Diät
Mein Bauchumfang
stand in keinem kausalen Zusammenhang
zu einer akzeptablen Körperform.
Diät wäre gut.
So jedenfalls erzählten es
die Frauen meiner Freunde.
Eiweiß
Eiweiß
Eiweiß
Keine Kohlenhydrate.
Das war die einhellige Meinung
des Mobs,
der kurz vor meiner Lynchung stand.
Ich beugte mich der Masse,
eingeschüchtert und
reumutig.
Ich die wabbelige Sau.
Ich der adipöse Abschaum unseres
Freundeskreises.
Nie vorher war es mir bewusst.
Ich war so unglaublich fett.
Unansehlich,
unappetitlich,
unakzeptierbar häßlich.
Die Frauen redeten sich
in eine Art Diät-Trance.
So wie die Voodoo-Tänzerinnen
aus den einschlägigen Filmen.
Selbst meine Frau stimmte in den Chor
der Kohlehydratcholeriker mit ein.
Aber ich war willig.
bereit dem Volk sein Recht einzugestehen.
Ich war entschlossen ein vollwertiges
Mitglied der schmalspurgesellschaft zu werden.
Morgens aß ich ein Ei.
Ich meine EIN Ei.
Mittags ein kleines Putenschnitzel.
ich fragte meine Frau was es dabei geben würde.
Sie antwortete kurz: NICHTS.
Und dabeisah sie mich an,
als sei ich ihr zehn Jahre fremdgegangen.
Nachmittags aß ich nichts
und abend Thunfisch.
Aus der Dose mit
- genau - nichts dabei.
Es war trocken im Mund.
Ich spülte es runter mit grünem Tee.
Der sollte übrigens die Diät unterstützen.
Widerlich,
unbefriedigend,
ungesüßt,
unbrauchbar.
Am nächsten Tag ging ich auf die Waage
und stellte eine rapide verschlankung fest.
500 Gramm weniger.
500 Gramm näher an gesellschaftlicher Akzeptanz,
500 Gramm näher an der nächsten Liebesnacht.
500 Gramm näher am Tod.
Dann aß ich ein Ei.
Ein Putenschnitzel,
Thunfisch. Grünen Tee dabei.
Obst?
Nein, in den ersten Tagen kein Obst.
Wann dann?
Später erst, wenn der Körper
umgestellt ist.
Salat?
Nein, in den ersten Tagen keinen Salat.
Ein Bier vielleicht?
Ein Stückchen irgendwas?
Vielleicht was mit geschmack?
Nein....NICHTS.
Willst du weiter SO aussehen,
fragte meine Frau?
Ich antwortete nicht.
Acht Tage später hatte ich vier Kilo
weniger, sah exakt so aus wie vorher
und beschloß meinen Erfog mit einer Pizza zu feiern.
Salami, Schinken, Zwiebeln,
doppelt Käse.
Als sich die bestellung aufgeben wollte,
kappte meine Frau die Internetverbindung.
Mach jetzt nicht alles kaputt.
Mach Sport.
Fahr Fahrrad,
geh spazieren.
Aber KEINE Pizza.
Weitere acht Tage später
bekam ich einen Paprikasalat.
Ich hasse Paprika,
aber ich entriss ihr die Salatschüssel,
rannte damit in den Keller,
schloss mich ein
und zelebrierte diesen Salat.
Kleine Stücke.
Ich ließ sie im Mund zergehen.
Ein Genuß,
der mir Jahrzehnte verborgen blieb.
In einer Ecke entdeckte ich einen Spiegel,
in dem ich mich sehen konnte.
Ich beobachtete mich ein paar Minuten.
Intensiv und apathisch.
Dann wurde es mir klar.
Erst nur ein bisschen,
dann immer mehr.
Ich sah mir konzentzriert
beim Kauen zu,
war fasziniert von der Bewegung meiner Kiefer.
Dann öffnete ich langsam
- ganz langsam -
meinen Mund und ließ die letzte
Paprika liebevoll zurück
in die Schale gleiten.
ich nahm mein Handy und wählte
die Nummer.
Wie Musik rauschte am anderen Ende
der Leitung diese liebliche Stimme
aus dem Hörer:
Pizzeria Milano....sie wünschen?
Ich gab meine Bestellung auf
und entschied mich gegen den Hungertod.