern, dann bist deinem Freund, dem Mond, etwas näher.“
Das kleine Mädchen lächelte und der Papa hob es auf seine Schultern und beide blickten gen Himmel. Dort, hoch droben, stand der Mond, gleichzeitig beleuchtete die Sonne dahinziehende
Wolken.
„Heute Abend ist der Mond schon sehr früh zu sehen. Er ist nicht so schön rund, hat nicht sein volles Mondsgesicht.“
„Papa, das sah ich und mir wurde etwas bang.“
„Er sieht nicht nur jetzt so aus, auch in der Nacht, wenn du in deinem Bettchen liegst und träumst.“
„Ist der Mond jetzt kaputt?“
Der Papa musste lachen.
„Nein, der ist noch ganz, auch wenn ihm scheinbar ein Stückchen fehlt. Du musst wissen, dem Mond fehlt ab und an immer mal ein Stück, wenn wir von der Erde aus auf ihn blicken. Siehst du den blauen Himmel? Sonne und Mond kleben ja nicht daran. Hinter dem Blau ist der Himmel noch lange nicht zu Ende. Ganz weit dort draußen sitzen Sonne und Mond. Sonne, Erde und Mond bewegen sich miteinander. Der Mond bewegt sich um die Erde und die Erde bewegt sich um die Sonne. Dem Mond fehlt
scheinbar ein Stückchen, weil immer mal ein Schatten auf ihn fällt. Er leuchtet ja nicht von selbst, so, wie die Sonne es vermag.“
„Papa, das verstehe ich nicht so richtig.“
„Es ist alles gar nicht so kompliziert. Ich habe ein Buch mit vielen schönen Bildern, die schauen wir uns morgen an.“
„Ja, das machen wir.“
„Lass uns zusehen, wie die Wolke den Mond überquert, es passiert ihm dabei nichts.“
Das kleine Mädchen rückte sich auf den Schultern ihres Papas zurecht und beide kamen sich ein wenig vor, wie im Kino. Die Wolke war dem Mond schon sehr nahe und es sah so aus als öffnete sie vorn ihr Maul, um ihn zu verschlingen. Die Wolke zog am Mond vorüber, sie überdeckte ihn für kurze Zeit und gab ihn
wieder frei.
Das kleine Mädchen klatschte in die Hände. Natürlich fehlte dem Mond immer noch ein Stückchen, aber das würde ihr der Papa morgen mit den Bildern in seinem Buch erklären. Der Papa nahm das kleine Mädchen von seinen Schultern und ließ es für ein paar Augenblicke durch die Luft segeln.
„Wie die Wolke am Himmel kannst du fliegen.“
Das kleine Mädchen jauchzte vor Vergnügen und Papas Arme ließen sie sanft auf den Boden gleiten.
„Papa, ich habe eine Bitte?“
„Ja?“
„Erzählst du mir noch eine Gutenachtgeschichte, in der der Mond mitspielt?“
„Das mache ich gern.“
Der Papa ergriff die Hand des kleinen Mädchens und beide gingen zurück ins Haus.
Der Mond aber verscheuchte alle Wolken, um ihnen vom Himmel herab zusehen zu können.
Worte & Fotos: © Tusitala (Juli 2015)