Varro ärgerte sich über diesen selbstverliebtes Arschloch von einem Edelmann. Viel mehr ärgerte er sich über sich selbst, da er ihn nicht schon früher loswerden wollte. Was hat ihn nur getrieben diesen Mistkerl bei sich zu behalten? Klar, er hat die ein oder andere Tür geöffnet, aber das hätte er früher oder später selbst geschafft. Dieser Taugenichts war für ihn mehr ein Klotz ab Bein, als eine echte Hilfe. Er ärgerte sich so sehr über seine Lage, dass er nicht mehr wahrnahm, wohin der Weg ihn führte. Mal hatte er dort abgebogen, mal hier lang gegangen. Und
am Ende fand er sich an einer Lichtung wieder, in dessen Zentrum ein gewaltiger Baum mit rubinroten Krone stand. Als Varro seine finsteren Gedanken verscheucht hatte, wunderte er sich, dass er hierher gefunden hatte. Seine Aufgabe war es einen Anhänger mit rubinrotem Stein zu finden. Wenn die Blätter kein klares Zeichen waren... Bei näherer Betrachtung des Baumes entdeckte Varro ein Schild mit der Aufschrift: Suche und Finde Gebe Acht, wem du
vertraust Was zur Hölle sollte der Spruch? Hatte sich der Schreiber einen Scherz erlaubt? Den Sinn des ersten Satzes konnte er an sich selbst übertragen. Er suchte ja dieses Schmuckstück. Aber hatten der zweite Teil was mit dieser Suche oder dem Schmuckstück zu tun? Das konnte er beim besten Willen nicht sagen. Vorerst zumindest. Raschelnde Zweige brachten ihn aus den Gedanken. Schnell griff er nach seinem Schwert und zog die Klinge heraus. Auf leisen Sohlen näherte er sich der Geräuschquelle, um den Verursacher zu erwischen, eher der ihn erwischen
konnte. Eine dickliche, bärtige Gestallt trat empor und beinahe hätte er Azad die Kehle durchschnitten. »Holla, Varro, damit kannst du jemanden weh tun«, erhob sein Freund die Hände in die Luft. Entschuldigend liess Varro die Klinge hinabsinken. Sein Herz klopfte nach wie vor. »Hast du schon was gefunden?« »Nur ein verdammtes Schild mit einem Reim, dass sich nicht reimt«, führte Varro seinen Weggefährten zu seinem Fund. Auch Azad konnte nichts dazu einfallen: »Vielleicht ist das eine
Warnung.« »Undeutlicher kann eine Warnung nicht sein, oder?« Ein erneutes Rascheln erweckte Varro’s Aufmerksamkeit. Abermals griff er nach seinem Schwert, überdachte dies aber, da Resnec noch nicht aufgetaucht war. Da er nicht den selben Fehler machen wollte, wie bei Azad, lies er sein Schwert in der Scheide. Genau dies war der Fehler, wie es sich herausstellte. Dort, wo das Rascheln herkam, tauchte ein grosses, morsches Baummonster auf. Im Stamm ragten Löcher, die wohl Augen und Mund darstellen sollten. Die Arme waren im wahrsten Sinne so dick wie Baumstämme und mündeten in
knochige Äste. Dort, wo sich die Baumkrone befinden sollten, hingen vereinzelt vertrocknete Blätter. Ein tiefes, vor Schmerz erfülltes Stöhnen entwich aus dem Maul des Ungeheuers. »Was zur Hölle...?«, stiess Varro lauthals von sich, als er die Waffe zog und zurücktaumelte. Azad, dessen weit aufgerissenen Augen nichts als Panik verrieten, zog ebenfalls seine Axt. »Ruhig Blut, Azad. Mit Angst können wir es nicht bezwingen«, hatte sich Varro wieder gefasst und sprintete sogleich auf das Ungeheuer von einem Baum los. Mit einem Wisch versuchte das
Baummonster ihn wegzuschlagen. Varro konnte sich unter den mächtigen Hieb tauchen. Schwerfällig drehte sich das Monstrum um und versuchte seinen kleinen Gegner zu packen. Mit einem Schwung trennte Varro die Spitze eines Astes weg und etwas, was nach einem Schmerzensschrei anhörte, drang aus dem Inneren des Baummonsters. Azad kam hinter diesem angerannt und vergrub das Blatt seiner Axt tief in das Holz seines Beines. Der Schmerzensschrei wurde qualvoller und wurde zu einem Wutschrei. Mit geballten Fäusten schlug das Baummonster nach den beiden. Die Bewegungen waren schwerfällig zu zäh.
Varro und Azad konnten den Schlägen ausweichen und gingen sogleich zum Gegenschlag über. Mit voller Kraft versuchte Varro die Hand seines hölzernen Gegners abzutrennen, konnte aber nur Kerben in die Rinde schlagen. »Verfluchtes Ding, wie kann man dich bezwingen?«, brüllte Varro aus Verzweiflung. Mit einer Handbewegung entriss das Baummonster ihm das Schwert, das sich im Holz des Monsters verkanntet hatte, aus den Händen. Varro flog gut zwei Meter zurück und landete unsanft auf einen, aus dem Boden ragendem, Baumwurzel. Ein zuckender Schmerz breitete sich von der Aufprallstelle auf
den ganzen Rücken aus. Varro krümmte und stöhnte vor Schmerzen. Er war nicht mehr der Jüngste. Er konnte sich nicht mehr so schnell aufraffen wie noch vor zwanzig Jahren. In Momenten wie diesen verfluchte er sich, dass er immer noch für solche Aufträge zur Verfügung stellte und sie tatsächlich noch ausführte. Sich aufzuraffen bereitete ihm Schmerzen, doch er schaffte es. Mit ein paar wenigen Dehnübungen renkte er sich einige Wirbelsäulen wieder ein. Glücklicherweise hatte der Sturz ihm keinen ernstzunehmenden Schaden zugefügt und er konnte sich wieder den Kampf mit dem Baummonster widmen,
auch wenn die wunde Stelle noch brannte. Er rückte sich noch den Zwicker zurecht, eher er sich auf das Monstrum stürzte. Kaum hatte er das Baummonster erreicht, ging dies in Flammen auf. Angstverzehrtes Schreien dröhnte in Varro’s Ohren. Es schmerzte ihn so sehr, dass er gezwungen war sich die Ohren zuzuhalten. Das Baummonster wand sich verzweifelt, versuchte den flammenden Inferno, das ihn erwischte, zu löschen, eher es ihn vollständig verschlingen konnte. Das Unterfangen war zum Scheitern verurteilt. Varro sah einen faustgrosses Etwas auf das Baummonster zufliegen, dass bei dem Kontakt mit dem
Holz zerplatzte und ein neuen Feuerball entfachte. Das war zu viel für den Baum und es fiel zu Boden, als habe ihn ein Holzfäller bearbeitet. Varro’s verwirrter Blick wanderte zu der Stelle, aus dem dieses Etwas herkam. Da stand auch schon ein breit grinsender Resnec. »Was würdet ihr nur ohne mich tun?« »Mach nicht einen auf Valentino«, knurrte Varro ihn an, bevor er seinen alten Kumpel dankbar umarmte. »Nichts für ungut, aber mir wäre es lieber, wenn mich eine Frau umarmt«, sagte Resnec immer breiter grinsend. Ein erleichtertes Lachen verliess Varro’s Lippen. Doch dann wurde er wieder
ernst: »Was hast du auf ihn geworfen?« »Ein Sack voller Feuer.« Varro war inzwischen an seine verschleierte Sprüche und die merkwürdigen Utensilien, die er mit sich führte, gewohnt. Deshalb fragte er nicht weiter nach. »Wie kommt es, dass sich unsere Wege hier wieder schneiden?«, wechselte Resnec das Thema. »Das kann ich dir auch nicht sagen«, zuckte Varro die Achsel. »Aber wir haben einen verdammten Spruch auf einem Baum gefunden.« »Diesem Baum?«, deutete Resnec auf das brennende Ungeheuer. »Dieser Baum«, zeigte Varro auf den
Baum mit der rubinroten Krone und führte ihn an die Stelle, wo der Spruch eingraviert war. Nachdenkend musterte Resnec denn Spruch und konnte sich auch nicht vorstellen, was das zu bedeuten hatte. Eher sich Resnec mehr Gedanken machen konnte, hörte er hinter sich jemanden schwer Atmen. Die Ranger drehten sich um und erblickten Valentino. Doch sein Antlitz hatte sich verändert. Von den selbstverliebte und immerzu perfekt gepflegten Edelmann war nicht mehr viel zu erkennen. Sein leerer Blick schien durch seine Gegenüber hindurch zu blicken. Das getrocknete Blut, dass
aus der gebrochene Nase getropft hatte, umspielte seinen Mund. Sein Kopf neigte sich leicht zur Seite. Das Gesicht hing schlaff hinab. Er hatte seine Arme leicht angehoben um sein Gleichgewicht zu halten, denn seine krummer Gang nicht viel davon bot. Schleifend schritt er zu den Rangern, bis er abrupt zum stehen kam. Sein Körper durchbog sich, als er einen lauten Schrei von sich gab. Die Vögel, die sich weit oben in den Ästen der Bäume eingenistet hatte, ergriffen die Flucht. »Was ist nun mit dem los?«, fragte Azad verwundert. Varro zuckte nur mit den Achseln. Die Haut des Edelmannes bekam Risse,
die immer grösser und breiter wurde. Aus dem Inneren kam ein orangerotes Glühen. Der Gestank erzeugte bei den Anwesenden einen üblen Brechreiz und jagte Tränen in die Augen. Schmatzend löste sich das Fleisch von den Knochen und schlugen dumpf auf dem Boden auf. Varro konnte nicht glauben was er da sah. Er musste träumen. Das Baummonster hat ihn so sehr erwischt, dass er das Bewusstsein verloren haben musste. Ja, das war die einzig logische Erklärung. Anders konnte er das, was er sah, nicht erklären. Von Valentino blieb nur noch das Skelett übrig. Die Knochen fielen nicht in sich zusammen, wie Varro es vermutet hätte, stattdessen bildeten
sich neue Muskelfasern und gab ihm ein neues Äusseres. Was am Ende rauskam, war nicht mehr Valentino, sondern ein alter, kahlköpfiger Mann. Ein Mann, denn Varro schon einmal gesehen hatte.
»Lucor«, stöhnte Varro kaum hörbar und voller Verachtung aus.
»Wenn ihr diese Prüfung bestehen wollt, dann werdet ihr mir ohne Widerrede gehorchen. Habt ihr mich verstanden?«, drohte der Totenpriester.
Varro setzte zum Sprechen an, um ihm klar zu machen, was er von ihm hielt. Doch Resnec kam ihm zuvor. Und was er von sich gab, erstaunte ihn fast so sehr, wie es ihn erschreckte: »Ja, Meister und Gebieter.«
abschuetze Ups ... wie war das doch mit dem Spruch: .... gib acht, wem du vertraust :)) Das ist wohl Antwort genug. LG von Antje |