Kurzgeschichte
Bohnerwachs und Kehrspäne

Bohnerwachs und Kehrspäne

Es war einmal. Es war zu einer Zeit, in der es noch Holzdielen, Linoleum und gestrichene Betonfußböden gab. Das war in einer Zeit, wo vieles klar war und fest stand, wo wenig gefragt wurde. Zum Beispiel wurde am Sonnabend gebohnert. In der Stadt und auf dem Land. Die meisten Eltern arbeiteten damals an diesem Tag noch bis 11.00 Uhr. Und nach dem Mittagessen wurden die Stühle hoch gestellt und durch

gewischt. Meist wurde der Fußboden mit Bohnerwachs (Hartwachs aus der schwarzen Büchse) von WITTOL behandelt. Mit dem Bohnerlappen wurde kniend oder in gebückter Haltung das Wachs in dünner Schicht aufgetragen. Der typische Duft von Terpentin zog durch das Treppenhaus und alle Räume. Nach dem Trocknen und Einwirken wurde geglänzt. Meist mit Schrubber und weichem Lappen. Aber in vielen Haushalt gab es auch einen schweren Bohnerbesen, ein klobiges Teil, mit einer kurzen Bürste am Ende. Besenstange und Bürste waren mit einem Kugelkopf verbunden, so dass der Fußboden kreuz

und quer poliert werden konnte. Schwierig war das Polieren von Treppenläufen, die abgewinkelt in die Tiefe zogen. Hier war das Gewicht des Bohnerbesens eher hinderlich. Zu Beginn der Sechziger eroberte eine Neuerung die Haushalte - der Auftragbesen. Das Bohnerwachs wurde in einer Kartusche aus dicker PE-Folie konfektioniert. In einem Bohnerbesen mit einer Aufnahmekapsel fand die Wachskartusche Platz und wurde durch ein Gestänge zum Bürstenkopf und dann auf dem Boden aufgebracht. Manchmal gab es zu viel Wachs und dann entstanden Wachsstreifen auf dem Belag. Das ärgerte die gute

Hausfrau. Nach dem Glänzen kehrte Ruhe in den Haushalten ein und oft mischte sich der Wachsgeruch mit dem Duft von echtem Bohnenkaffee. In den Schulräumen, die damals noch von schuleigenem Personal gereinigt wurden, kamen zur Pflege grüne Kehrspäne zum Einsatz. Jeden Tag wurden alle Stühle auf die Bänke gestellt, um die Spuren von über dreißig Schuhpaaren zu tilgen. Keiner wird den typischen Geruch dieser Späne vergessen - ein wenig wie Tannennadeln mit Terpentin gemischt. Wo die Reste der Reinigungsaktionen entsorgt wurden ? Wir Schüler hatten davon keine Ahnung und ich stellte mir

diese Frage auch nicht. Aber der Geruch bleibt untrennbar mit meiner Schulzeit verbunden. 27072015 jfw (verbessert durch mw)