Wir entschieden uns dafür, nach Cumnor zurückzufahren, um uns bei mir zu Hause eine geeignete Choreographie auszudenken. Toby parkte seinen silbernen Roller in unserer Einfahrt und folgte mir ins Haus. Es war seltsam ihn hinter mir die Treppe heraufgehen zu spüren. Noch nie hatte ich einen Jungen mit nach Hause gebracht. Dad hatte schon die Vermutung geäußert, ich würde später einmal als eine dieser einsamen Katzenladys enden. Aber eine Beziehung passte derzeit einfach nicht in meine Zeitplanung. Beeindruckt sah er sich in meiner
gemütlich eingerichtetem Wohfühloase um. „Wow. Das habe ich mir irgendwie anders vorgestellt“, stellte er fest, ließ sich auf dem flauschigen Teppich neben dem Sofa nieder und streckte die Beine aus. „Ach ja? Und wie?“, hakte ich neugierig nach. Er zuckte mit den Schultern „Keine Ahnung. Rosa Wände und Mädchenkram eben.“ Ich lachte. „So sah mein Zimmer vielleicht aus als ich fünf war.“ Auch er lächelte und zeigte dabei seine Zähne. „Also“, sagte ich schließlich, kramte meinen College-Block und einen Kugelschreiber aus dem Durcheinander des Schreibtisches hervor und legte mich bäuchlings auf das Sofa. Erwartungsvoll
sah ich Toby an. „Ideen?“ Eine Stunde später waren wir noch immer keinen Schritt weiter. Wir verwarfen eine Idee nach der anderen. „Das kann doch nicht so schwer sein!“, stöhnte ich genervt und rieb mir die Schläfen. „Es ist doch kein Wunder, dass uns nichts einfällt“, erwiderte Toby mürrisch. „Ich meine, dieser Druck ist der pure Kreativitätskiller.“ Er stand auf und schlenderte herüber zu meinem Schreibtisch, neben dem sich ein kleines Regal mit DVDs befand. Er zog eine nach der anderen heraus und besah sich mit einem tiefen Stirnrunzeln die Cover, von denen die meisten Tanzfilme und Musicals zeigten.
„Vielleicht können wir uns ja hier irgendwo eine Anregung holen“, sagte Toby und entschied sich für eine Hülle, die er in den Händen hielt. Er betrachtete sie genauer und grinste dann über das ganze Gesicht als er mir seine Wahl präsentierte. „Nicht dein Ernst!?“ Entgeistert starrte ich ihn an. Doch er nickte eifrig und kam auf mich zu. Es störte ihn nicht im Geringsten, dass ich mich auf der Couch ausgestreckt hatte; er hob einfach meine Beine an, ließ sich in die weichen Polster fallen und legte sie auf seinem Schoß ab. Diese Geste war so vertraut, dennoch war es mir seltsamerweise nicht unangenehm.
„Wie willst du dir bitteschön Anregungen von DIESEM Film holen?“ Er hatte sich ausgerechnet ´Shades of Grey´ ausgesucht! Ich hatte die DVD von Dads besten Freund geschenkt bekommen, weil er der Meinung war, dass ich zu wenige Männergeschichten vorzuweisen hatte und durch diesen Film vielleicht etwas offensiver wurde. Da hatte er sich getäuscht. „Das könnte echt klasse werden!“ Kurz beschrieb er mir was er sich vorstellte und besiegte mit seiner wachsenden Begeisterung schließlich sogar meine Skepsis. „Das könnte klappen“, gab ich zaghaft zu und erhob mich voller Tatendrang vom
Sofa. Schnell ging ich zur Stereoanlage und legte eine CD ein. Einen Moment später erklangen die ersten Takte des Liedes ´Earned It´ von ´The Weeknd´. Auch wenn ich den Film nicht sonderlich mochte, so wie er doch einen tollen Soundtrack vor. Ich drehte mich schwungvoll um und begann sofort meinen Körper im Rhythmus der Musik zu bewegen. Toby sah mir ein paar Sekunden lang zu, dann kam er zu mir und packte mich an der Hüfte. Er ließ seine Hände an meinem Körper herauf fahren und hob meine Arme energisch über seinen Kopf. Ich versuchte mich ihm zu entziehen, doch er packte nur fester zu und drängte
sich an mich. Ich drehte mich von ihm weg und machte einen Schritt Richtung Sofa, da schlang er seine Arme um meinen Bauch und schmiegte sich an mich. Wir folgten der Musik und gaben uns einfach nur unseren tänzerischen Instinkten hin. Ich drehte mich einmal um mich selbst. Toby nutzte dabei meinen Schwung, um mich an der Taille über seinen Kopf zu heben. Dabei musste er aufpassen, dass ich mir nicht den Kopf an der niedrigen Decke stieß. Gemeinsam glitten wir zu Boden und blieben schwer atmend nebeneinander liegen. Toby rollte sich auf die Seite und sah mich durchdringend an. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner
Stirn. „Genau so habe ich mir das vorgestellt“, strahlte er und lachte. Die Idee war, einen Tanz, gemischt aus Verlangen, Abwehr, Kontrolle und Erotik zu erschaffen und somit alle Eigenschaften des Filmes, beziehungsweise dessen Buchvorlage, zu vereinigen. Toby schlüpfte hierbei in die Rolle des kontrollsüchtigen, dominanten Christian Grey und ich in die, der schüchternen Anastasia Steel. Anfangs wehrte ich mich gegen seinen starken Willen, doch bald schon folgte ich seinen Bewegungen und gab mich seiner Führung hin. Wir waren zuversichtlich, dass dies unser Weg zu einem hervorragendem Auftritt war.
Während der nächsten Stunden brüteten wir über den passenden Tanzschritten. Es sollte harmonisch aussehen und die Zuschauer dennoch vollkommen von der Beziehung aus Dominanz und Unterwerfung überzeugen. Nachdem mein Magen ein ohrenbetäubendes Brüllen von sich gegeben hatte, beschlossen wir, den Kühlschrank zu plündern. Doch selbst als wir genüsslich in die selbstgemachten Sandwiches bissen, waren wir gedanklich beim morgigen Tag. Gerade als wir über die Auswahl unserer Outfits sprachen, kam mein Dad durch die Hintertür herein und blieb wie
angewurzelt stehen als er mich ausgerechnet mit einem Jungen zusammen am Küchentresen entdeckte. Seine Augen weiteten sich. „Hi Dad, du kennst doch Toby?“, sagte ich in einem Tonfall, der klang als wäre es das natürlichste der Welt, dass ich mit einem Jungen in der Küche saß und Sandwiches aß. Unschuldig blinzelte ich in seine Richtung. „Guten Abend Mr Hawn“, begrüßte Toby meinen Dad freundlich. „Wir üben für die nächste Runde morgen“, erklärte ich. Endlich wich der verblüffte Ausdruck aus seinem Gesicht. Er setzte sich auf den Stuhl neben mir und fragte: „Wie war es denn heute?“ Wir erzählten ihm von dem Vortanzen
und wie bereits die Hälfte der Bewerber ausgeschieden war. „Dieser Mr Kendrix scheint ein ziemlich strenger Typ zu sein“, stellte er nüchtern fest und schüttelte grimmig den Kopf. „Ich hoffe, er setzt euch nicht zu sehr unter Druck.“ Wir verneinten und plauderten noch eine Weile über unsere Ideen für morgen und andere belanglosere Dinge. Doch die Uhr an der Wand machte uns bald nur zu deutlich bewusst, dass uns die Zeit davon lief. Ein herzhaftes Gähnen kam über meine Lippen. „Okay, wir machen noch einen Durchgang und dann ist Schluss für heute.“ Auch Toby klang müde und erschöpft. Völlig außer Atem schleppten wir uns
die Treppe herunter und lehnten uns an den Türrahmen. „Das wird echt super, glaub mir! Du bist eine unglaubliche Tänzerin!“, redete Toby auf mich ein und versuchte wohl somit seine eigene Aufregung herunterzuspielen. Dennoch stieg mir wegen seines Kompliments ein Hauch Röte in die Wangen. „Also bis morgen früh. Ich komme dann gegen neun zu dir.“ Er zwinkerte mir noch einmal zu und trat dann heraus auf die Veranda. Sein Roller stand noch immer in der Einfahrt. Doch er ließ ihn links liegen und marschierte schweren Schrittes die Straße entlang. Er musste wirklich müde sein. Zum Glück wohnte er nur eine Straße weiter und
hatte es so nicht allzu weit. Ich wollte gerade die Tür schließen, da fiel mir ein ungewöhnlicher Schatten auf der anderen Straßenseite auf. Ich kniff meine Augen zusammen und schirmte sie mit der Hand vor dem Licht der Lampe über meinem Kopf ab. Der Schatten bewegte sich, wodurch es mir leichter fiel, seine Konturen zu erkennen. Es war eine Person, ein Mann, wie ich es einschätzte. Mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen stand er einfach da und sah... direkt in meine Richtung, ein spöttisches Lächeln im Gesicht. Ich schluckte. Was machte dieser Typ da? Es war nicht so, dass in Cumnor gar nichts los war sobald es dunkel wurde,
aber es war doch ein wenig merkwürdig wie er einfach nur dastand und mich anstarrte. Zumal sich nicht allzu oft fremde Leute in unsere Kleinstadt verirrten. „Willst du die Tür nicht schließen Schatz? Es ist spät, du solltest dich schlafen legen. Morgen wird ein anstrengender Tag werden“, riss mich Dad aus meiner Erstarrung. „Ja, ja. Sofort“, stammelte ich. Er gab mir einen Kuss auf die Stirn, seine Bartstoppeln kratzten über meine Haut, wünschte mir eine gute Nacht und verschwand in seinem Schlafzimmer. Verunsichert drehte ich mich noch einmal in die Richtung des Schattens, doch zu meiner großen Verwunderung war er
verschwunden. Ich trat einen Schritt aus dem Haus in die kühle Nachtluft und ließ meinen Blick die Straße herauf und herunter schweifen, doch von dem fremden Mann war keine Spur zu sehen. Ich schüttelte den Kopf und befolgte den Rat meines Vaters. Morgen war wirklich ein großer Tag und ich sollte mich unbedingt ein paar Stunden ausruhen, um morgen bereit und bei Kräften zu sein. Ich hatte eine sehr unruhige Nacht. Es dauerte lange bis ich endlich einschlief und dann wurde ich von quälenden Alpträumen geplagt. Schweißgebadet wachte ich in den frühen Morgenstunden auf und fühlte mich wie gerädert. Müde
schleppte ich mich ins Badezimmer und sah in den Spiegel. Was ich dort sah, erschreckte mich. Meine sonst so seidig glänzenden braunen Haare klebten mir am Kopf und fielen mir strähnig in die Stirn. Die gespenstig weiße Haut ließ mich krank aussehen und meine Augen schwammen in einem trüben Grau dahin. Ich versuchte mein Spiegelbild anzulächeln, was dabei heraus kam, war jedoch nur eine erschreckend aussehende Grimasse. Nach einer langen und ausgiebigen Dusche entwirrte ich das Vogelnest auf meinem Kopf, das sich Haare schimpfte und föhnte sie halbwegs trocken. Ein Glanzspray tat den Rest, damit es wieder
einigermaßen normal aussah. Meine blasse Haut versteckte ich unter einer dünnen Schicht Tönungscreme, die mir ein wenig Farbe auf die Wangen zauberte und mich gleich gesünder wirken ließ. Weiterhin legte ich mir ein dezentes aber dennoch verführerisches Make-Up auf, das mich meiner späteren Rolle gerecht werden ließ. Zufrieden mit meinem Aussehen – ich hatte es geschafft, mich von einer wandelnden Leiche zu einer verführerischen Tänzerin zu verwandeln – stieg ich die Treppen herunter und wäre beinahe die letzten Stufen hinuntergefallen als sich ein stechender Schmerz erbarmungslos durch meinen Kopf fraß. Ich taumelte und stützte mich
gerade noch so am Geländer ab; die andere Hand presste ich mir an die Stirn. „Was zu Hölle!?“, murmelte ich vor mich hin und ließ mich ausgelaugt auf einen Stuhl in der Küche sinken. Noch nie in meinem Leben hatte ich den leisesten Anflug von Kopfschmerzen verspürt und nun traf es mich mit solch einer Wucht, dass es mir wortwörtlich den Boden unter den Füßen wegriss! Jetzt konnte ich nur zu deutlich nachvollziehen, warum Menschen, die an Migräne litten, sich so verhielten wie sie es eben taten. Ich hatte auch gut Lust, mich sofort wieder ins Bett zu legen, die Decke über den Kopf zu ziehen und zu warten bis es vorbei war. Doch das war
ausgeschlossen! Das Vortanzen sollte in nicht einmal mehr zwei Stunden stattfinden. Ich durfte mir das nicht kaputtmachen lassen! Also zwang ich mich eine Tasse des Tees zu trinken, den Dad mir auf die Arbeitsplatte gestellt hatte und würgte ein Marmeladentoast herunter. Als es klingelte, trug ich mich stöhnend in den Flur und öffnete die Tür. Vor mir stand Toby und strahlte mich an. Doch sein Grinsen verblasste augenblicklich als er mich ansah. „Ach du meine Güte! Du siehst schrecklich aus!“, stellte er fest und trat neben mich ins Haus. „Dir auch einen guten Morgen“, brummte ich und folgte ihm ins Wohnzimmer, wo er nach meiner
gepackten Sporttasche griff. „Hast du die Nacht durchgemacht? So siehst du nämlich aus.“ Besorgt musterte er mich. „Es geht schon, ich habe schlecht geschlafen und Kopfschmerzen. Lass uns unterwegs an einer Apotheke vorbei fahren.“ Wir gingen zum Auto – ich überließ Toby das Steuer – und machten uns auf den Weg nach Oxford. Bevor wir Cumnor verließen, hielten wir noch kurz an der einzigen Apotheke der Stadt, wo ich mir die stärksten Schmerztabletten geben ließ, die man ohne Rezept erhalten konnte. Auf der Verpackung stand, dass die Wirkung super schnell einsetzen würde. Na hoffentlich! Ich schluckte gleich zwei Tabletten auf einmal, sicher
war sicher. In der RDA angekommen, vergewisserten wir uns an der Hinweistafel, dass sich der Plan nicht geändert hatte. Wir schlenderten zum Saal E2 und zogen uns in die jeweiligen Umkleideräume zurück. Ich schlüpfte in das Outfit, das Toby und ich ausgewählt hatten: enganliegende Pantys, die etwa eine handbreit unter meinem Po endeten und ein Top, beides in schwarz, das mir nur bis knapp über die Brust reichte und somit den größten Teil meines Bauches freiließ. Der Ausschnitt war hochgeschlossen, bis zum Brustansatz jedoch durchscheinend, was mich verführerisch und irgendwie verrucht aussehen ließ. Vor dem Spiegel
zog ich hier und da noch eine Strähne meiner Lockenmähne zurecht und legte dunkelroten Lippenstift auf, der meine vollen Lippen sinnlich und einladend hervorhob. Bevor ich den Umkleideraum zusammen mit den anderen verließ, schluckte ich zur Sicherheit noch eine Tablette. Der Schmerz hatte sich zwar beinahe vollständig verflüchtigt, aber ich brauchte während meines Auftritts unbedingt einen klaren Kopf. Zusammen mit den anderen dreiundzwanzig Bewerberinnen trat ich zurück auf den breiten Gang. Die große Flügeltür, die zu E2 führte, stand offen. Leise Musik drang daraus hervor und
umspielte uns mit ihren sanften Klängen. Dunkelheit umfing uns als wir den Saal betraten. Es war kein gewöhnliches Tanzstudio, wie das, in dem das gestrige Vortanzen stattgefunden hatte. Dieser Raum war um einiges größer und glich eher einem kleinen Theatersaal. Gegenüber der Eingangstür befand sich eine Bühne, vor der sich gemütlich aussehende Polstersessel aneinanderreihten und hunderten Zuschauern Platz bot. Das Licht war ausgeschaltet, lediglich Strahler, die auf die Bühne gerichtet waren, sowie kleine Lämpchen, die links und rechts des Weges leuchteten, erhellten den Saal. Ehrfürchtig schritten wir den Gang
entlang. Die männlichen Tänzer gesellten sich zu uns. Sofort war Toby an meiner Seite und lächelte mir aufmunternd zu. Vor dem Graben, in dem bei Auftritten das Orchester sitzen musste, blieben wir stehen. Eine erdrückende Stille breitete sich aus. Ein Räuspern neben uns ließ mich zusammenzucken. Mr Kendrix und seine beiden Assistentinnen saßen mit Kugelschreibern und Klemmbrettern bewaffnet, in den flauschigen Sesseln. „Carrie, wir können anfangen“, sagte Mr Kendrix an eine der Frauen neben sich gewandt. Diese erhob sich und wies mit einer ausladenden Handbewegung auf die
Sitzreihen, hinter sich. Nachdem wir alle saßen, sagte sie in angenehm melodischer Stimme: „Meine Damen und Herren, willkommen zur zweiten Runde. Wie Sie wissen, treten sie in Paaren gemeinsam auf. Die Choreographie, die wir gleich von Ihnen sehen werden, haben Sie selbstständig entworfen. Plagiate akzeptieren wir hier nicht! Wir wollen sehen, was Sie in kürzester Zeit auf die Beine stellen können. Wir wissen, dass dies keine einfache Aufgabe ist und wir verlangen auch heute keine Perfektion von Ihnen. Wenn sie perfekt wären, bräuchten Sie diese Ausbildung nicht.“ Sie machte eine kurze Pause. „Jedes Paar hat exakt zwei
Minuten.“ Mit diesen Worten setzte sie sich wieder. Die andere Brünette hob ihr Klemmbrett und sagte laut und deutlich: „Avis Dane und Ariana Dane“ Die beiden Blondinen, die gestern in der selben Reihe wie ich gestanden hatten, erhoben sich und stiegen die wenigen Stufen zur Bühne herauf. Beide hatten den Familiennamen Dane, was meine Vermutung bestärkte, dass sie Schwestern sein mussten. Sie trugen beinahe identische hauchdünne Kleider. In ihren aufwendigen Flechtfrisuren steckten rote und weiße Rosenblüten, die sich auch in ihrem Schmuck wiederfanden. Sie setzten sich mit den Gesichtern zueinander
gewandt gegenüber auf den dunklen Fußboden, zogen die Beine an die Brust und vergruben ihre Köpfe in den Armbeugen. Nach einem Moment der völligen Stille schallte Leona Lewis´ Stimme zu dem Lied `Footprints in the Sand´ aus einem versteckten Lautsprecher. Vollkommen synchron hoben Ariana und Avis ihre Köpfe, gefolgt von ihren Armen. Sie streckten ihre Beine durch und kamen mit einer fließenden Bewegung auf die Füße, um gleich darauf ein Rad aufeinander zu zu schlagen. In der Mitte trafen sie sich und ließen sich rückwärts in eine perfekte Brücke gleiten. Sie verzauberten uns mit ihren
anmutigen und feenhaften Bewegungen. Nach genau zwei Minuten war ihr Auftritt vorbei und alle Zuschauer klatschten wild in die Hände. Alle, bis auf die drei Juroren. Die kritzelten nun wild auf ihren Klemmbrettern herum. Avis und Ariana verbeugten sich mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Dann kamen sie zurück in den Zuschauerbereich und ließen sich erschöpft in ihre Sessel fallen. Ohne ein weiteres Wort über diese herausragende Vorstellung zu verlieren, rief Ms Stewart die Namen „Penelope Symon und Linus Carter Danford“ auf. Die beiden schwebten förmlich auf die Bühne und legten einen grandiosen
Auftritt hin. Nach ihnen kamen „Peter Hyde und Joan Kate Elward“ an die Reihe. Nach diesen beiden ersten Vorstellungen war es fast schon ein Graus, Peter und Joan zuzusehen. Ihre Schritte wirkten nicht aufeinander abgestimmt und wenig kreativ. Ich sah, wie Mr Kendrix leicht den Kopf schüttelte und mit ausladenden Handbewegungen Symbole auf sein Klemmbrett zeichnete, die verdächtig nach dicken Kreuzen aussahen. Das bedeutete wohl, dass ich Joan und Peter nach diesem Tag nicht wieder sehen würde. Das nächste Paar, das aus zwei Frauen bestand, deren Namen ich mir nicht merken konnte, war mehr als
beeindruckend. Doch bei „Daniel Wilson und Eve Wexley“ hatte ich ein leichtes Déja-vú – Erlebnis. Zum Lied ´Thinking out Loud´ von Ed Sheran zeigten sie uns eine bezaubernde Liebesgeschichte, die sehr an den Tanz aus dem bekannten Musikvideo erinnerte. Selbst Eves Kleid sah dem aus dem Video erstaunlich ähnlich. Im Gedanken verabschiedete ich mich also auch schon einmal von Eve und Daniel. Eigene Ideen. Kein Nachahmen! „Mirika Clare Hawn und Toby Flynt“, hörte ich eine sanfte Stimme plötzlich sagen. Augenblicklich spannten sich alle Muskeln in meinem Körper an. Kalter Schweiß sammelte sich in meinem
Nacken. Meine Hände zitterten. Nur keine Panik! Das ist nicht dein erster Auftritt vor Publikum. Aber der erste, von dem meine Zukunft abhängt. Toby bemerkte meine Nervosität und legte mir beruhigend seine Hand auf den Rücken. So führte er mich fort von unseren sicheren Plätzen, vor die Augen der kritischen Zuschauer. In die Höhle der Löwen. Ich gab die CD, die ich fest mit meinen Fingern umklammerte, einem in schwarz gekleideten Assistenten und atmete kontrolliert tief ein und aus. Es war ja nicht so, dass ich noch nie vor Publikum aufgetreten war. Ganz im Gegenteil. Aber das hier war etwas ganz anderes.
Erlaubte ich mir auch nur einen kleinen Fehler, könnte dies das Ende meines Traumes bedeuten. Ich hob meinen Kopf und blickte in die Menge. Durch das gedämpfte Licht konnte ich jedoch kaum etwas erkennen. Die Scheinwerfer blendeten mich, sodass ich hektisch blinzelte und den Blick abwendete. „Clare Hawn“, hörte ich nun die Stimme von Mr Kendrix sagen. Er klang nachdenklich und rutschte in seinem Sessel ein Stück nach vorn. Neugierig musterte er mich. Wieder musste ich heftig schlucken. Es war seltsam, dass er mich direkt ansprach, überließ er das Reden anscheinend lieber seinen beiden
Assistentinnen. Keinen der anderen Bewerber hatte er direkt angesprochen. „Mira“, verbesserte ich ihn mit zitternder Stimme. Ich ahnte was jetzt kommen würde und am liebsten hätte ich ihm den Mund verboten. Doch es brachte ja doch nichts; die anderen würden es sowieso erfahren. Also sagte ich betont beiläufig: „Clare Hawn war meine Mutter.“ Ich zuckte mit den Schultern und hoffte, dass er es dabei bewenden ließ. Doch natürlich erwies er mir diesen Gefallen nicht. „Ihre Mutter war eine begnadete Tänzerin. Ein Jammer, dass sie sich aus der Öffentlichkeit zurückzog als sie schwanger wurde.“ Ein leiser Vorwurf
klang in seiner Stimme mit. Es hörte sich an, als gäbe er mir die Schuld daran, dass die Welt eine spitzen Ballerina wie meine Mutter es gewesen war, verloren hatte. Es tut mir leid, aber ich konnte mir ja schlecht aussuchen, wann ich durch wen zur Welt gebracht wurde!, dachte ich säuerlich und presste die Lippen aufeinander. „Wir sind damals oft als Paar zusammen aufgetreten“, fügte er träumerisch hinzu und machte mich sprachlos. Meine Mum hatte Kylan Kendrix gekannt und war sogar seine Tanzpartnerin gewesen? Warum hatte sie mir das nie erzählt? „Ich habe schon ewig nichts mehr von Clare gehört. Sie scheint seit ein paar
Jahren, wie vom Erdboden verschluckt. Wie geht es ihr?“, wollte er nun wissen. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und senkte den Blick. „Sie ist tot“, sagte ich einfach und beendete diese öffentliche Zurschaustellung meiner Schwächen, indem ich mich von ihm weg zu Toby drehte, der mich mitfühlend ansah. Nun war unserer Zeit gekommen. Ich musste das gerade Geschehene hinter mir lassen und mich auf die nächsten zwei Minuten konzentrieren. Mir durfte einfach kein Fehler unterlaufen; das war ich Toby, meinen Eltern und auch mir selbst schuldig! Ich nahm meine Position Toby gegenüber ein. Doch bevor unsere Show losgehen
konnte, schlüpfte er aus dem schwarzen Hemd, das er trug und reichte es mir. Ich streifte mir den Stoff über, der nach Toby roch und warm von seinem Körper war. Die Arme krempelte ich bis zum Ellenbogen hoch. Nun stand mir mein Tanzpartner nur noch in seiner schwarzen Hose, die ihm locker auf den Hüften saß, gegenüber. Um den Hals baumelte die silberfarbene Krawatte, die der von Christian Grey gar nicht so unähnlich war. Kurz ließ ich meinen Blick über Tobys Körper gleiten. Durch das viele Training, das er neben dem Tanzen absolvierte, hatte er eine sportliche Figur. Er war dünn, aber nicht mager. Seine breiten
Schultern drückten Stärke aus. Seine Muskeln zeichneten sich deutlich auf seiner Brust ab und deuteten ein leichtes Six-Pack an. Noch nie zuvor hatte ich Toby oben ohne gesehen, aber ich war definitiv nicht abgeneigt ihn auch später noch einmal ansehen, oder vielmehr anstarren zu können. Den weiblichen Zuschauern unter uns schien es ähnlich zu gehen. Schmachtende Blicke verfolgten jede seiner Bewegungen, entzückte Seufzer waren zu hören. Ich riss mich zusammen und sah in Tobys strahlend blaue Augen. Er zwinkerte mir neckisch zu und verzog seine Lippen zu einem halben Grinsen. Dann setzte die Musik ein und wir
schlüpften in unsere Rollen. Verführerisch strich ich das Hemd, beiseite und streichelte über meine nackten Oberschenkel, dabei warf ich Toby einen scheuen Blick zu. Er kam auf mich zu und zog mich mit dem Rücken an seine Brust. Dann strich er mit seiner Hand über meine Wange und beugte meinen Kopf in seine Richtung, so als hätte er die Absicht mich zu küssen. Ich drehte meinen Kopf zur Seite, woraufhin er seine Hände an meine Taille legte. Ich hob erst den einen dann auch den anderen Arm über meinen Kopf, doch sofort riss Toby sie wieder herunter. Meine linke Hand führte er in einer schnellen Bewegung über unsere Köpfe
hinweg, sodass ich gezwungen war, mich ihm entgegen zu drehen. Nun standen wir dicht an dicht aneinander und sahen uns tief in die Augen. Ich konnte jede einzelne seiner Wimpern erkennen. Er schlang seinen Arm um meinen Körper. Automatisch legte ich meine Hand auf seiner Schulter ab, um mich an ihm festzuhalten, als er mich auch schon nach hinten drückte und unsere Hüften im Takt der Musik aneinander rieben. Quälend langsam hob er meinen Oberkörper wieder in die Höhe und drehte mich wieder so, dass ich mit meinem Rücken an seiner harten Brust lehnte. Ich griff mit meiner Hand nach hinten in
seinen Nacken, aber wieder packte er sie und schob sie in verführerischen Bewegungen, an unsere Körper gepresst, nach unten. Auf meiner Hüfte angekommen, legte er seine Hand beschützend über meine und zwang mich, mein Becken kreisen zu lassen. Und im nächsten Moment verlor ich den Boden unter meinen Füßen. Toby packte meinen Körper und hob ihn mit einer Leichtigkeit über seinen Kopf, die mich verblüffte. Schnell spannte ich jede Faser in meinem Inneren an, drückte meinen Rücken zu einem Hohlkreuz durch und winkelte eines meiner Beine an. Die Luft um uns herum schien wie elektrisch aufgeladen.
Ich gab mich völlig Tobys Führung hin und tauchte mit ihm ein, in eine Welt der Sinnlichkeit, die mir den Kopf schwirren ließ. Es kam mir vor, als befänden wir uns allein in diesem großen Saal, die Zuschauer, die jeden unserer Schritte verfolgten, nahm ich überhaupt nicht mehr war. Erst als unsere zwei Minuten, die mir viel zu kurz vorkamen, vorbei und der letzte Ton des Liedes verklungen war, der Applaus unter uns einsetzte und sogar ohrenbetäubende Pfiffe zu hören waren, kam ich zurück in diese Welt. Schwer atmend schnappte ich nach Luft und klammerte mich an Toby, der mich
Gott sei dank stütze. Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding und mein Herz raste in solch einer rapiden Geschwindigkeit, dass ich befürchtete, es würde mir jede Sekunde aus der Brust springen. Der Gefühlsrauch, der mich durchflutete, war atemberaubend. So mussten sich Leute fühlen, die Drogen nahmen. Doch das hier war so, so viel besser! Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und folgte Toby mit zittrigen Schritten von der Bühne. Als ich an Mr Kendrix vorbei lief, sah ich, dass er zufrieden nickte und sogar ein kleines Lächeln seine Mundwinkel anhob. Mein Blick wanderte über die anderen Tänzer,
die uns bewundernd aber auch abschätzig oder neidvoll ansahen. Etwas an der großen Flügeltür erregte meine Aufmerksamkeit. Ich kniff die Augen zusammen, um in der Dunkelheit besser sehen zu können und erstarrte, als ich eine Gestalt in den Schatten ausmachen konnte. Es war der Mann, den ich auch letzte Nacht vor meinem Haus gesehen hatte! Mir stockte der Atem. Das konnte doch nicht sein! Okay okay, beruhige dich Mira, redete ich gedanklich beruhigend auf mich ein. Es ist unmöglich, dass dies ein und die selbe Person ist! Doch ein Gefühl tief in mir drin sagte mir, dass dem so war. Ich erkannte die gleiche Haltung, wie er die
Hände in den Taschen vergrub, den Kopf schief legte als er meinen Blick bemerkte und anzüglich die Lippen verzog. Völlig durcheinander blieb ich stehen, sodass Toby geradewegs in mich hineinlief. „Was ist?“, flüsterte er ein wenig verärgert und sah mich auffordernd an. Schnell setzte ich mich und sah mich noch einmal zu dem Mann an der Tür um, doch genau wie letzte Nacht, war er verschwunden.
LilaLilime danke es freut mich sehr dass meine Beschreibungen auch einer echten Tänzerin gefallen :) LG von Andrea |
abschuetze Wie schnell nist du eigentlich? ----Lach---- Morgen lese ich weiter :)) |
LilaLilime das schreibt sich diesmal fast von allein :D Viel Spaß beim Lesen, in den nächsten Tagen folgen weitere Kapitel :) |