Esmeralda ging im Quartier auf und ab. Sie war wütend und enttäuscht zugleich. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Hatte sie wirklich geglaubt in die Kaserne zu kommen um kurz Hallo zu sagen und sich wieder aus dem Staub zu machen? Nachdem sie in das Quartier gebracht wurde, fühlte sie sich fast noch einsamer als im Drachenauge. Dort hatte sie wenigstens die Möglichkeit gehabt sich frei zu bewegen, was hier nicht der Fall war. Sie verfluchte ihren Adelsstand. Man wird in einen goldenen Käfig hineingeboren. Man konnte zwar alles mögliche leisten und andere
rumkommandieren, aber einen freien Willen war im eigentlichem Sinne nicht vorhanden. Sie konnte sich nirgends frei bewegen, konnte nicht unerkannt bleiben. Aber was ihr noch mehr Kopfschmerzen bereitete, war die Tatsache, dass sie ihr Vorhaben bezüglich ihrer Mutter nicht durchziehen konnte. Der einzige, der von ihren seltsamen Träumen wusste, und somit der einzige war, der ihr bei ihrer Sache behilflich sein wollte und konnte, wurde vom Kommandanten mitgenommen. Und sie musste in diesem kleinen Quartier einer Kaserne ihre Zeit totschlagen. Chavo als Türwächter vor dem Quartier und der Medikus irgendwo
auf dem Markt, um sich mit Zutaten einzulagern. Es macht sie wütend und schwach zugleich nichts machen zu können. Sie war drauf und dran auf dem Bett weinend zusammenzubrechen. Wenn dies passiert, so wusste sie, dann würde es wieder eine Weile dauern, bis sie sich wieder zusammenraffen konnte. Esmeralda dachte angestrengt nach, wie sie aus ihre Lage rauskommen konnte. Die einzige Möglichkeit, die sie sah, war die, Chavo ihre Lage näher zu bringen. Ob er ihr helfen würde, konnte sie noch nicht sagen. Ihn kannte sie schon seit Jahren und kannte seine Loyalität. Aber die galt weniger ihr, als
vielmehr ihrem Vater. Sie überlegte, wie es von nun an weitergehen könnte. Entweder blieb sie in diesem Quartier, bis Grass über die Geschehnisse gewachsen war und sie würde nicht mehr die Möglichkeit bekommen ihren seltsamen Träumen auf den Grund zu gehen. Als nächstes malte sie sich aus, wie sie mit Leander zu diesem Geschäft ginge. Doch diese Option erschien ihr momentan für unrealistisch. Oder sie wurde in absehbarer Zeit zurück ins Drachenauge reisen um dort ihr bisheriges Leben aufnehmen. Wozu sie am wenigsten geneigt war. Die aufgehende Tür riss sie aus den
Gedanken. Chavo kam herein, was Esmeralda sehr verwunderte. »Eure Hoheit«, verneigte er sich vor ihr. »Chavo.« »Ich habe eine Bitte an euch«, war Chavo nervös. Ihm war es sichtlich unangenehm damit rauszurücken. Aber es schien ihm wichtig genug zu sein, dass er die Fürstentochter damit belästigte. »Und die wäre?«, war Esmeralda sichtlich genervt wieder ihre Pflichten als Fürstentochter nachkommen zu müssen. »Ich habe meine Frau schon seid Tagen nicht mehr gesehen«, begann er. »Und da ich schon einmal in der Stadt bin,
dachte ich mir, dass ich daheim bescheid gebe, dass es mir gut geht.« »Solltest du nicht mein Bewacher sein, solange ich ausserhalb vom Drachenauge bin?« »Das ist es ja. Und da ich euch eine ganze Weile kenne, will ich einmal behaupten, dass Ihr nicht grundlos her wolltet, könntet Ihr mich für einen Ausflug begleiten.« Überrascht über die eben aufgehende Chance sah sie ihn sprachlos an. Konnte es sein, dass die Götter ihr endlich gnädig waren? »Eure Hoheit?« »Ja«, gab sie endlich die erwünschte Antwort. »Ja. Natürlich kann ich dich
begleiten. Ich würde auch gerne deine Familie kennenlernen. Können wir einen kleinen Abstecher zu einem Geschäft machen? Dann könnte ich ein kleines Geschenk für deine Familie besorgen.« »Natürlich.« Esmeralda konnte ihr Glück kaum fassen. Sie hatte mit allem möglichem gerechnet, aber nicht mit so etwas. Sie richtete sich auf, strich ihr Oberteil glatt und spazierte Seite an Seite mit Chavo zu Lord André, damit er bescheid wusste, was Sache war. »Ihr könnt hier nicht weg«, war die Antwort des Lords. »Hört mir zu. Ich bin hier die Prinzessin. Das heisst, ich steh weit über
Euch. Wenn ihr mich wie eine Gefangene behandelt, dann werden es alle erfahren. Und wenn die Tatsache herauskommt, dass ihr versucht hattet mich zu schänden, dann werdet Ihr um eine neue Stelle ausserhalb von Montgorda bemühen müssen. Hab ich mich klar verstanden?« Zittrig stand Lord André da und konnte nichts weiter machen, als zu nicken. Und ihnen, Esmeralda und Chavo, freien Geleit zu gewähren. Esmeralda zog die frische Luft tief in die Nase ein, als sie die Kaserne verlies. Sie genoss all die Düfte des Marktplatzes. Das gebratene Fleisch, die verschiedene Duftwässer, die
Tabakwaren und sogar das frische Bier konnte sie wahrnehmen und es gefiel ihr um einiges besser als der miefe Gestank der Kaserne mit all den schweissgebadeten und ungepflegten Miliz, die kaum besser rochen als ihre Gefangenen. Stolz und mit erhobenem Haupt schlenderte sie auf dem Pflastersteinen hin und her. »Eure Hoheit?«, sprach Chavo sie an. »In welchen Landen wollt ihr gehen?« »In das Geschäft von Mateo.« »Beehren Sie uns bald wieder«, verabschiedete sich Mateo von seinem Kunden. Er wollte lediglich einige Sachen für die
Fürstin holen. Als er sein Geschäft betrat, kam auch schon der erste Kunde, denn er bedienen musste. Die Welle von Kunden wollte nicht aufhören. Nun war es Mittag und er hatte nach wie vor keine Pause einlegen können um sich die Sachen zusammenstellen zu können. Als der letzte Kunde endlich das Geschäft verlassen hatte, lief er in den Lager, um endlich die medizinischen Kräuter und warmen Sachen zusammenzulegen. Sie wird auch Hunger und Durst haben, also legte er auch Trockenfisch und eine Feldflasche mit Wasser bei und band die Sachen zu einem Bündel zusammen. Kaum war er fertig, läutete das Glöckchen über die Tür, als jemand das
Geschäft betrat. »Ach nö«, seufzte Mateo vor sich hin. Er hätte den Landen anschliessen sollen, bevor er ins Lager ging. Dafür, dass er so nachlässig war, tadelte er sich innerlich selbst. Hoffentlich würde es bei dem einen Kunden bleiben, sodass er sein Geschäft abschliessen und raus konnte. Als er in den Verkaufsraum kam, war Mateo mehr als erstaunt darüber, wenn er als Kunden hatte. »Prinzessin Esmeralda, schön euch auf den Beinen zu sehen«, grüsste Mateo sie erfreut, aber nicht minder überrascht. »Kann ich euch was gutes tun.« »Chavo hat mich eingeladen seine Frau zu besuchen. Da dachte ich mir, ich
könnte ihr ein kleines Präsent kaufen«, schlenderte Esmeralda um die Regale und begutachtete die verschiedene und zum Teil exotische Ware an, dessen Verwendungszweck sie teilweise nicht verstand. »Habt ihr an was bestimmtes gedacht?« Eine innere Anspannung machte sich in Mateo breit. Vor weniger als zwölf Stunden tauchte vor seinen Augen die Mutter der Prinzessin auf, ohne dass er es sich erklären konnte. Und nun sah er sich mit der Situation konfrontiert mit der Prinzessin zu reden, die in seinem Geschäft etwas kaufen wollte. Er durfte seine Anspannung nicht zeigen und ihr nichts von letzter Nacht erzählen.
Einerseits konnte er ihr nichts sagen, da er es nicht erklären konnte, andererseits musste er es ihr sagen, weil sie das Recht darauf hatte. »Chavo, was mag deine Frau am liebsten?«, richtete sich die Prinzessin an ihren Leibwächter, der ahnungslos die Achsel zuckte. »Schmuck, schätze ich.« »Hast du was da?«, fragte Esmeralda den Händler. »Bei mir wird selten Schmuck gekauft. Da müsstet ihr vielleicht zum Goldschmied im oberen Viertel«, meinte Mateo. »Bei mir werden Klingen, Schilde, Lederrüstungen und Stoffe gekauft. Oft auch Kräuter, Fälle und
Pelze. Kann ich euch vielleicht davon was anbieten?« »Hasst du auch Düfte?« »Wenn, dann hinten im Lager.« »Können wir gemeinsam nachschauen?«, fragte Esmeralda, fast eine Spur zu aufdringlich. Sie hatte nur darauf gewartet, dass der hintere Teil des Geschäfts Erwähnung findet. Wenn der Traum der Wahrheit entspricht, dann befindet sich ihre Mutter dort. Obwohl sie sich nicht erklären konnte, warum sie davon überzeugt war, dass ihre Mutter wieder am Leben sein sollte. Es war schwachsinnig, dass Tote Menschen einfach so aus dem Jenseits kommen.
Aber die Träume wirkten so real. »Natürlich«, stimmte Mateo zu. »Kommt mit.« Esmeralda’s Herz sprang kurz auf und blieb dann stehen. Sie zitterte innerlich. Konnte es sein, dass sie ihrer Mutter begegnet? Oder spielte ihre Erwartung und die Träume einen Streich mit ihr. Gespannt folgte sie dem Händler in den hinteren Teil des Geschäfts. Anstatt einen Schlafgemach vorzufinden, befanden sich im hinteren Teil des Geschäfts ein menge Gerümpel, ungeöffnete Holzkisten und jede menge von Flüssigkeiten in Flaschen verschiedener Grössen und Formen. »Hier, probiert dieses aus«, kramte
Mateo eine Ampulle mit einer grünblauer Flüssigkeit. Esmeralda öffnete die Ampulle und zog eine kleine Brise in die Nase. Die exotisch aromatische Duft lag angenehm in der Nase und war nicht zu aufdringlich. Sie hatte bisher noch nichts vergleichbares gerochen. »Ich nehme es«, sagte Esmeralda und griff nach dem Beutel an ihrem Gürtel. »Was kostet es mich?« »Fünf Dukaten«, sagte Mateo, dem nicht entgangen war, dass die Begeisterung der Prinzessin nachgelassen hatte. Viel mehr wirkte sie Enttäuscht darüber nicht das gefunden zu haben, was sie sich erhofft hatte. »Stimmt was nicht.
Prinzessin Esmeralda?« »Alles bestens«, gab sie ein halbherziges Lächeln preis. »Es ist nur so, dass ich letzte Nacht davon geträumt hatte hier zu sein, in diesem Raum. Nur dass es kein Lager war...« Esmeralda verstummte. Sie unterdrückte ein Schluchzen. Mateo konnte nichts weiter tun, als seine Hand tröstend auf ihre Schulter zu legen. Er konnte keine Worte finden, um sie wieder aufzuheitern. Das, was er ihr sagen konnte, musste vorerst warten. Aber wie lange? »In meinem Traum war es kein Lager, sondern ein Schlafgemach in dem sich meine Mutter befand«, beendete
Esmeralda ihren Satz. »Ich weiss wie töricht es von mir ist, zu erwarten, meine verstorbene Mutter wieder unter den Lebenden zu sehen.« Mateo’s Gesicht hatte jegliche Farbe verloren. Seine Muskeln spannten sich nervös zusammen. Wie um alles in der Welt konnte das passieren? »Ich möchte einen kleinen Ausflug machen«, begann Mateo, als er sich wieder gefasst hatte. Seine Stimme klang matt und wählte die Worte mit bedacht. »Ich möchte euch etwas zeigen, wovon keiner erfahren darf.« Misstrauisch sah Esmeralda zu ihm auf. Skeptisch neigte sie ihren Kopf zu Seite und ihr goldblonde Strähnen fielen ihr
auf die Stirn.
»Um was handelt es sich?«
»Ihr sollt es mit eigenen Augen sehen. Ansonsten werdet ihr mir nicht glauben. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob es eine kluge Wahl meinerseits ist, das zu machen.«
»Wovon sprecht ihr?«
»Wenn Ihr mich begleitet, dann werdet ihr es erfahren.«
abschuetze Macht da eigentlich einer das, was er machen soll?^^ LG von Antje |