Pech
Meine Kurzgeschichte in dieser Anthologie:
Pech
Montagmorgen 06:00 Uhr. Max öffnete langsam die Augen. Neben ihm im Bett rekelte sich Olga auf dem Laken.
„Morgen“, grummelte Max. In seinem Kopf hämmerte ein ganzes Kraftwerk. Es waren wohl ein paar Drinks zu viel am Abend.
Olga rollte sich auf ihn, küsste ihn und ließ ihre Hände langsam über seinen Körper gleiten.
„Morgen, Schatz“, säuselte sie ihm ins
Ohr, „wenn du mich liebst musst du mir helfen.“
„Klar. Wie denn?“ Max war noch nicht richtig da.
„Wenn ich Mirko 50.000,- € zahl, bin ich frei.“
„Du gehst jetzt seit drei Jahren für ihn anschaffen und er meint immer noch, du gehörst ihm?“
„Er hat hier das Sagen, und niemand, den ich kenne, ist ihm gewachsen. Du auch nicht!“
Ganz langsam ließ Max seine Zunge um ihre Brustwarze kreisen.
„Mal sehn, was sich machen lässt.“
Geld hatte Max noch nie. Er arbeitete zwar jeden Tag zehn Stunden im
Getränkelager, aber bei fünf Euro die Stunde blieb nichts übrig. Normalerweise störte das Max nicht. Er hatte alles, was er brauchte.
Nachdem sie noch eine Stunde im Bett verbracht hatten, stand Max auf und verabschiedete sich von Olga. „Ciao, Ende der Woche hast du das Geld.“
Dann ging er kurzentschlossen in seine Einzimmerwohnung, holte eine Motorradmaske aus der Kommode, stieg auf seinen alten Drahtesel und
trampelte gemütlich Richtung Sparkasse. Unterwegs kaufte er einem Jungen seine Spielzeugpistole für fünf Euro ab.
Die letzten Meter zur Bank legte er zu Fuß zurück.
Der Überfall verlief ganz unspektakulär: Max bedrohte die Kassiererin mit der Spielzeugpistole, nahm das Geld entgegen und flüchtete zu seinem, zwei Kreuzungen entfernt stehendem, Fahrrad. Das Geld, die Maske und die Spielzeugpistole packte er in eine große Alditüte.
So fuhr er ein paar Straßen weiter zu seiner Stammkneipe „The Sun“.
„Morgen, Max“, begrüßte ihn der Wirt, „lässt du dich mal wieder zum Frühschoppen sehn? Frank und Ole sitzen schon am Tisch.“
„Hi, Hajo. Ja, hab heute frei bekommen und noch zehn Euro zum Verballern in
der Tasche.“
Max schlenderte zum Stammtisch, schmiss die Tüte unter seinen Stuhl und setzte sich.
„Wasn das fürn Lärm?“ fragte Ole.
„Keine Ahnung. Die Bullen scheinen gut beschäftigt zu sein.“
„Uns kanns egal sein.“
Sechs Stunden später und vierzig Euro reicher machte Max sich auf den Rückweg nach Hause. Die Motorradmaske und die Spielzeugpistole vergrub er unterwegs.
Abends traf er sich mit Olga.
„Hallo, Schatz, weißt du, was heute in der Stadt los war?“
„Keine Ahnung. Hier, hab dir dein Geld mitgebracht.“
Olga sprang ihm in die Arme und überschüttete ihn mit Küssen. Ihr Bett kam diese Nacht nicht zur Ruhe.
Am nächsten Morgen ging Max wieder zur Arbeit. Olga schlief noch.
Seine Mittagspause verbrachte er mit einem doppelten Espresso im „Sun“.
„Hi, Max.“
„Hi, Mario. Was treibt dich hier hin?“
„Erinnerst du dich noch an unsere Schulzeit? Hajo, gib mir ein Bier.“
„Klar, ich konnte nie mit dir mithalten. Hast dir deinen Hauptkommissar sicher verdient.“
„Hab hart dafür gearbeitet. Ich bin aber nicht hier, um über alte Zeiten zu plaudern. Max, wo warst du gestern
Morgen um 09:30h?“
„Sag mal, darfst du überhaupt Alkohol im Dienst?“
„Max! Lenk nicht ab.“
„Ist das nen Verhör?“
„Ja, ich wollte einen alten Freund nur nicht aufs Revier bestellen. Also?“
„Hatte frei und hab ne Radtour gemacht.“
„Zeugen?“
„Keine. Was zum Geier ist denn los?“
„Die Sparkasse ist überfallen worden. Die Täterbeschreibung passt genau auf dich.“
„Seh ich so aus, als hätte ich Geld?“
„Du siehst aus, als hättest du Geld bitter nötig und du hast kein Alibi.“
„Hätt ich gewusst, dass ich eins brauch, hätt ich eins. Und; ich seh seit Jahren so aus und hab nie ne Bank ausgeraubt.“
„Brauchste Hilfe, Max?“ Ole und Frank hatten sich hinter Mario aufgebaut.
„Kein Stress, Jungs. Mario, ist Zeit zu gehen.“
„Hattest ja schon immer viele Freunde. Ich komm wieder!“ Mario verließ die Kneipe.
„Danke, Jungs.“
Max ging wieder an die Arbeit.
Abends radelte er zu Olga. Als sie nicht aufmachte holte er seinen Schlüssel aus der Tasche und steckte ihn ins Schloss. Vielmehr, er versuchte den Schlüssel in das Schloss zu stecken, er passte nicht
mehr. „Olga! Verdammt, mach auf!“ Max hämmerte vor die Tür.
„Verzieh dich. Olga ist nicht mehr hier.“ Mirko hatte die Tür geöffnet.
„Was?“
„Du musstest ihr ja das Geld geben. Jetzt ist sie weg. Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass sie bei dir bleibt, oder? So blöd kann man doch gar nicht sein.“
Wortlos drehte sich Max um und verließ das Haus. Noch auf der Straße hörte er das Lachen des Zuhälters.
Max ging auf direkten Weg ins „Sun“. Er setzte seine gewonnenen vierzig Euro an diesem Abend komplett in Brandy um. Er sprach kein Wort. Seine Freunde drängten ihn nicht. Den ganzen Abend
wichen sie nicht von seiner Seite, Später brachten sie ihn nach Hause.
Am nächsten Morgen wachte Max von einem penetranten Klopfen an seiner Tür auf. Verschlafen öffnete er die Tür. Bevor er noch jemanden ankeifen konnte, wurde er von vier Maskierten auf den Boden geworfen und mit Handfesseln fixiert.
„Scheiße, SEK“, dachte er noch. Dann hörte er Marios Stimme: „Tut mir Leid, Max. Du hast deine Maske direkt vor der Außenkamera der Sparkasse abgenommen und dein Gesicht genau vor die Linse gehalten. Du bist verhaftet.“
„Pech“, antwortete Max.