kapitel 5 1|4
Im Schneidersitz saß ich neben dem Mann, von dem man glaubte, dass er tot sein könnte, wenn man nicht auf seiner Brust regelmäßige Atembewegungen feststellen würde. Auf seinem Hals hatte sich ein roter länglicher Abdruck gebildet, genau an der Stelle, wo ich ihn vor etwa einer halben Stunde gewürgt hatte. Falior sah, während dem Schlafen ziemlich friedlich aus.
Vor einigen Minuten war ich schon von meinen Vorbereitungen zurück gekehrt und wartete nur noch darauf, dass der männliche Valdir aufwachte, um endlich weiter zu gehen.
Der Wind hatte inzwischen angefangen zu wehen. Da langsam die Nacht hereinbrach und
Zarisma in einen schwarzen Nebel eintauchte, mussten wir uns ein Nachtquartier suchen, um nicht in dem dichten grauen Schleier verloren zu gehen.
Dieses Dämmerungsverfahren war typisch für Zarisma. Doch schon früh hatten wir damit gelernt umzugehen. Nicht von irgendwo kam es her, dass unsere Fraktion eine Kämpfernatur war. Mit so manchen Gefahren mussten sich die Bewohner dieses Landesteil auseinander setzen. Sei es durch Wetter- und Machteinflüsse.
In Zarisma konnte man nur überleben, wenn man kämpfte.
Langsam öffnete Falior die Augen und sobald er bemerkte, dass er sich auf dem Boden liegend befand, schaltete sein
Schutzmechanismus ein und er war hell wach und gleichzeitig auch wieder auf den Beinen.
„Was ist passiert?“, fragte er aufgeregt und blickte sich fragend um.
Ich musste ein Lachen verkneifen, da er anscheinend vor dem Kampf so in den Blutrausch gesegelt war, dass er nicht mehr wusste, was er überhaupt gemacht hatte. Noch bequem am Boden sitzend, strich ich mir die Haare aus dem Gesicht, die der Wind aus meinem Zopf gelöst haben musste.
„Ich würde sagen, wir haben geklärt, wer hier der mächtigere Valdir von uns beiden ist“, erklärte ich Falior und sah ihm direkt in die Augen.
Seine Mundwinkel fielen automatisch nach unten und seine Augenbrauen zogen sich zu
einer geraden Linie zusammen. Dennoch sagte er dazu kein Wort, sondern hielt mir nur hilfsbereit seine Hand entgegen.
Hatte ich gewonnen?
Waren diese Streitereien, wer jetzt wem folgt vorbei und er gehorchte jetzt mir?
Mit fragwürdigem Blick sah ich ihn an und war keinesfalls bereit seine Hilfe anzunehmen. Da war doch was faul an der Sache.
„Stehst du jetzt auf oder nicht?“, wollte er nun von mir wissen.
„Ich steh schon auf, jedoch ganz ohne deine Hilfe!“, blaffte ich in seine Richtung.
Während er heftig seinen Kopf schüttelte, da er meine plötzliche Aggression nicht verstehen konnte, richtete ich mich wieder auf und war bereit die nächsten Schritte
einzuleiten.
Falior hob sein Schwert auf, das sich noch immer mitten am Boden des Weges befand und steckte es wieder in den Halft zurück.
„Was nun?“, stellte er mir nun die Frage und ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass etwas nicht in Ordnung war.
Er sah mich als Anführer dieser Gruppe, obwohl ein Valdir das niemals vor einem anderen Valdir tun würde. Skeptisch schaute ich ihn an.
„Was ist mit dir am Boden passiert?“
Der Blondhaarige tat so, als ob er mich gar nicht gehört hatte, drehte sich zu dem Weg hin und ging los.
„Du wolltest doch vorhin diesen Weg gehen oder? Dann los!“, bemerkte er nochmals und
nickte mir auffordernd zu.
Ich wurde das komische Gefühl nicht los, dass an der Sache irgendetwas nicht stimmte. War in der zwischen Zeit als ich weg war etwas anderes im Gange gewesen? Trotzdem folgte ich ihm ohne zu Meckern, behielt ihn aber aufmerksam im Auge.
Der Weg führte in einen kleinen Wald. Es gab nicht viele Wälder in Zarisma, die meiste Landschaft bestand aus Äckern und Felder, auf denen fast ununterbrochen die Bewohner ihrer Arbeit nachgingen.
„Wir müssen uns ein Nachtquartier suchen“, war Faliors Einfall.
„Hast du sie noch alle?“ fragte ich den Mann, „Was für ein Valdir bist du, der in der Nacht schläft und am Tag seine Missionen
erfüllt?“
„Aber der Nebel?“
„Das ist meine ehemalige Heimat. Ich bin hier aufgewachsen. Ich weiß wie ich damit umzugehen habe.“
„Aber ich nicht“, hörte ich ihn nur leise flüstern.
Wir gingen den Weg, den ich gehen wollte, direkt in das kleine Wäldchen hinein. Früher war ich dort immer mit meiner kleinen Schwester hingegangen, wenn wir uns von daheim verstecken wollten, den Nahkampf trainierten oder einfach alleine sein wollten. Der Nebel wurde immer lichter, je dichter die Bäume standen, jedoch machte die Dunkelheit das schnelle Vorankommen schwieriger.
„Was willst du hier? Ist das ein Geheimweg?“, wollte Falior von mir wissen, der sich sichtlich
schwer tat mir so schnell zu folgen und skeptisch, da er keinen Plan von meinem Plan hatte.
„Früher ist Jelia immer zu Mitternacht raus gegangen, da sie sich beweisen wollte. Wir haben einen kleinen Unterschlupf gebaut, wo wir immer gemeinsam trainierten“, erzählte ich dem Valdir.
„Wieso bist du dir so sicher, dass sie heute Abend da sein wird?“, fragte mich Falior.
„Bin ich nicht, aber ein Versuch ist es wert und ich weiß, dass niemand es wissen wird, wenn sie wirklich hier heraußen ist“, beantwortete ich seine Frage.
Ich verlangsamte meinen Schritt, weil es jetzt auch für mich schwieriger wurde durch die Schwärze der Nacht zu sehen. Falior tat es mir
gleich. Nur noch einige Meter waren wir von unserem Ziel entfernt. Mit einer Handbewegung, die er nur sehr schwer erblicken konnte, forderte ich ihn auf stehen zu bleiben. Ich hörte etwas und es war nicht das Rauschen vom Wind, der durch die Blätter der hochstehenden Bäume wehte. Ich schaltete sofort in den Valdirmodus um und passte noch mehr auf meine Bewegungen auf. Langsam setzte ich mich auf den Boden des Waldes, legte meine Hände auf, die vom Nebel etwas feuchte Erde, und konnte wahrnehmen, wo sich die Person befand, die die Stille trübte. Ihren Bewegungen zu folge war es ganz sicher meine Schwester. Ich wusste, dass sie bei jedem Schlag einen kleinen Schritt nach vorne machte und das spürte ich gerade.
Falior bückte sich zu mir herab, um besser sehen zu können, was ich in dem Moment vor hatte. Mir war klar, dass Jelia während dem Trainieren nicht sonderlich auf die Umgebung Acht gab, da sie wusste, dass niemand diesen Ort kannte, außer ich und sie. Das war der perfekte Ort für mein Verbrechen. Hier würde es jetzt also passieren. Hier an unserem Zufluchtsort würde ich meine kleine Schwester töten.