Kurzgeschichte
Der Seelensammler

Schreib mir was!Ich sah ihr nochmal tief in die Augen. „Es tut mir wirklich Leid, aber ich muss das hier und jetzt beenden.“ Schon wieder war sie kurz davor in Tränen auszubrechen. Ich zog sie fest zu mir und nahm sie in die Arme. „Gibt es wirklich keine Chance mehr für uns John?“ Sie sah hoch zu mir und wartete auf die Antwort. Doch mein Stummen war Antwort genug. In diesem Moment spürte ich wie die Energie ihrer Seele verloren ging. Sie wich aus ihrem Körper und ich hatte meine Arbeit erledigt. Ich trat einen kleinen Schritt zurück, schaute sie nochmal an und drehte mich um, auf dem Weg nach Hause. Einmal wieder habe ich eine

Seele eingesammelt und wieder fühlte ich dabei kein Schmerz und kein Mitleid für diese Person. Angefangen hatte es vor 4 Jahren, als ich 19 war. Ich fand die Liebe meines Lebens. Wir waren glücklich miteinander und ich schenkte ihr mein Herz und meine Seele. Doch Woche für Woche wurde ihre Liebe zu mir weniger, bis sie schließlich die Beziehung beendete. Die Gleichgültigkeit die ich damals von ihr erhielt, ließ meine Welt zusammenbrechen. In ein schwarzes, tiefes Loch bin ich gefallen. Ich konnte nichts mehr empfinden, ich war leer. So auch mein Herz. Tage und Wochen

vergingen und mein Herz wurde immer dunkler, bis es letzten Endes schwarz wurde. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, ich bin ein Seelensammler. Ich konnte nicht erklären wie es geschah und wieso, aber ich hatte plötzlich diese Stimmen in meinem Kopf. Stimmen die mir jeden einzelnen Weg vorschrieben. Anfangs machte es mich verrückt. Tag und Nacht hörte ich diese Stimmen, wehrte mich dagegen. Doch ohne Erfolg. Irgendwann gewöhnte ich mich daran und begann diesen Stimmen zu gehorchen. Das erste Opfer war ein wunderhübsches, 18 jähriges Mädchen. Lange blonde Haare, ozeanblaue Augen und füllige rote Lippen. Ich lernte sie an einer

Tankstelle kennen. Wir trafen uns öfters, sie verliebte sich in mich und ich nahm ihre Seele. Allen in allem ist es ziemlich einfach. Ich warte solange bis die Person unsterblich in mich verliebt ist, so wie ich es damals war. Ich merke es daran, dass deren Seelen förmlich Leuchten vor Glück. Genau dann beende ich diese Beziehung. Es ist jedes mal das Gleiche. Ich treffe mich mit ihnen, sage es wäre vorbei. Ich hätte das Gefühl des Liebens verloren. Dann nehme ich sie in den Arm und warte bis die Energie der Seele verloren geht. Sobald ich spüre, dass die Seele fort ist, verabschiede ich mich von

ihnen. Wo die Seele jedoch hinkommt und was derjenige damit macht, weiß ich nicht. Es ist mir eigentlich auch relativ egal. Ich weiß auch nicht was mit diesen Personen geschieht, da ich sie nie wieder sehe.

Natürlich bin auch nicht der einzigste Seelensammler, aber bis jetzt traf ich keinen anderen. Im Laufe der 4 Jahren habe ich schon einige Seelen eingesammelt. Dabei spielt aber auch das Geschlecht oder andere Merkmale keine Rolle. So hatte ich schon auch einen 25 jährigen wohlhabenden Mann. Doch die Prozedur ist jedes mal die

selbe. Es vergingen einige Wochen, bis ich wieder diese Stimmen hörte. Dieses Mal sollte es ein 18 jähriger Junge sein. Gerade fertig mit dem Abitur und die große Reise nach Amerika steht vor der Tür. Ihn sollte ich durch eine Dating-Seite für Homosexuelle kennenlernen. Also legte ich mir ein Profil an und begann ihm zu schreiben. Es verlief alles ziemlich schnell und wir trafen uns am nächsten Tag. Ich fuhr zu ihm in seine Stadt. Er führte mich hoch auf einen Berg, von wo man die ganze Stadt betrachten konnte. Wir saßen uns auf eine Bank und begannen zu reden. Er war

ziemlich hübsch und sah sehr erwachsen aus für sein Alter. Goldbraune kurze Haare, die er zu Seite frisiert hatte, dunkelbraune Augen und ein wunderschönes Lächeln. Irgendwie gefiel mir dieser Junge, aber das spielte hier keine Rolle. Er war auch ziemlich Intelligent und somit gefiel mir das Gespräch mit ihm sehr. Wir redeten eine Weile und er rückte immer näher zu mir. Plötzlich nahm er mein Gesicht, drehte es zu sich und küsste mich. Ich spürte ein Stechen in meinem Herz und erschrak, ließ mir jedoch nichts anmerken. Als sich meine Lippen von seinen lösten, blickte ich ihm ins Gesicht und sah ein breites Grinsen. Er war

glücklich. Der restliche Abend verlief noch einigermaßen schön. Wir redeten viel und küssten uns oft. Bis ich mich von ihm verabschiedete. Jedoch nicht ohne sich für den nächsten Tag zu verabreden. Die Tage vergingen und er verliebte sich mehr und mehr in mich. Seine Seele strahlte wie die Sonne. Sogar die große Reise nach Amerika brach er für mich. Doch schließlich kam der Tag an dem ich seine Seele nehmen musste. Dieses mal war es jedoch anders. Ich empfand ein wenig Mitleid für ihn. Wir trafen uns wieder auf dem Berg, wo wir uns auch das erste mal sahen. Ich schaute ihm tief in die Augen und begann zu erzählen.

Wieder die gleiche Geschichte. Ich verlor damals das Gefühl des Liebens und empfinde leider nichts mehr für ihn. Ich kann nichts dagegen tun. Jedes mal holt es mich ein und jedes mal muss ich ein Herz brechen. Erst schaute er mich schockiert an und ich sah an seinem Gesicht, dass er den Tränen nahe war. Doch die Reaktion, die ich dann von ihm erhielt ließ mich Sprachlos werden. Er sagte, er sei nicht böse auf mich, auch nicht traurig oder enttäuscht. Im Gegenteil! Er möchte mir helfen! Es sei im egal ob als Freund oder als Partner, aber er möchte das ich wieder Lieben kann! Auch sei es ihm egal, ob ich dann irgendwann wieder ihn oder jemand

anderen lieben würde. Die Hauptsache war jetzt, dass ich wieder glücklich werde. Ich war so schockiert und überfordert mit dieser Situation, dass ich gar nicht wusste wie ich handeln sollte. Mehr als ein kleines Dankeschön kam nicht aus mir heraus. Ich sah ihm tief in die Augen, spürte wie seine Seele förmlich glühte vor Glück und Liebe und ich wusste, dieser Junge konnte mir helfen, den schwarzen Belag auf meinem Herzen zu entfernen. Es vergingen Wochen und Monate und Matthias wich immer noch nicht von meiner Seite. Wir trafen uns jeden Tag,

sprachen über meine Vergangenheit und über die Wünsche meiner Zukunft. Tag für Tag zeigte er mir, dass ich ihm wichtig bin und dass er mich liebt und Tag für Tag spürte ich wie der schwarze Belag, der schon seit Jahren mein Herz bedeckt immer weniger wurde. Als würde er mit einem nassen Lappen über mein Herz fahren und es von dem schwarzen Belag befreien. Es vergingen weitere 2 Jahre und die Liebe von Matthias hörte nicht auf. Im Gegenzug dazu wurden die Stimmen in meinem Kopf immer weniger, bis ich sie schließlich nicht mehr hörte. Auch sammelte ich seit ich Matthias kennen gelernt hatte keine Seelen mehr ein. Ich

war frei. Schließlich fasste ich den Entschluss, ihm zu sagen das ich ihn wieder Liebe. Doch dieses mal war es auch so gemeint, wie ich es sagte. Ich führte ihn wieder hoch zum Berg. Es war romantisch. Ich sah ihm tief in seine dunklen, braunen Augen und sagte zu ihm, „Ich liebe dich Matthis! Ich liebe dich, wie nie jemand zuvor!“