Fünf Jahre waren vergangen seit ich den Oberstwachmeister ermordet hatte. Und seit fünf Jahren suchte die Polizei ununterbrochen nach mir. Das zu gedenken und vor Ehrfurcht vor meiner Familie ein Schrein erbaut worden war, schien sie jedoch nicht zu interessieren. Was mich zu der Entscheidung brachte, dort zu leben. Die Menschen, die sich um den Schrein kümmerten, wussten, dass es mich gab, dass ich kein fiktiver Gott des Todes war, doch sie behandelten mich wie einen. Ich hatte mir geschworen, nie wieder den Kontakt zu Menschen zu
suchen, weshalb ich ihnen das was ich dachte schrieb und vor den Haupteingang des Schreins legte. Ich wiederholte mehrmals, dass sie mich in Ruhe lassen sollten. Doch jeden Morgen fand ich vor meinem Haus ein Tablett mit Reisbällchen, Suppe und einer Tasse Tee. Irgendwann hatte ich aufgehört ihnen zu schreiben. Sie würden ja doch nicht aufhören. Ich aß den Reis und die Suppe und trank den Tee. Dann stellte ich das Tablett zurück. Und das jeden Tag. Irgendwann hatte ich dann damit begonnen, die Menschen zu beobachten. Es war jeden Tag dasselbe Mädchen, welches das Tablet brachte. Sie kam, stellte das Tablet ab, betete und ging
wieder. Wofür sie betete wusste ich nicht. Es war mir aber auch egal. Sie brachte mir essen, für das ich nicht töten musste. Was wollte ich mehr? Zu dem alten Schrein, der meiner Familie gehörte und in dem die Urnen meiner Eltern und Vorfahren standen, beschlossen die Menschen einen zweiten größeren Schrein für die Menschen zu errichten, damit diese zu dem Todes Gott Akuma beten konnten. Schon lustig, dass sie mich wirklich als Gott bezeichneten. Ich war doch der Dämon. Zu den Plänen der neuen Tempelanlage zählte auch, dass sie vorhatten, die Ruine meines Elternhauses zu renovieren. Ich konnte damit wenig
anfangen und befürchtete, dass sie es abreißen würden. Eines Tages kamen einige Männer in die Ruine und begutachteten jeden Raum, sofern er passierbar war. Sie planten die Wände und Böden zu erneuern, doch der Grundriss und die Einrichtung sollten die alte bleiben. Es war als fiele ein Stein von meinem Herzen. Während der gesamten Renovierungsphase beobachtete ich die Männer aus der Dunkelheit heraus. Nach jedem Tag ähnelte das Haus immer mehr dem aus meiner Kindheit und als es fertig, die Männer gegangen waren und ich wieder allein in den Fluren und Räumen war trafen mich mit einem
Schlag all die Erinnerungen an meine Kindheit, die ich so sehr versucht hatte zu verdrängen. Ich sah, wie Yuki und ich durch die Gänge liefen und versuchten einander zu fangen. Ich sah, wie wir in unserem Bett aneinander geschmiegt lagen und friedlich schliefen, während unsere Mutter uns zudeckte. Ich sah, sie wie unsere Eltern sich liebevoll um uns gekümmerten, als Yuki und ich uns beim Spielen übernommen und verletzt hatten. Doch plötzlich verschwanden all die schönen Erinnerungen in einem schwarzen Nebel und als ich in das
Schlafzimmer meiner Eltern trat, sah ich sie, als hätte ich sie gerade erst gefunden. Blutüberströmt und tot. Ich sah, wie Yuki´s Gesicht von schrecken und Panik überzogen war. Ich sah, wie sie versuchten ihn mir wegzunehmen. Ich sah, wie die Flammen das Haus und mich festhielten, während die Männer und Frauen mit Yuki flohen. Ich sah, wie ich verbrannte. Und ich sah mein Spiegelbild, aus dem mir ein verbranntes Gesicht mit den Zügen einer Katze entgegensah. Mit Tränen, die helle Spuren auf der verbrannten und mit Asche überzogenen Haut hinterließen und Augen, deren
Blick durch Hass getrübt war.
Der Schrein vor dem Yuki stand war alt und verfallen und es schein, als ginge von ihm eine bedrohliche Aura aus. Auf dem Mittleren von drei Steinen, die einen Weg zu Eingang bildeten, saß die Katze, die Yuki hergeführt hatte. Yuki sog die Luft scharf ein und nahm einen ihm fremden und zugleich so vertrauten Geruch war. Was war das? Und woher kannte er diesen Duft? Der 17 – Jährige wollte gerade weiter auf den Schrien zugehen, um zu lesen, wem er gewidmet war, da ließ ihn eine Stimme versteinern. „Yuki, du sollst doch darauf achten, dass dir niemand
folgt.“ Yuki sah sich um, er war allein. Doch woher kannte der Fremde seine Stimme und wo war dieser? Da glaubte Yuki, jemanden im Dunkel des Schreins erkennen zu können. Die Person hatte ihn offensichtlich auf bemerkt und trat einen Schritt zurück. Yuki ging auf den Schrein zu. „Aber ich bin doch allein, niemand ist mir gefolgt“, erklärte der dem Schatten, welcher auf diese Aussage hin, offenbar erschrocken, den Kopf hochriss. Yuki blieb wieder stehen, hatte er etwas Falsches gesagt? „Wieso antwortest du mir? Ich habe mit meiner Katze Yuki gesprochen“, zischte der Schatten. Es klang in den Ohren des 17 – Jährigen beinahe wie das Fauchen einer
Katze. Doch was ihn viel mehr verwunderte war die Tatsache, dass der Fremde mit der Katze sprach, die offensichtlich auch Yuki hieß. Yuki nahm all seinen Mut zusammen und rief: „Bitte, wenn du ein Priester dieses Schreins bist, hilf mir meine Familie zu finden!“ Der Schatten bewegte sich nicht. Yuki konnte ihn auch nicht mehr recht in der Dunkelheit des Schreins erkennen. War er überhaupt noch da? „Hör zu, der neue Schrein verehrt, genauso wie dieser Schrein es einst tat, einen Dämonengott, der einst ein Mensch gewesen war. Wir sind kein Detektiv oder die Polizei. Wenn du also deine Familie suchst, richte dich an die
Behörden.“ Es schien, als käme die Stimme aus dem Nichts. Und es kam Yuki so vor, als könne er einen tiefen Hass gegen die Polizei in der Stimme hören. Der 17 – Jährige hatte wirklich Angst, doch er war nun schon so weit gekommen, da ließ er sich nicht von einem Polizei – hassenden Priesterabschrecken. „Aber dort war ich bereits und alles was die dazu meinten, war ein komisches Gesicht zu ziehen und mich hier her zu schicken. Bitte, helft mir!“ Stille. Yuki war sich sicher. Dieser Priester war längst gegangen und hörte ihm nicht einmal zu. Da kam auf einmal die kleine Katze, die seinen Namen teilte, aus der Dunkelheit des
Schreines getapst und ging strikt auf ihn zu. Bei Yuki angekommen schmuste sich an sein Bein, wobei dieser bemerkte, dass sie etwas im Maul trug: Einen Pinsel mit Farbe und ein Stück Papier. Der 17 - Jährige nahm es und kraulte Yuki am Hals. „Schreib deinen Namen und ging beides dann Yuki zurück.“ Yuki konnte die Stimme nun wieder klar dem Eingang des Schreins zuordnen. Er tat wie es ihm gesagt wurde und schrieb, so ordentlich er konnte seinen Namen: つきや ゆき, Tsukiya Yuki. Dann gab er es der Katze zurück, welche damit im Eingang des Schreins verschwand, wo Yuki deutlich erkennen konnte, dass jemand der Katze das Blatt abnahm. „Wie
alt bist du?“, fragte die Stimme. Yuki verstand nicht, warum das wichtig war, aber er antwortete, dass er 17 Jahre alt sei. „Und warst du schon einmal hier?“ Auch das beantwortete der 17 – Jährige wahrheitsgemäß, doch er verneinte. „Komm her“, forderte die Stimme und Yuki trat vor, bis er auf der obersten der drei Stufen stand. „Also ich habe das Gefühl, dass ich schon einmal hier war, aber ich kann mich nicht daran erinnern“, gestand er. Nun konnte Yuki die Umrisse des Schattens deutlich erkennen. „Ach so ist das. Komm mit, du bist sicher erschöpft. Yuki“, forderte der Schatten ihn auf, wobei dem 17 – Jährigen auffiel, dass sein Gegenüber
seine Namen seltsam gedehnt aussprach, als fände er diesen Namen lustig. Wusste er etwa, wer der war und wo sich seine Familie aufhielt?
Yuki zog seine Schuhe aus und folgte dem Schatten in die Dunkelheit des Schreins, doch es beschlich ihn sein seltsames Gefühl, als wenn es falsch wäre, dem Fremden zu folgen.