„Heimat ist, wo mein Herz schlägt“, warf der Gruppenleiter Jörg in die Runde, nachdem er etwas über Nächstenliebe erzählt hatte.
„Wie meinst du das?“, will Kevin wissen.
„Denk mal kurz nach“, erwiderte Jörg ihm. Es entstand eine kurze Stille bis sich Kevin wieder zu Wort meldete.
„Heimat ist für mich der Ort, an dem ich geboren wurde und aufgewachsen bin.“
„Denkt noch ein wenig weiter, sicher ist dies der Ort für euch und für die meisten Menschen, aber ist er auch der Ort für viele Menschen heutzutage?“, forderte er seine Gruppe der Firmlinge heraus.
„Klingeling, es hat geklickt“, quatschte Kevin in die Stille hinein.
„Was hat bei dir geklickt? Oder hat es bei dir endlich geklickt, das Jörg die Nächstenliebe zu den Flüchtlingen meint, die zurzeit unser Land überschwemmen“, beantwortete ihn fragend Kathrin seinen Kommentar, den sie mal wieder für mehr als überflüssig hielt.
„Die sollen doch bleiben, wo sie herkommen“, giftete Kevin zurück.
„Kevin, stell dir vor, in deiner Heimat, dort wo du aufgewachsen, dich wohl fühlst, kommen plötzlich unmögliche Leute an die Macht, deine Familie würde
gefoltert, Familienangehörige erschossen, deine Frau verschleppt oder dein Bruder. Was würdest du versuchen, wenn du nicht in der Lage bist, dich gegen diese Leute zur Wehr zu setzen?“, kam es plötzlich über die Lippen, des sonst so schweigsamen Jonas.
„Ich würde mir eine Knarre besorgen und die Kerle erschießen“, erwiderte Kevin, der vor lauter Wut ein rotes Gesicht bekam.
„Woher bekommst du die Waffe? Du lebst in einem totalitären Staat, in dem ein Mensch nichts wert ist, schon gar nicht weibliche. Die sind noch weniger Wert als Tiere“, ereiferte sich Jonas.
„Das sind doch alles Moslems, die gehen
mich nichts an. Außerdem kommt man immer an eine Waffe“, erwiderte Kevin inzwischen tiefrot.
„Das sind doch auch Menschen“, warf Kathrin wütend ein,
„Jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben, in Freiheit leben und Unversehrtheit. All diese armen Leute, sie lieben ihre Heimat, genau wie du, denn ihre Familien leben dort. Gerade im Nahen Osten, wo die Islamisten die Welt mit ihrem Glauben überschwemmen und radikal die Andersgläubigen ausrotten wollen, kann ich verstehen, dass diese Leute sich schweren Herzen von ihrem Heimatort trennen und versuchen ihre Familien zu retten.“
„Ebenso kommen viele aus anderen Ländern Afrikas, nicht nur diese fanatischen Islamisten, auch andere Regierungen beuten das Land aus und treten die Menschenrechte mit Füßen und die Kriege zwischen den Ländern. Viele kommen auch aus Hungersnöten“, setzte Martin dazu.
„Und dann kommen zwischen den Flüchtlingen auch noch die Scheiß- Islamisten her und beginnen hier ihren Terror und ihr werdet es dann sehen, ich habe dann meine Knarre“, ereiferte sich jetzt Kevin zusehends.
„Immer mit der Ruhe Kevin, noch haben wir keine fanatischen Islamisten hier“,
versuchte ihn Jörg zu beruhigen, doch Kevin stellte direkt eine Gegenfrage.
„Woher willst du denn das wissen, die haben es sich ja nicht ins Gesicht tätowiert, alle leben nach Allahs Vorstellung, sonst beißt ins Gras!“
„Das weiß ich auch nicht, aber die Flüchtlinge kommen doch eher aus den Gründen, die Kathrin und Martin und Jonas anführten. Alle diese Menschen sind genauso heimatverbunden wie du, lieben ihre Heimat. Weil es unerträglich wurde, mussten sie alles zurücklassen und konnten nur das Wenige mitnehmen, was sie auf dem Leib trugen“, entgegnete ihm ganz ruhig Jörg.
„Das sagst du, mein Vater sagt aber was
ganz anderes. Es wären inzwischen dermaßen viele jetzt dabei, um hier bei uns das goldene Land zu finden, nur weil sie gehört hätten, hier würde Milch und Honig fließen und …“, beharrte Kevin.
Es entbrannte eine heiße Diskussion, wobei doch die Armut und das Elend der Menschen in den Krisengebieten hervorgehoben wurden.
Schließlich schrieb man Stichworte auf Kärtchen und pinnte diese an eine Pinnwand. Krieg aus Macht und wegen der Bodenschätze, Glaubenskriege, Unterwerfung des Volkes und Ausbeutung, Verfolgung und Vertreibung von Minderheiten oder ganzen Stämmen, Hungersnöten durch
Dürre, Krankheiten, Heimat, Glaube, Hilfsbereitschaft, Asyl, Angst, Verbrechen, Gedankenlosigkeit, Spenden, Nächstenliebe.
„Kriege egal aus welchen Motiven, ob es Machthungrige wegen der Bodenschätze oder wie die zurzeit in den Medien der besonders hervorgehobene Glaubenskrieg der Islamisten, die Dürreperioden mit den großen Hungersnöten und um sich greifende Krankheiten veranlassen die Menschen zur Flucht. Daher verlassen sie die Heimat, ihre Häuser und Höfe sicher schweren Herzens, denn es gilt vor allem für sie, das Leben ihrer eigenen
Familien zu retten. - Sie machen sich auf, setzen sich in seeuntaugliche Schiffe und versuchen das rettende Ufer zu erreichen. Doch die Länder, an denen sie landeten, sind inzwischen nicht mehr in der Lage, diese Massen von Flüchtlingen aufzunehmen und so werden sie nun in den Europäischen Ländern verteilt. – Wegen der starken Masse an Flüchtlingen kommt es leider manchmal bei einigen Menschen hierzulande zu Angst und Gedankenlosigkeiten gegen diese Armen. Dabei wollen sie nur ihre Familien und sich selbst in Sicherheit wissen. Wir können ihnen nur helfen, wenn wir ihnen unsere Nächstenliebe
anbieten und versuchen, sie in unsere Gesellschaft zu integrieren. Unsere Heimat ist zwar auch kein Land, in dem Milch und Honig fließen, aber wir können zusammenrücken, um gemeinsam die Angst vor allem Fremden zu verlieren und ihnen eine neue oder vorläufige Heimat zu geben. Vielleicht können diese Menschen dann eines Tages sagen „Heimat ist, wo mein Herz schlägt“, denn dies schafft allein nur unsere Nächstenliebe!“, fasste Jörg zusammen und beendete mit diesen Worten den Unterricht.