Guten Morgen
„Empty GmbH, Sie sprechen mit Priscilla-Jane vom Wahn. Was kann ich für Sie tun?“, meldete sich die Stimme am Telefon, gefolgt von einem leisen Pusten, dass darauf schließen lies, das die Person versuchte ihre Nägel zu trocknen.
„Äh, Polizeidienstelle Mitte. Guten Tag. Wir haben hier eine Frau Heide Witzka, die behauptet Sie könnten alles aufklären“, kommt mit barschem Ton eine Stimme zurück.
„Was soll ich denn aufklären? Worum geht es überhaupt und warum ist Frau Heide Witzka denn bei ihnen?“
Kurzes Schweigen begleitet von Blätter rascheln.
„Sie wird des Ladendiebstahls bezichtigt.“ Erneutes rascheln.
„Bitte?! Sehe ich so aus als hätte ich was mit Ladendieben zu tun?“ Priscilla-Jane schiebt ihre Fingerspitzen unter das Kinn und spitzt ihre Lippen.
„Ich kann Sie nicht sehen, wir telefonieren nur!“, er fasst sich an die Stirn.
„Oh, na gut. Also ich habe braunes wallendes Haar und sehr ausdrucksstarke braune Augen. Hilft ihnen das?“
„Äh, nein! Können Sie nun zum Sachverhalt beitragen oder nicht?“ Der
Polizist sieht durch das Fenster seiner Dienststube und betätigt mehrfach seinen Kugelschreiber. Klick, klick. Staukörnchen tanzen in einem Sonnenstrahl, der es geschafft hat durch die schmierigen Scheiben zu dringen.
„Was soll sie denn gestohlen haben?“ Lange dunkle Locken kringeln sich um einen Zeigefinger, die andere Hand malt Bäumchen auf Papier. Der Geruch von frischem Kaffee breitet sich aus.
„Sie hat im Scandinavia-Möbelhaus eine Glühlampe entwendet. Können Sie dazu etwas sagen?“ Kuli klicken.
„Ah, ja, nein, dass ist doch alles ganz anders!“ Sie schwenkt eine Hand abwehrend durch die Luft.
„Und wie?“ Tock, tock, tock, der Stift schlägt auf die Schreibtischunterlage.
„Nun lassen Sie mich doch ausreden! Also, das war so. Meine Mutter hat Geburtstag und ich wollte ihr Bettwäsche schenken. Also entweder Snögg oder Knöötsch, sie wissen schon, die kuschelige.“
„Nein ich weiß nicht!“, er stützt seinen Kopf auf einer Hand ab.
Priscilla-Jane fährt sich durch die Haare und begutachtet die Haarspitzen. „Egal, jedenfalls gab es diese nicht mehr. Ich meine Snögg und Knöötsch. Da war ich sauer, weil ich nun nicht wusste was ich schenken sollte. Meine Kollegin, die Tilly, meinte dann, ich sollte es doch in
einem anderen Scandinavia-Möbelhaus versuchen. Eine riesen Idee! Die Tilly, die hat es echt drauf, meinte, ich sollte vorher online nachsehen ob Snögg und Knöötsch auf Lager sind. Unser Chef, der Herr Dr. Strittig, war nicht im Hause, deshalb habe direkt nachgesehen. Und siehe da…“
„Snögg und Knöötsch waren auf Lager“, kam es müde durch die Leitung.
„Woher wissen Sie das? Wollten Sie die auch kaufen?“, sanft fährt sie sich mit den Fingerspitzen über die Wange, „die ist ja so weich!“
„Nein, Ich wollte sie nicht kaufen! Was hat diese verdammte Wäsche nun mit der Glühbirne zu tun?“ Der Kuli landet
unsanft auf dem Schreibtisch.
„Wenn Sie mich immer wieder unterbrechen …!“ Sie rückt ihre Frisur zurecht. „Also, die Tilly meinte dann, dass wir in der Mittagspause, wir haben eine halbe Stunde Pause von halb zwölf bis halb drei, mal fix rüber fahren könnten.“ Ein inbrünstiges Stöhnen kriecht durch die Leitung. „Was wollen Sie jetzt damit sagen Herr Mitte?“, fährt sie fort indem sie ihre Fingernägel betrachtet.
„Ich heiße nicht Mitte! Ich bin von der Dienstelle Mitte! Mein Name ist Kules.“
„Huch`, Herkules“, ein Grinsen huscht über Priscilla-Janes Gesicht, lässig fächert sie sich mit einer Hand Luft zu.
„Kommen Sie jetzt zum Punkt Frau Wahn?“ Sein Ärger ist deutlich hörbar.
„Also bitte! Vom Wahn! Soviel Zeit muss sein!“ Sie klopft wie zur Untermalung auf ihren Schreibtisch.
„Von mir aus, vom Wahn!“, stöhnt er gequält.
„Na gut. Die Heide, also Heide Witzka hat das mitbekommen und hat mich gebeten ihr eine Glühlampe mitzubringen, die Lümen, Sie wissen schon. Die sind da ja so günstig. Gibts auch im Dreierpack. Na ja, kurz gesagt das habe ich getan.“
„Das wars?“ Sein Gesicht wirft Falten ungläubig schüttelt er den Kopf.
Priscilla-Jane verzieht das Gesicht
„Nein, natürlich nicht! Am nächsten Morgen kam die Heide und erklärte mir, dass das Leuchtmittel, so kann man das auch nennen, nicht passt.“
„Das ist mir bekannt.“
„Dann brauche ich ja nicht mehr weiter zu erzählen.“ Sie kräuselt ihre Lippen, sieht wieder gelangweilt auf ihre Fingernägel.
„Ich meine, das man es auch Leuchtmittel nennt!“
„Ach, Sie machen es einem aber auch schwer. Die Heide ist nämlich heute früh gleich hin um die Lümen umzutauschen, gegen Flämme.“ Sie lehnt ihren Kopf gegen ihre aufgestützte Hand.
„Aha!“, dröhnt es durch den Hörer.
„Was soll das nun heißen, Herr Kules?“
„Genau das hat Frau Witzka auch erzählt.“
Priscilla-Jane schüttelt skeptisch den Kopf. „Aber weshalb wurde sie nun festgenommen?“
„Frau Heide Witzka erklärte es wie folgt: Sie war an der Reklamationsabteilung, um das Leuchtmittel umzutauschen. Dort teilte man ihr mit, dass das nicht möglich sei. Daraufhin betrat Frau Witzka den Laden um eine passende Lampe zu kaufen.“
„Flämme?“, eifrig unterbricht sie ihn.
„Vermutlich. Jedenfalls wurde ihr angeblich bewusst, dass sie die falsche Birne nun in ihrer Handtasche trug.“
„Sie meinen Lümen, oder?“ Priscilla-Jane legt ihre Finger an die Wange.
„Von mir aus! Dem ungeachtet wollte sie den Verdacht des Diebstahls von sich lenken, daher kaufte sie auch noch eine Blume.“
„Eine Blume? Was will sie mit einer Blume. Sie weiß Gott nicht mit Blumen umgehen. Wenn die Tilly sich nicht ab und an ihrer Blumen annehmen würde … nicht auszudenken.“
„Es geht nicht um die Blume“, unterbricht Herr Mitte sie unsanft.
„Also wirklich! Wie können Sie so etwas sagen. Pflanzen leben auch.“
„Egal wie dem sei. Sie holte in einer
Ecke, in der sie sich unbeobachtet fühlte, die falsche Lampe aus ihrer Handtasche und packte diese zwischen Blume und Übertopf…“
„Lümen? Sie meinen Lümen? Oh!“
„Ja, ich meine Lümen. Da der gesamte Laden Kamera überwacht ist, wurde Frau Witzka dabei gefilmt.“, versucht her Herr Mitte den Sachverhalt klarzustellen.
„Nein, kommt die Heide nun ins Fernsehen? Was Herr Dr. Strittig wohl dazu sagt?“ Oh, oh, oh.“
Er schlägt sich mit einer Hand vor die Stirn. „Nein kein Fernsehen. Frau Witzka wurde lediglich, nachdem sie durch die Kasse gegangen ist, vom
Hausdetektiv festgehalten.“
„Entschuldigung, warum das denn nun?“
„Weil sie nur eine Glühlampe bezahlt hat. Deshalb.“
„Sie meinen Flämme! Und die Blume? Hat die Heide die Blume auch bezahlt?“
„Ja Flämme und die Blume Granta waren bezahlt.“
„Granta?! Also die Heide hat nun überhaupt keinen Geschmack. Granta ist ja nun wirklich das hässlichste Gewächs im ganzen Laden.“ Ein entsetztes Stöhnen schleicht durch die Leitung. Priscilla-Jane legt ihre Fingerkuppen gegen ihre Lippen.
„Das spielt doch nun keine Rolle. Jedenfalls ist sie jetzt hier.“
„Wer die Granta?“
„Nein, Frau Heide Witzka. Mit der Blume und dem Leuchtmittel!“
„Also Herr Kules, das muss jetzt mal gesagt werden, Sie halten mich hier von der Arbeit ab, mein Kaffee ist schon ganz kalt und das alles wegen einer lausigen Glühlampe. Hätte die Arme doch nur den Kassenzettel mitgenommen!“
Herr Kules sinkt erleichtert gegen die Rückenlehne seines Stuhles.
„Warum sagen Sie nicht gleich, dass Sie den Kassenzettel haben? Frau Heide Witzka könnte schon längst auf freien Fuß sein.“
„Entschuldigung, aber Sie sollten mal
mehr Krimis gucken. Davon können Sie noch lernen! Also, schönen Tag noch.“ Sie legt den Hörer auf, schüttelt den Kopf als müsste sie etwas los werden. Die Tür geht auf.
„Oh, guten Morgen Herr Dr. Strittig!“ , flötet sie, „wie immer, viel zu tun!“