Der Eierbaum
In einem großen schönen Garten am Rande der Stadt, wohnte Trude. Eine seltsame alte Frau. Sie lebte ganz allein in diesem großen kunterbunten Haus. Sie hatte wohl nie einen Mann gehabt. Aber die Kinder aus der Nachbarschaft gingen sehr gerne zu Tante Trude, wenn sie Sorgen hatten. Sie kauften auch für Tante Trude ein und halfen ihr im Haus beim sauber machen, Denn Tante Trude konnte sich nicht mehr so gut bewegen. Sie war auch nicht mehr gut zu Fuß. Die Kinder wussten nicht wie alt Tante Trude wirklich war, aber sie muss schon sehr alt gewesen sein, denn ihre Haare waren
weißer als der Schnee im Winter und ihr Gesicht hatte viele tiefe Falten. Sie ging auch schon ganz krumm und hatte einen Stock, auf den sie sich stützen musste. Sie saß eigentlich den ganzen lieben langen Tag in ihrem Lehnstuhl und schaute aus dem Fenster. Manchmal kamen auch Blaumeisen und Kohlmeisen an ihr Fenster. Tante Trude fütterte sie und unterhielt sich auch mit ihnen. Sie waren gute Freunde geworden. Die Meisen nisteten in dem großen Apfelbaum in Tante Trudes Garten. Die zwitscherten den ganzen lieben langen Tag und Tante Trude schlief ein und fing an zu träumen:
Sie stand in ihrem großen Garten und betrachtete eine komische Pflanze. Sie war noch gar nicht groß, aber sie trug merkwürdige Früchte. Sie sahen nicht aus wie Äpfel oder Birnen, aber auch nicht wie Pflaumen oder Kirchen. „Was konnten das denn nur für Früchte sein? „ dachte Tante Trude bei sich. Tante Trude beobachtete diese merkwürdige Pflanze weiter. Sie wuchs innerhalb von einer Woche doppelt so schnell wie andere Pflanzen. Die Früchte wuchsen auch doppelt so schnell wie andere Früchte. Komisch war es Tante Trude schon, als sie diese Pflanze sah, aber sie dachte sich jetzt nichts mehr dabei. Eines Tages war die
Pflanze so hoch wie ihr Haus und an ihren Ästen hingen große Eier. Diese Eier hatten verschiedene Farben. Sie sahen aus wie Amseleier, Meiseneier, Spatzeneier. Storcheneier, Kräheneier, Taubeneier, Hühnereier, Enteneier, Gänseeier und sogar so groß wie Straußeneier. Tante Trude lief zum Zoo und bat dass jemand mit ihr in ihren Garten gehen sollte. Die im Zoo lachten Tante Trude nur aus und sagten:“ Ach was will denn die Alte, die ist doch nicht ganz richtig im Kopf!“ Sie gingen nicht mit ihr. Tante Trude gab nicht auf und versuchte es bei der Polizei, aber auch die lachten sie nur aus. „So!“ dachte Tante Trude,
„dann werde ich eben zur Presse gehen und mir einen Reporter und einen Fotografen holen. Die kommen bestimmt mit und fotografieren diesen merkwürdigen Baum bei mir im Garten.“ Gesagte, getan, Tante Trude ging zur Zeitung und richtig ein Reporter und ein Fotograf machten sich mit Tante Trude auf den Weg zu ihrem Garten. Sie staunten nicht schlecht als sie den merkwürdigen Baum sahen. Der Reporter fragte Tante Trude Löcher in den Bauch. Er wollte wissen, seit wann der Baum in ihrem Garten stand und ob sie früher schon einmal so etwas Komisches gesehen hätte? Aber Tante Trude hatte so etwas
auch noch nie in ihrem Garten gesehen. Der Fotograf machte erst einmal Fotos vom Baum und dann noch Fotos von Tante Trude unter dem Baum. „Wie könnte man denn diesen Baum nennen?“ fragte der Reporter. „ Tante Trude dachte lange nach und dann sagte sie:“ Wir nennen ihn einfach den Eierbaum, auf dem Foto kann man ihn ja sehen und dann weiß jeder, was damit gemeint ist.“ Der Reporter bedankte sich bei Tante Trude und ging mit seinem Fotografen wieder zurück in die Redaktion. Am folgenden Tag konnte man in der Zeitung lesen „ In Tante Trudes Garten steht seit einiger Zeit ein Eierbaum. Die Eier sehen
genauso aus wie Vogeleier, Tante Trude kann sich auch nicht erklären wo der Baum hergekommen ist. Sie hat so etwas in ihrem Garten noch nie gesehen.“ und darunter war ein Bild von Tante Trude unter ihrem Eierbaum“.
Eines Tages stand Tante Trude wieder unter ihrem Eierbaum und hörte merkwürdige Geräusche. Es war ein Knacken und Knirschen. Das fiel ihr ein Stück von einer Eierschale auf den Kopf. Tante Trude trat einen Schritt zurück und schaute nach oben. Sie traute ihren Augen nicht, denn in dem Eierbaum saßen tausende von kleinen Vögeln und die Vogeleltern fütterten
diese emsig. Das komischste saß oben auf dem Baum. Es war ein Straußenküken. Die Straußeneltern, da sie nicht fliegen konnten, hatten eine Leiter an den Baum gestellt und kletterten so immer wieder mit Futter zu ihrem Kind. Tante Trude lief so schnell sie konnte zur Zeitung und holte den Reporter und seinen Fotografen, die auch wieder sofort mit ihr gingen. Auch sie trauten ihren Augen nicht und machten wiederum ein Interview und auch viele Fotos. AM darauffolgenden Tag konnte man in der Zeitung lesen „ Aus den Eiern des Eierbaumes in Tante Trudes Garten schlüpften viele tausend Vögel und
diese werden nun von ihren Vogeleltern gefüttert. Tante Trude überlegt ob sie den Baum nun Vogelbaum taufen soll. Aber wenn er im kommenden Jahr wieder Eier trägt, dann ist es ja eine ewige Umtauferei, also behielt der Baum den Namen „Eierbaum“ und trug jedes Jahr wieder tausende von Vogeleiern!“
Die Kinder kamen vom Einkaufen und sagten leise:“ Tante Trude, schläfst Du, wir haben alles eingekauft und auch schon in die Schränke gepackt. „ Tante Trude öffnete ganz überrascht die Augen und fragte die Kinder:“ Habt ihr auch die tausende von Vogeleiern in meinem
Eierbaum im Garten gesehen? Und dann die vielen Vogelkinder die aus diesen Eiern geschlüpft sind? Die Zeitung hatte doch auch was darüber gebracht, habt ihr das gelesen? Ich war auch auf einem Bild in der Zeitung.“ Die Kinder sahen sich fragend an und sagten dann:“ Tante Trude, wir glauben Du hast das alles nur geträumt. In der Zeitung stand nichts und in deinem Garten steht auch nur der sehr alte Apfelbaum und in dem sitzen immer die Vögel und singen Dir eine Liedchen!“ Tante Trude holte tief Luft und sagte:“ Auch wenn es nur ein Traum gewesen ist. Er war wirklich schön und ich nenne nun meinen Apfelbaum „Vogeleierbaum“, weil die Vögel immer
in ihm nisten und ihre Jungen zur Welt bringen.
Copyright ©Text von Jenny Jatzlau