Ich gehe nach Hause und wage mir gar nicht den Schlüssel in das Schloss zu stecken. Denn was mich hinter der Tür erwartet weiß ich schon jetzt. Nichts als Einsamkeit. Zu schnell ist die Zeit in der Gemeinsamkeit vergangen. Und was soll ich nun tun?
Zittrig öffne ich die Tür, gehe in die Küche und setze mich an meinen Küchentisch. Appetit habe ich keinen. Vor mir steht die angefangene Flasche Kräuter. Ab und zu nehme ich einen kleinen Schluck, dann starre ich wieder in die Gegend, einfach so. Der Zeiger der
Uhr bewegt sich immer weiter, bei einem leisen Tick tick. Es ist schon fast 16 Uhr und noch immer habe ich nicht damit begonnen mich chic zu machen, für den Kneipenbesuch. Im Schlafzimmer finde ich mich plötzlich auf dem Boden wieder. Sitzend zwischen im Raum verstreuten Sachen. Nach und nach nehme ich diese Sachen in die Hand und lasse sie wieder fallen. Zu schwer fällt mir die Auswahl. Immer wieder nehme ich einen Schluck aus der Flasche. Dann entscheide ich mich für eine hautenge Jeans und ein dezentes Hängerchen, dazu trage ich ein Paar Ballerinas. Auf ein Make up verzichte ich, denn zu zittrig fühle ich mich. Noch
ein wenig Duft und dann verlasse ich auch schon wieder meine Wohnung. Blass und torkelig komme ich kurz vor 17 Uhr am Zielort an. Alle aber auch alle vom Vormittag sind wieder da. Die Meisten von ihnen sind noch immer in ihrer Bekleidung vom Vormittag. Containerkalle hat sich echt schnieke gemacht, mit seinen gesammelten Markenklamotten. Dafür liegt der Platz unter einer undefinierbaren Duftglocke. Und dann hat Walburga ihren großen Auftritt. Alle schauen ihr stumm entgegen. Keiner ruft "Walburga - Walburga - Walburga". Die Stille legt sich über den gesamten Platz. Mir klappt meine Kinnlade herunter und mein Mund
öffnet sich, aber kein Laut entweicht ihm. Walburga, gekleidet wie ein Papagei nähert sich langsam. Ihr Pinkes hautenges Shirt scheint einen schnellen Tanz mit dem grünen, schwingenden Rock zu vollführen. Mindestens 12 cm hohe Absätze zieren ihre goldfarbenen Riemchensandaletten. Jedenfalls flimmert es bei dem Anblick vor meinen Augen. Der schwarze Nietengürtel, den sie locker um ihre Taille gelegt hat, lockert das Flimmern etwas auf. Und dann steht sie auch schon vor mir. Herausgeputzt wie ein Pfingstochse. Mit einem knallroten Lippenstift hat sie ihre Lippen noch wuchtiger gemalt, als sie
schon sind. Ihre Lieder sind in einem dunklen Violett geschminkt, obwohl ihre Augenfarbe braun ist. Ein dunkles, braunes Make up ziert ihr Gesicht. Aber eben auch nur dieses. Der Rest drumherum zeigt weiterhin ihre Blässe. Ihre Haare hat sie hochgesteckt und darin viele kleine Blümchen drapiert. Ein süßlich blumiger Duft scheint sie zu umhüllen. Als die Ersten ihre Sprache wiedergefunden haben, geht das Gegröle los. "Jetzt könn wa endlich los, unsre Schönheitkönigin ist endlich da!" Walburga öffnet ihren knallroten Schmollmund und lächelt in die Runde,
ihre gelben Zähnchen zeigend. Ein wahres Farb Potpourie eröffnet sich da vor mir. Dann setzt sich der ganze Tross in Bewegung. 10 Minuten später zieht unser Tross dann grölend in die Kneipe ein. Wir ziehen durch den dunklen, vermufften und verqualmten Raum bis hin zu einem riesigen runden Tisch. Der Stammtisch dieser Lokalität. Und dieser war reserviert, für mich und den Rest der Romunde. Obwohl ich nur sehr schlecht sehen kann, zu sehr beißt der Qualm in meinen Augen, kann ich zwischen den
dahinziehenden Rauchschwaden, lauter Männer mit Augenleiden und auch einige Kopfschiefleger erkennen. Dann nehme ich ganz viel Mut zusammen und frage in die Runde: "Sagt mal, darf man hier überhaupt rauchen? Herrscht hier kein Rauchverbot?" Flaschenkarli, bricht in schallendes Gelächter aus und Containerkalle legt sich lässig auf seinem Stuhl zurück und sieht sich als Beantworter meiner Frage. Nun streckt er mir seine riesen Pranke mit einer Zigarette zwischen seinen Fingern entgegen und sagt: "Pass ma uff Kleene. Hier biste inne Kneipe, da musste qualmen, sonst wärs ja keene
Kneipe." "Aber ich rauche nun mal nicht, meine Augen tränen und Luft bekomm ich auch keine." "Na wenn de merkst, dass de jeden Moment vom Hocker kippst, dann jehste ma kurz raus vor de Tür, holst tief Luft und kommst wieder rin." Nun wendet er seinen Blick zu Walburga. Wie aus der Pistole geschossen, kommt es auch sogleich aus seinem Mund: "Und wann jehste wieder deinem Hobby nach?" "Wenns Jeld knapp wird. Das weeßte doch.", konntert Walburga. Jetzt blicke auch ich interessiert in die Runde und frage: "Was hast du denn für
ein Hobby?" "Keins für Frauen wie dich!" "Meinst du?" "Ja, meen ick." Der Bulle mischt sich nicht ein, schüttelt aber immer wieder mit dem Kopf. Dann hebt er den Arm und eine Kellnerin kommt an unseren Tisch. Alle bestellen sich ein Bier und ein Korn. "Und was möchtest du?", möchte der Bulle nun an mich gewandt, von mir wissen. "Ich nehm eine Karaffe mit roten Wein." "Trocken?", möchte die Kellnerin an mich gewandt wissen. "Lieblich", meine ich mit meinem lieblichsten Lächeln auf meinem
Gesicht. Walburga wird ganz blass. "Heeßt wohl ne Menge mehr an Arbeit, wa?", haut Flaschenkalle grölend in die Runde. "Is doch allet Scheiße hier.", meint daraufhin nervös Walburga. Dann wird es still um sie. Und dann kommt auch schon all das Bestellte. Walburga scheint auch ein Augenleiden zu haben. Genüsslich zieht sie an ihrer Zigarette. Dann schürtzt sie wieder ihre Lippen und lächelt und zwinkert in eine ganz bestimmte Richtung. "Na, schon den Ersten auserkoren?", fragt Bernie, der eigentlich Bernhard
heißt, und haut mit der flachen Hand auf den Tisch, so dass die Gläser springen lernen. "Stör se ma nich, sonst gibts nich jenuch zu saufen!", klingt Bastis Stimme fast drohend. Ich beobachte genau, kann aber nichts entdecken, womit Walburga das Trinken für alle zu erwerben vor hat. Dann entdeckt sie einen Kopfschiefleger und ahnt nichts Gutes, denn schon springt Walburga auf, schüttelt ihre Hüften, streicht ihren Rock gerade und stackelt in Richtung einer Tür los, gefolgt von einem bulligen Kerl. "Wo will Walburga denn hin?", möchte ich nun ganz aufgeregt
wissen. "Die jeht uffn Pott. Wieso?" "Ich mach mir Sorgen!" "Wieson das?" "Der Mann verfolgt sie!" "Och, die is alt jenuch, die kann janz jut uff sich selbst uffpasssen." "Nicht, dass dieser Wüstling sie wie...", ich schaue den Bullen verschämt an. "Na, dass is ja wohl ihre Sache. Wem's gefällt!", sagt jetzt auch mal der Bulle etwas. "Ist das etwa ihr Hobby?" Jetzt bricht der ganze Tisch in lautes Gelächter aus und ich erröte im tiefsten Rot. Ich weiß gar nicht wo ich hinschauen
soll, als dieser Kerl an mir vorbei auf seinen Platz geht. Und dann kommt auch schon Walburga zurück auf ihren Platz. "Wattn, is dein Jeld schon knapp?", will Flaschenkarli lauthals wissen. Walburga sagt nichts und schaut nur verstohlen auf meinen Wein. "Haste Angst, dass die davon zuviel säuft?" Walburga schaut nach unten und zuckt nur mit den Schultern. "War nich jut?" "Doch." und schon ist Walburga wieder die Alte. Im selben Moment kommt eine neue Runde, für die, die schon ausgetrunken
haben. "Wieso tust du dass?", will ich nun von ihr wissen. "Die Kerle haben Durscht, aber nich jenuch Jeld." "Aber?" "Nüschte aber. Macht mir doch Spaß. Würdeste das auch tun?" Ich schaue sie erschrocken an, kneife meine Beine zusammen, und schüttele mit dem Kopf. "Warumen nich? Hast doch och keen Kerl." "Ja ich vermisse es, aber so nötig brauch ich es nun auch nicht." Ich spüre die lüsternen Blicke meiner Begleiter auf mich
gerichtet. "Jutes Thema!", sitzen sie alle relaxt um den Tisch herum und ich bin wieder am erröten. Und dann steht auch schon Nummer zwei direkt am Tisch, fasst Walburga auf die Schulter, legt seinen Kopf schief und fasst sich an eine Stelle, worüber ich gar nicht fertig werde. "Na du hast es wohlr besonders nötig, was?", keife ich ihn sogleich an. "Naklar Püppchen. Komm mit, ich schaff auch Zwei.", kommt prompt eine Reaktion von ihm, er greift auch meine Schulter und lacht mich an. Oder aus? Walburga rettet die Situation, indem sie aufsteht, sich bei ihm unterhakt und mit
ihm in Richtung Tür davon stackelt. Dasselbe Spiel von vorn. Sobald Walburga auf ihrem Platz erscheint, erscheint auch eine neue Runde. "Mach mir nich die Kerle an!", meint Walburga ziemlich wütend zu mir. "Nu sei ma nich so. Die wär eh nich mitjekomm.", mischt sich Flaschekarli ein. "Trotzdem.", schmollt Walburga auf ihrem Stuhl. "Jetzt ist aber gut. Wir sind hier zum Vergnügen und nicht um zu streiten.", sagt der Bulle mit seiner donnernden Stimme und es ist erst einmal wieder Ruhe. Ruhe heißt nur trinken. Auch ich habe
schon meine dritte Karaffe Wein beim Wickel. Und Walburga, geht weiterhin ihrem Hobby nach. Und dann kommt der Moment, wo ich mal aufs WC muss. "Willste jetzt etwa auf's Pöttchen?", will Bernie von mir wissen. "Ich muss." "Aber da is doch Walburga!" "Mir doch egal.", sage ich, stemme mich am Tisch hoch und versuche Halt zu finden. Gekonnt drehe ich mich auf meinen Hacken um 180° und bewege mich dann schwankend auf die geheimnisvolle Tür zu. Und dann sehe ich das Pärchen. Walburga mit hochgeklappten Röckchen
und einem heruntergezogenem kleinen Etwas. Er hat seinen Daumen dort, wo der Bulle immer seine Abzahlung fordert und seine langen Finger beklopften ihr ach so kleines, zartes aber so schön feuchtes Vötzchen, wie er ihr immer wieder beteuert. Ich baue mich vor ihm mit erhobenen Zeigefinger auf. Aber er nimmt mich gar nicht wahr, zu sehr ist er mit Walburgas Vötzchen beschäftigt. Ich tippe ihm auf die Schulter. "Weischte waaas? So klein und zart ist ihr Vötzchen gar nisch. Es hat nämlich schon ne Menge durch." "Da will mein riesen Zauberstab auch gar nicht
hin." "Nisch?" "Richtig!" "Wo willst du denn damit hin?", lalle ich ihn weiter zu. "Ins Mündchen!" "Achso." Jetzt schaltet sich endlich Walburga ein und fährt sie an: "Halts Maul und geh pissen!" Ich hebe wieder meinen Zeigefinger und sage: "Das heißt Wasserlassen!" "Na dann lässte halt dein Wasser.", meint nun der Typ ziemlich ungehalten. Ich schmeiße mein Bein zur Seite, drehe mich zackig in Richtung WC-Tür, hebe meinen Arm in einen 90° Winkel, strecke
meinen Zeigefinger aus und beginne mit ihm zu wackeln. Dann kommt es mit einem Kichern aus meinem Mund heraus: "Was bist du denn für'n Vögelchen?" "Ich denke mal ... Ein Gutes!", schleudert er mir hinterher. Ich verliere den Halt und stolpere in Richtung WC-Tür und verschwinde dort hinter. Ich packe mich aus, lasset mein Wasser, packe mich wieder ein und als ich das WC verlasse, da ist Walburga schon, auf dem Boden kniend, dabei ihm einen standhaften Zauberstab zu bescheren. "Viel Spaß noch.", schwanke ich lallend an ihnen vorbei, schnurstracks auf
meinen Platz zu. "Und Walburga brav am arbeiten?", brüllt mir jemand, den ich nicht kenne, entgegen. Ich schmeiße meinen Kopf nach hinten, um ihn gleich wieder nach vorne sausen zu lassen und dazu entfährt ihrem Mund noch ein langgezogenes "Jaaaa" Am Tisch angekommen, lasse ich mich auf meinen Stuhl fallen, blase meine Wangen auf und tippe gesprächsbereit mit meinen Finger auf den Tisch. "Wisst ihr was?" "Nö, erzähl ma." "Walburga hat ein kleines, zartes aber ach so feuchtes Vötzchen.", lalle ich, schmeiße meinen Kopf nach hinten, um
ihn laut kichernd wieder nach vorn fallen zu lassen. Blitzschnell schiebt der Bulle seine Hand vor mirr auf die Tischplatte, damit ich nicht mit meinem Kopf auf eben diesen knalle. "Da willer aber nich hin." "Wer?" "Na Walburgas Kerl da." "Wo will er denn hin?" "Ins Mündchen!" "Ach!" "Mit seinem riesen Zauberstab", lalle ich, blase meine Wangen auf und pruste einfach drauf los. "Noch eine Runde und dann wird gegangen!", sagt der Bulle nun bestimmend und alle schauen betreten
nach unten, ohne auch nur ein Wort zu diskutieren. Dann kommt auch schon Walburga wutschnaubend angetippelt. "Wat wisstn du von mir? Lass mich in Ruhe meiner Arbeit nachgehen, dann ist och alles gut. Verstanden?" Ich schmeiße wieder meinen Kopf in den Nacken und lache, beim wieder nach vorn werfen, lauthals los. "Wisste ma eins auf de Zwölf kriegen, oder wat?" "Oder aufs Mündchen.", kichere ich leise vor mich hin. Walburga erhebt schon ihre Hand, doch wie in eine Schraubzwinge gepresst, hält der Bulle sie auch schon
fest. "Jetzt ist aber gut hier! Diese eine Runde noch und dann wird gegangen. Verstanden?", sagt er und lässt die andere Hand krachend auf den Tisch sausen. Hasserfüllt blitzen Walburgas Augen, zu kleinen Schlitzen geformt, mich an. Dann kommt die letzte Runde. Auch eine Karaffe Wein. "Den Wein nicht mehr!", redet der Bulle einfach für mich. "Wieso?" säusele ich ihm entgegen. "Frag nicht!" "Bitte!" "Nein!", lässt er nun seine raue rauchige Stimme nochmals erklingen, welche
keinen Widerspruch duldet.
Schon bald verlassen alle gemeinsam, so wie sie gekommen sind, auch wieder die Kneipe.
Den ganzen Weg nach Hause, bis ich ins Bett fialle, trällere ich die Worte "Ins Mündchen" und "Zauberstab" vor mich hin, mit einem Kichern gepaart, eingehakt beim Bullen
Als ich am Morgen aufwache, glaube ich zu träumen. Wo bin ich hier nur? Jedenfalls bin ich nicht in meinem kleinen dunklen Loch aufgewacht. Alles ist so hell und kastig. Ich mag doch eigentlich dunkel und antik. Ich bin nicht daheim! Ein Doppelbett? Steht nicht bei mir. Passt auch nicht rein. Angstvoll schau ich mich um. Nicht nur im Raum - nein, auch unter der Decke. Ich bin splitterfasernackt. Meine Gedanken überschlagen sich. Wer hat mich hierher gebracht und in diesen Zustand versetzt? Ich winde die dünne Decke um meinen
Körper und wandle durch das Zimmer. Vielleicht suche ich nach irgendeinem Anhaltspunkt. Dann stehe ich vor einer Kommode mit vielen Bildern. Bilder von einer heilen Familie. Mann, Frau und zwei Kinder. Aber was mache ich dann hier? Dann ein großes Bild von dem Mann alleine. Den kenne ich! Woher nur? Ein großes Bild in einem dekorativen Rahmen hängt über dieser Kommode. Vielleicht eine Erinnerung! Dann sehe ich es mir genauer an. Herr im Himmel - das ist ja... Die Managementgemeinschaft der oberen Etage meiner Bank. Ich stehe in der ersten Reihe, genau neben dem
unwiederstehlichen Eric. Der Typ hat einfach nichts anbrennen lassen, doch ich habe ihm immer und immer wieder widerstanden. Es durchzuckt mich. Ist er mein Retter aus der Not? Hat er mich vor dem Bullen geschützt? Wer weiß, was der Bulle sonst mit mir gemacht hätte? Auf dem Nachtschränkchen, neben dem Bett, steht ein Wasserglas und daneben liegt eine Tablette. Für mich? Irgendwie spüre ich eine Spannung im Raum. Wo kommt sie nur her? Ich drehe mich um und da steht er - mein Adonis, mein Lebensretter. Ich schaue ihn fragend an und stammele nur ein
"Eric?"
Ein Lächeln huscht über sein Gesicht.
"Wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe."
"Warst du gestern auch in der Kneipe?"
"Ja! Und ich war ziemlich ungehalten!"
"Warum denn das?"
"Weil ich gestaunt habe, was du so verträgst!"
Verlegen senke ich meinen Blick nach unten.
"Hast du auch mit Walburga...", will ich gereizt wissen.
"Gestern nicht. Aber gelegentlich. Und nicht so gereizt mein Fräuleinchen."
Mir fällt meine Kinnlade herunter. Will der mich dominieren? Bisher stand mir
der Part zu.
In einem lieblicheren Ton bedankte ich mich bei ihm mit den Worten: "Danke, dass du mich vor dem Bullen gerettet hast! Wer weiß was der so mit mir angestellt hätte?"
"Das weiß ich auch nicht. Zumindest hattest du diese Nacht deine Ruhe vor ihm."
"Und dafür bin ich dir dankbar.", flüstere ich verlegen. Was ist nur los mit mir? Solche Züge kenne ich gar nicht an mir.
"Du brauchst nicht dankbar zu sein.", meint er mit einem schelmischen Lächeln.
"Warum
nicht?"
"Weil ich der Bulle bin!"
Was? Dieser Adonis dort, der angelehnt im Türrahmen steht, soll dieser stinkende Unhold sein? Ich starre ihn eine gefühlte halbe Stunde an, ehe ich meinen Mund wieder schließen kann. Und dann finde ich meine Worte wieder. "Du willst der Bulle sein?"
Er zuckt nur mit seinen Schultern und im Wegdrehen sagt er mir: "Trink das Wasser und nimm die Aspirin."
Mein Gott dieser Ton. Den ertrag ich nicht.
"Dann geh dich duschen und komm in die Küche, das Frühstück ist schon
fertig."
Hm, duschen gern. Aber Frühstück? Mein Kopf scheint mir zu zerspringen.
Erst einmal schnell die Aspirin nehmen und dann, dann husche ich ins Bad, noch immer die Decke um meinen Leib gewickelt. Ein Wannenbad wäre mir viel lieber, aber auch diese Wohnung scheint nur über eine Dusche zu verfügen. "Oh, so ein aufmerksamer Eric." Als mein Blick durch sein Bad wandert, fällt er sogleich auf das schon bereit gelegte Badehandtuch. Dabei hätte ich es so gern anders gehabt. Ich stell mir gerade vor, wie ich ihn laut rufe und mit zuckersüßer Stimme um ein Badehandtuch bitte. Wie er die Tür der
Duschumrandung ein Stückchen aufschiebt und seinen Arm, mit dem Badetuch in der Hand, durch diesen Spalt schiebt und ich ihn gnadenlos fertig mache. Aber keine Gelegenheit ihn zu maßregeln. Zu durchdacht der Typ.
Und dann stehe ich auch schon vor ihm, mit meinem nach kalten Rauch stinkenden Klamotten vom Vortag. Wow... So ein toller Frühstückstisch. So eine tolle Auswahl. So viel. Sogar das Frühstücksei fehlt nicht. Bei dem Anblick schlägt mein Herz höher. Bei meinem Mann hätte es lediglich Marmelade, Schnittkäse, Aufschnitt und Butter gegeben. Staunend stehe ich vor
diesem Bild von Tisch.
"Du darfst dich auch ruhig setzen.", spricht mich Eric unvermittelt an. Sogleich werde ich aus meinen Gedanken heraus gerissen und komme gleich wieder in der realen Welt an. Wie Schade! Und ich setze mich.
Er sieht mich mit einem durchdringenden Blick an.
Will der was von mir?
"Heute habe ich meinen freien Tag. Dazu fällt mir eine Menge ein."
"Und was bitteschön?"
"Ein schöner Tag im Bett.", zieht er seine Mundwinkel hoch bis hin zu seinem schelmischen Lächeln.
"Wie bitte? Das hättest du ja wohl schon
heute Nacht haben können."
"Ich mag Frauen, die aktiv dabei sind."
"Und du meinst das bin ich nicht?"
"Jedenfalls nicht gestern Abend!"
Verschämt schaue ich auf den liebevoll gedeckten Frühstückstisch und kann doch nichts anrühren.
"Komm! Du bist allein - Ich bin allein."
"Und wo ist deine Frau und die Kinder?"
"Lange Geschichte." Nun schaut er verschämt nach unten. Da hab ich wohl seinen wunden Punkt getroffen.
"Weibergeschichte?" Traurig schüttelt er mit dem Kopf. Ich dachte nicht, dass dieser Mann zu solchen Gefühlen fähig ist.
"Warum warst du damals plötzlich nicht
mehr da?" Ah, er schweift vom Thema ab. Doch eine schlimmere Sache.
"Vor dir bin ich jedenfalls nicht geflohen!" Nachdenklich schaut er mich an.
"Warum dann?"
"Man hatte keinen Platz mehr für mich da oben. Man wollte mich in die Beratung stecken."
Jetzt schaut er aber echt entsetzt.
"Warum zum Teufel..."
"...hast du es nicht getan? Weil man dafür kein Studium braucht."
"Mich hat es viel härter getroffen."
Wie jetzt. Was ist denn da passiert? Neugierig schaue ich ihn an und zwitschere ihm ein ehrliches "Erzähl",
zu. "Ich habe mich verspekuliert. Habe zu große Geldmengen in ein Paket gepackt und irgendwann sausten die Aktien im rasanten Tempo nach unten. Als man es mitbekam, wurde alles verkauft und ich zum Geldzählen verdonnert. Aber nach einem halben Jahr stiegen sie plötzlich wieder und nach einem Jahr standen sie besser da als bei meinem Kauf. Ein langer Atem hätte sich bezahlt gemacht. Den habe ich nun mal. Aber ich sitze nun da unten rum und bin dabei die Verluste abzuzahlen. Daran zerbrach auch meine Ehe. Meine Kinder sehe ich nicht mehr, weil meine Frau mit ihrem neuen Partner ins Ausland gegangen
ist."
Ich kann nicht anders und greife nach seiner Hand und zeige ihm mein Mitgefühl. Aber schon bald erfüllt sich mein Körper wieder mit dieser Kälte, die mich so unnahbar macht.
"Du zählst Geld?", frage ich ihn mit eisiger Stimme, die ihn erschrocken aufblicken lässt.
"Warum nicht? Ich musste eine Familie ernähren und hab einen riesen Haufen Schulden. Wo bitte soll das Geld sonst herkommen? Eine andere Bank hätte mich nie und nimmer eingestellt.", sagt er mir wütend ins Gesicht.
"Das wurde mir vom Arbeitsamt auch
angeboten."
"Und?", fragt er mal wieder mit seiner fordernden, rauchigen Stimme nach. Ich kann nur mit dem Kopf schütteln. Synchron tut er es mir nach.
"Dafür hat man mir eine Weiterbildung im mittleren Management angeboten. Und das habe ich angenommen.", erzähle ich ihm freudestrahlend.
"Bringt das Geld?"
Wie jetzt? Bin ich ihm dafür etwa Rechenschaft schuldig? Wie komme ich nur zu einem neuen Thema?
"Was hast du mit mir vor, an einem schönen Tag wie heute?"
"Du stimmst zu? Lass dich überraschen."
"Das was du immer mit Walburga
machst?" "Ich hab da schon ein paar Sachen mehr drauf. Lass dich überraschen." Und da ich Überraschungen mag, lass ich mich auf das Abenteuer ein. "Na dann auf zum "Hopp oder Top", kann ich darauf nur sagen. Obwohl mir etwas mulmig ist. Wenn ich nur an Walburga denke. Verschüchtert sitze ich auf seiner Bettkante und bin wie erstarrt. Da spüre ich auch schon seinen Atem in meinem Nacken. "So eine spitze Zunge und doch so schüchtern.", haucht er von hinten in mein Ohr und beginnt daran zu knabbern. Und dann zeigt er mir was er so alles mit seiner spitzen Zunge
vollführen kann. Schon da werde ich überwältigt von Gefühlen, die ich so schon lange nicht mehr hatte. Ein wahres Feuerwerk von Gefühlen bricht über mich herein und ich lasse mich fallen, als er mich nach allen Regeln der Kunst verführt. Mein Gott hätte ich doch damals schon ja gesagt und mich in die Fänge dieses Tiegers begeben. Hier bekommt das Lied "Atemlos" eine völlig neue Bedeutung. Nur das ich es am hellichten Tag bin. Wie lange noch? Immer und immer wieder durchwogen mich neue Empfindungen. Dann das ohrenbetäubende Gebrüll, welches ich schon aus dem Gebüsch, als er Walburgas Gelüste erfüllte, kannte. Man
ist der laut! Da gehe ich mit meinem dezenten, ruhigen Stöhnen voll unter.
"Warum kommst du nicht?", schaut er mich fragend an, "Bin ich nicht gut genug?"
"Aber ich bin doch....", sage ich schulterzuckend und schaue an ihm vorbei, als ein Hauch von Röte über mein Gesicht huscht.
"So leise?"
Nur ein einfaches "Hm" bringe ich hervor.
"Du bist so richtig süß, wenn du so rot wirst" Ich drehe mich einfach weg von ihm. Möchte ihn nicht anschauen. Und was tut er? Kuschelt sich einfach von hinten an, streichelt und liebkost mich
weiter. Doch ich verfalle von meinen Gefühls- in meine Gedankenwelten. Warum nur, habe ich ihm immer wieder wiederstanden? All dies hätt ich schon lange vorher haben können. Mir wurde schlagartig klar - Bernd war der Hopptyp. Er begehrte mich zwar, konnte mir aber nie die Begierde entlocken, die eben gerade über mich hereingebrochen ist. Auch wenn wir uns manchmal über längere Zeiträume nicht gesehen haben. War er so frustriert über die Kälte die ich ausstrahlte? Oder woran lag das? Eric hat mir soeben bewiesen, dass er soviel besser ist und ich würde ihm am liebsten das Wort "Top" auf die Stirn
tätowieren.
Noch immer durchdringen mich meine Gedanken, als ich mich zu ihm wende und er mich mit seinem strahlenden Lächeln beäugt. Ich bewundere seine ebenmäßigen weißen Zähne. Dann sitze ich neben ihm im Bett.
"Was ist los?", will er wissen.
"Wie geht das?"
"Was?"
"Deine Zähne."
"Meine was?"
"Deine Zähne!"
"Und ich dachte, du wolltest mich loben."
"Du warst gut.", antworte ich total irritiert, "Aber deine
Zähne."
"Was soll mit denen sein?"
"Die sind so weiß."
"Sollen sie nicht?"
"Doch! Aber sonst..."
Jetzt bricht er in schallendes Gelächter aus. "Ich bin halt anpassungsfähig und hab eine Schwester, die Zahntechnickerin ist. Sie hat mir diese schönen Schienen hier angefertigt." und setzt sich diese auch sogleich ein. Er stützt seinen Arm auf seinem Ellenbogen auf und legt seinen Kopf darauf ab. Dabei schaut er zu mir auf und sagt einfach so: "Ich hätte eigentlich etwas mehr erwartet als ein einfaches - Du warst gut -" Und schon
liege ich wieder in seinen Armen. Ich schaue ihm tief in die Augen und frage ihn: "Wie wärs mit überdimensional gut oder bombastisch" Dann bin ich auch schon wieder die Unterlegene und das Spiel beginnt von vorn. Aber viel drängender und härter. Mein Gott, jetzt werde selbst ich laut und wir kommen beide fast zeitgleich. Das brauche ich also! Endlich bin ich so richtig gut aus mir herausgekommen. Wir liegen da und nehmen um uns kaum etwas wahr, doch die Uhr tickt und tickt.
Nur noch eine Stunde, dann wird Merle wieder nach Hause kommen. Ich möchte nicht - aber ich muss und ich steige aus dem Bett um mich zu duschen und er
kommt hinterher. Er will doch wohl nicht? Nein er will nicht. Er teilt mir nur mit, dass er was zu Essen machen würde. Ach wenn er doch nur... Meine Fantasien beflügeln mich und dann begebe ich mich auch schon auf die Suche nach ihm und in der Küche finde ich ihn. Er steht da wie Gott ihn schuf nur mit einem Slip bekleidet. Mein Adonis. Durchtrainiert mit einem super Sixpack. Ich kann nicht anders und berühre ihn dort. In der Pfanne brutzelt das Rührei. "Hm, mein Meisterkoch.", verfalle ich wieder in meine Träumereien und er huscht nach mir in die Dusche. Ich rühre derweil im Rührei und verfalle wieder in erotische
Fantasien. Das merke ich erst als seine Zunge die meine berührt, welche immer und immer wieder über meine Oberlippe fährt um sie zu befeuchten.
Was macht dieser Kerl nur mit mir? Wie elektriziert spannen sich meine Muskeln an und ich werde von kleinen Blitzen, die mich durchzucken, gepeitscht.
"Am liebsten würd ich dich..."
Du lieber Himmel, wie oft kann er denn noch!
"Aber ich muss nach Hause. Merle kommt gleich."
"Schade." Und er beginnt sogleich mich wieder zu liebkosen. Doch ich wiederstehe ihm.
Dann essen wir unser Rührei und ich
verlasse schon bald seine Wohnung, den beigen Neubaublock im Nobelviertel, suche den Weg zu meinem schweinchenrosa Zuhause und habe den ganzen Tag noch nichts getrunken. Ich öffne meine Wohnungstür und schon hat sie mich wieder. Die Einsamkeit. Mir scheint als ob ihre langen Arme nach mir greifen und sie mit mir zu reden beginnt. Sie befiehlt mir, nach etwas Abwechslung zu suchen. Ich möchte gern auf dem Sofa liegen und ein schönes Buch lesen, was ich schon lange nicht mehr getan habe, doch sie drängelt weiter und schon liege ich auf meinem Sofa mit einer Flasche Wein
neben mir. Ich kann einfach nicht wiederstehen. Total geschafft, schlafe ich auch bald ein.
Das Geruckele an mir nehme ich nur weit entfernt wahr.
"Ich kann nicht mehr - bin fix und fertig.", murmele ich und bin nicht im Stande meine Lider zu öffnen.
Dann nehme ich ein Gemurmele wahr, wie: Und noch nicht mal viel getrunken!
"Mami, wach auf. Ich bin wieder da.", höre ich Merles Stimme und schlagartig schnellen meine Lider nach oben. Bernd steht neben ihr und hält noch immer die Flasche begutachtend in seinen Händen
"Hallo! Hab nicht viel Zeit, muss gleich wieder los.", schmettert er mir entgegen
und dreht sich auf dem Absatz um. Merle winkt er noch zu und ruft: "Bis in zwei Wochen." Dann sind wir zwei wieder allein. Und ich bin so müde, kaputt und so allein. Meine Beine sind weich wie ein Pudding und ich weiß nicht was ich tun soll. Schwerfällig erhebe ich mich von meinem Lager und tappse in die Küche um Merle ein paar Butterschnitten mit Wurst zu schmieren, weil sie gleich nach Essbarem bettelt und stelle ihr noch eine Brause hinzu. Dann ist sie sich auch schon wieder sich selbst überlassen und ich fröne meinem Schönheitsschlaf, welcher mir heute total entgangen ist