die entflohene zeit
Es war einmal in einer anderen Zeit, an einem fernen Ort, als sich die Zeit vor den Menschen zurückzog. Die Menschen hasteten aneinander vorbei, waren rücksichtslos und hörten dem Mitmenschen nicht mehr zu.
All das gab der Zeit zu denken. Deshalb entschied sie sich - für eine Weile in das Reich des Verstehens zu reisen.
Nun wurde das Klima kälter und die Menschen wussten gar nicht - welche Zeit war oder wie viele Stunden des Tages schon vergangen und wie viele sie noch vor sich hatten. Das machte dieses Völkchen nervös.
Wo um Himmelswillen war die Zeit geblieben? Sie fingen an sie zu suchen. Hinter dem Baum, in der alten Höhle - und an vielen Orten. Doch die Zeit blieb verschwunden. Warum wollte die Zeit nicht mehr mit uns leben?
Männer, Frauen und Kinder waren ratlos und traurig. Zeit ist nämlich auch etwas wichtiges und kostbares! Nun redeten alle durcheinander. Jeder machte einen anderen Vorschlag, hatte einen Einfall. Nach einigen Stunden des Redens und Diskutierens, konnte keine Entscheidung getroffen werden. Der Mensch kann nicht einfach so - auf einmal - seinen Mitmenschen hören und verstehen.
Natürlich überlegten sich auch die Kinder etwas. Die Erwachsenen lebten ihnen viel vor. Sie hasteten durch den Tag aneinander vorbei. Vor allen Dingen hatten sie keine Zeit für sich selbst oder andere. Und schon gar nicht für ihre
Kinder. Ob das die Zeit gestört hatte?
Das wir keine Zeit finden, um uns selbst und unseren Nächsten zu kümmern? Das wir keine Zeit finden, um den anderen zu hören und auch zu verstehen? Vielleicht wollte die Zeit sinnvoll genutzt werden? Ja - das muss es sein! Das leuchtete den Kindern ein. Den - ach wie schön wäre es, wenn die Eltern Zeit hätten, mit ihnen zu spielen. Oder Geschichten zu erzählen, Blumen mit ihnen zu pflanzen und vieles anderes mehr.
Doch wie sollten die Kinder das den Erwachsenen begreiflich machen? Da meldete sich ein kleiner Junge, der bis dahin still in einer Ecke gesessen und nur zugehört hatte, zu Wort.
Ich glaube, sagte er ganze leise - kaum wahrnehmbar - das wir dies den Erwachsenen,
Verwandten vorleben müssen, damit sie dies von uns lernen - uns auszutauschen.
Vielleicht kommt dann die Zeit wieder zu uns zurück. Wenn wir wirklich miteinander leben, voneinander lernen und respektvoll miteinander umgehen. Zuerst herrschte Stille im Raum - doch plötzlich klangen Zurufe und Begeisterung bei den Kindern durch. Das würden sie tun!!
Natürlich könnt ihr euch vorstellen, mussten sich die Kinder sehr anstrengen, bis die Eltern merkten, was die Kinder wollten und das ein wirkliches miteinander möglich ist - wenn sich jeder anstrengt und etwas dafür tut! Denk auch du darüber nach!
So lebten die Menschen auf einmal auch friedvoller und verständnisvoller miteinander. Es gab gelegentlich noch Zwistigkeiten, doch beredeten sie es miteinander offen und ehrlich.
Langsam fühlten sich die Menschen miteinander und aneinander verbunden. Fühlten - das sie lebten!!
Als die Zeit aus dem Reich des Verstehens zurück kam, beglückte sie - was sie sah und blieb bei den Menschen. Die freuten sich, das die Zeit zu ihnen zurückgekehrt war.
Wie steht es mit Dir?
Loraine 1995