Kurzgeschichte
Die halbnackte Dame

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"Sie war voll, wie tausend Russen und tanzte halbnackt auf seinen Schultern, bis sie sich Luft machte"
Veröffentlicht am 31. Juli 2015, 22 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Sie war voll, wie tausend Russen und tanzte halbnackt auf seinen Schultern, bis sie sich Luft machte

Die halbnackte Dame

Titel

Irgendwie kam mir das Ganze ziemlich bekannt vor. So ähnlich hatte ich es schon einmal erlebt. Es war ein Open Air Konzert gewesen. Verschiedene Künstler traten auf und rockten das Gelände. Ob es jetzt Rock war oder Metal, kann ich nicht sagen. Zumindest war es laut und ein Erlebnis wert. Ich bereue nicht, mir eine Karte gekauft zu haben. Für so ein kleines Festival waren sie sogar relativ günstig. Gut, die Bands waren nicht wirklich bekannt. Aber dennoch hörenswert. Also die meisten Bands. Nicht alle. Ein paar Ausnahmen gab es, die klangen

fürchterlich, für meinen Geschmack. War ich froh, das sie jeweils nur etwa eine halbe Stunde gespielt hatten. Länger hätte ich es bei manchen Bands nicht ausgehalten. Und bei einer Gruppe war es so extrem, das ich mir die ganze Zeit die Ohren zuhielt. Neben mir stand ein Typ. Auf seinen Schultern hatte er eine hübsche Frau. Sie grölte die ganze Zeit. In ihrer Hand hielt sie einen großen Becher Bier. Wie viel sie davon trank und wie viel sie davon um sich herum verteilte, weiß ich nicht. Ab und zu traf sie mich, weswegen ich immer mehr nach Bier stank und mein Shirt ziemlich nass war. Wenigstens kühlte es mich. Denn es war

verdammt heiß gewesen. Was wohl mehr daran lag, das ich irgendwo in der Mitte stand, zwischen keine Ahnung wie vielen schwitzenden Menschen. Mein „Deodorant“ fiel in der Menge gar nicht auf. So ziemlich jeder trank Bier. Viele rauchten auch, was mich ein wenig störte, da der Qualm meine Augen reizte. Was mich ein wenig tröstete, war der Anblick dieser schönen Frau auf den Schultern dieses Mannes neben mir. Das sie schön war, erkannte ich daran, das sie oben ohne war. Ob sie unter ihrem Mini noch etwas trug, konnte ich nicht erkennen. Aber Schuhe und Socken hatte sie keine an. Ebenso wenig eine Strumpfhose. Zugegeben, sie konnte sich

sehen lassen. Denn sie war wirklich hübsch. Ihre wunderschönen Brüste wippten mit ihr mit. Aber ich merkte auch, das sie nicht nüchtern war. Eher hackevoll. Bestimmt war sie nüchtern nicht so freizügig. Schamhaft. Ganz nüchtern war ich auch nicht. Aber zu Konzertbeginn war ich es. Als ich meinen Platz in der Menge gefunden hatte, holte ich mein erstes Bier aus meinen Rucksack. Am Eingang wurde ich nicht kontrolliert. Wahrscheinlich wegen dem Gedränge. Es wurde geschubst und geschoben, das ich mehr stolperte, als lief. Und ich hatte meine Flaschen gut geschützt. Einzeln in Klamotten verpackt und obendrauf noch

eine dicke Jacke drauf. Es war ja nicht mein erstes Konzert gewesen, daher weiß ich, das grob in die Rucksäcke geschaut wird. Deshalb hatte ich meine Flaschen gut verpackt. Vier Stück, um genau zu sein. Denn besoffen wollte ich nicht werden. Mindestens eine Flasche sollte für den Heimweg sein. Doch das konnte ich vergessen, denn die Dame auf Schultern streckte immer wieder ihren Becher zu mir runter. Dabei hatte sie so einen Blick, dem ich einfach nicht widerstehen konnte. Freiwillig schenkte ich ihr nach. Zum Dank lächelte sie mich freundlich an. Ich hatte ja erwähnt, das ich umgeben war von Menschen. Aber da, wo ich

stand, war auch noch genug Luft. Ob es jetzt an mir lag, das sie von mir Abstand halten wollten, bezweifle ich. Bei einem Kurzen Umblick konnte ich erkennen, das das nähere Umfeld dem meinigen entsprach. Sehr luftig. Daher konnte ich auch mein Flaschenbier trinken Sonst wäre es bestimmt nicht gegangen, wovon die Welt aber auch nicht Untergegangen wäre. Um es nicht so sehr in die Länge zu ziehen und weil ich nicht mehr genau weiß, wie die genaue Abfolge war, jetzt in Kurzform die Ereignisse, nach dem der letzte Ton verhallt war: Mein letztes Bier war alle. Den letzten Schluck hatte ich ihr gegönnt.

Schließlich ist man Gentleman. Wobei – in diesem Fall wäre es wohl besser gewesen, wenn ich ihr nichts gegeben hätte, denn während die Ersten durch die Mitte zum Ausgang gingen, blieb ich noch am Rande stehen. Falls ich es vergessen hatte zu erwähnen, stand ich mehr am äußeren rechten Rand. Hatte aber trotzdem einen sehr guten Blick zur Bühne gehabt. Jedenfalls bekam ihr anscheinend die Mischung Bier und Schunkeln nicht, weswegen sie sich übergeben musste und, so wenn ich es richtig verstanden hatte, benutzte sie ihren Freund als Klo, was er gar nicht lustig fand und sie deshalb wütend auf den Boden brachte.

Dabei ließ er sie mehr fallen, als das er sie hinstellte. Aus Angst, eine in die Fresse zu kriegen, zutschte ich geistesabwesend an meiner Flasche. Holte die letzten Tropfen heraus. Danach verstaute ich sie extrem langsam und sorgfältig in meinem Rucksack. Tat so, als wäre ich hackevoll, damit es nicht auffiel, das seinetwegen so langsam machte. Aber die Sorge war unbegründet. Er hatte mich gar nicht beachtet. Wahrscheinlich nicht einmal bemerkt, das ich die ganze Zeit neben ihm stand und seiner Freundin immer mal wieder Bier nachschenkte, was sie dann eh wieder auf mich kippte. Zumindest einen Teil davon. Auch sonst

schien mich keiner bemerkt zu haben. Sie liefen einfach davon, Richtung Ausgang. Zurück blieben sie und ich. Was tut man nicht alles, um ein guter Mensch zu sein. Man nimmt seine gute Jacke und zieht sie einer halbnackten Dame über, die in ihrem eigenen Gebrochenen lag und weinte. Zu allem Überfluss, fing es dann auch noch an zu regnen. Welch Freude. Das passte wirklich zu den letzten Ereignissen. Ich kam mir ein wenig vor, wie im Film. Schon komisch, wenn ich so zurückdenke. Es waren so viele Menschen dort gewesen. Selbst als der Typ seine Freundin halb auf den Boden gestoßen hatte, waren noch einige

dagewesen. Gut, es war schon dunkel gewesen, wir standen relativ am Rand und der Ausgang war in der Mitte. Aber trotzdem. Irgendwer muss doch was gesehen haben. Naja, ich war ja da. Wie immer. Ich half ihr hochlegte meinen Arm um sie und versuchte sie irgendwie zu stützen und zu mir zu bringen. Bei meinen dünnen Ärmchen war es ein ganz schöner Kraftakt gewesen. Immer wieder musste ich nachgreifen. Ich war es aber auch nicht gewöhnt, jemanden stützen zu müssen. Dennoch habe ich es irgendwie geschafft, sie zu mir zu bringen. Zwischendurch fragte mal jemand, ob er helfen könnte. Ich lehnte aber dankend

ab. Dafür war ich schon zu nah bei mir. Gott war ich froh, als wir endlich bei mir waren. Vor der Haustür musste ich sie absetzen, um jene öffnen zu können und vor meiner Wohnungstür noch einmal. Im Flur ließ ich sie unsanft fallen, was aber nur daran lag, das ich keine Kraft mehr hatte. Ich war völlig fertig gewesen. Durchgeschwitzt bis zum geht nicht mehr. Einfach nur total alle. Deshalb gönnte ich mir erst einmal eine kleine Pause. Zog mich vollkommen aus, ging aufs Klo und trank etwas. Als ich halbwegs wieder bei Kräften war, zog ich sie mehr ins Bad, als ich sie trug. Dort zog ich sie dann ganz nackt aus. Nun war es eh egal

gewesen. Auf dem Konzert konnte sie jeder halbnackt sehen. Auf das bisschen kam es nun auch nicht mehr an. Und ich tat es nur für sie. Für sie und mein Bett. Ich wollte sie nicht so in mein Bett legen. In ihrem Haar klebte ihr halbverdauter Nahrungsbrei. Unterm Bauchnabel haftete ihr eigener Urin. Vor allem an ihren Schenkeln, ihrem Mini und ihrem Höschen. Ich hievte ich sie in meine Badewanne. Dann machte ich das Wasser an. Stellte es auf eine angenehme Temperatur ein, dann wusch ich sie sanft. Sie erschrak leicht, als ich die Brause über ihren Körper hielt. Ich sprach mit ihr. Sagte ihr, was ich tat und was ich gleich

machen würde. Ob sie mich verstand, weiß ich nicht. Jedenfalls blieb sie ruhig und ich konnte sie waschen. Dabei sah ich auch, das Blut an ihrem Kopf klebte. Es war nicht viel, deswegen machte ich mir keine Gedanken darüber. Wenn es mehr gewesen wäre, hätte ich den Notarzt gerufen. Natürlich wusch ich mich gleich mit. Die Dame hatte mich ja so sehr mit Bier überschüttet, das ich nach zehn Brauereien roch. Ich wollte ganz bestimmt nicht, das mein Bett danach roch. Vor allem deswegen nicht, weil ich es frisch überzogen hatte. So viel Bettwäsche hatte ich nicht mehr. Viel musste ich wegschmeißen, da sie schon

alt und verlöchert war. Mich schrubbelte ich kräftig ab. Aber zu ihr war ich äußerst liebevoll. Sie hatte einen so wunderschönen Körper. Makellose Haut. Kein Tattoo. Nirgends Narben. Aber blaue Flecken entdeckte ich dann. Bestimmt von dem Sturz von den Schultern. In meinen Augen war sie eine Traumfrau. Ich verstand nicht, wie er sie hatte achtlos liegen lassen können. Und seine Kumpels? Warum hatten sie nichts gemacht? Das Wort Wanderpokal kam mir in den Sinn. Vielleicht war es auch gar nicht seine Freundin gewesen. Er hatte sie dort entdeckt und wollte ihren Zustand ausnutzen. Logisch war

es. Ich zog sie aus der Wanne und versuchte ihre Rückfront zu trocknen. Danach stolperte ich mit ihr in mein Bett. Äußerst behutsam legte ich sie hinein, deckte sie sanft zu und legte mich dazu. Wie lange war es her, das eine Frau in meinem Bett schlief? Freiwillig und während ich mit drin lag? Das musste ich ausnutzen. Nein, ich schlief nicht mit ihr. So bin ich nicht. Ich legte mich nur unter ihre Decke und kuschelte mich an sie. Meinen Kopf auf ihrer Brust und meine Hand streichelte sanft ihren Bauch. Die Lust war da und auch die Versuchung. Aber ich wollte die

Situation nicht ausnutzen. Vielleicht bereue ich es eines Tages, das ich es nicht getan habe, weil ich nie wieder die Gelegenheit bekam, mit einer Frau zu schlafen. Aber in de Moment hegte ich die Hoffnung, das wir uns öfter sehen werden. Das sie noch mehrfach mit mir in einem Bett schlafen würde und das es dann eines Tages passieren wird, weil wir es beiden wollen. Oder das ich doch noch eine Frau finde, die mit mir zusammen sein will. Es war so unglaublich schön gewesen, auf ihr einzuschlafen. So traumhaft schön. Am Morgen kam die Erleuchtung, oder so ähnlich. Sie war nicht gerade bei

bester Laune gewesen, als sie aufwachte und mich neben ihr sah. Als sie dann noch feststellte, das sie vollkommen nackt war, ...Plötzlich fiel mir ein, was ich am Abend zuvor noch machen wollte. Nämlich ihre Wäsche einweichen. Die zwei Stücke. Wo war eigentlich der Rest hin? Wann hatte sie sie ausgezogen und wo gelassen? Eine Ohrfeige am Morgen macht mehr wach, als eine Tasse schwarzer Kaffee. Die Erfahrung durfte ich machen. Ich nahm es ihr aber nicht übel. Schließlich war sie verkatert, nackt und hatte keine Ahnung, wie sie zu mir ins Bett kam. Deshalb klärte ich sie auf die Kürze auf. Aber so recht glauben, wollte sie mir

nicht. Als ihr aber dann ihre Klamotten gab, schien sie mir ein wenig Glauben zu schenken. Denn sie roch selbst den starken Urin-Bier Gestank. Dann flossen Tränen. Ich strich ihr zärtlich übers Haar, blickte sie mitleidig und liebevoll an und sagte ihr leise, das ich ein kleines Katerfrühstück zubereiten werde und ans Bett bringe. Begeistert war sie nicht davon. Das hatte ich aber auch nicht erwartet. Wenigstens giftete sie mich nicht mehr an. Nur zaghaft nippte sie am Kaffee und biss sie in den Toast. In der Zwischenzeit hatte sie ein Shirt und eine Shorts von mir bekommen. Schade

eigentlich. Ich hatte den Anblick ihres nackten Leibs sehr genossen. Aber man muss ja auch nicht alles übertreiben. Wer wusste schon, ob nicht irgendwann wieder einmal die Chance bestand sie unbekleidet zu sehen. Nach dem Frühstück, legte sie sich noch einmal hin und schlief. Währenddessen wusch ich ihre Klamotten. Leider konnte sie mir nicht sagen, wo sie sich ausgezogen hatte. Sie konnte sich an gar nichts mehr erinnern. Nicht einmal, das sie beim Konzert gewesen war. Aber sie hatte jetzt ja mich. Meine Klamotten passten auch ihr. Zwar hatte kein Büstenhalter für sie, aber dafür Unterhose, Shirt, Socken und Hose.

Meine Schuhe stopften wir aus. Sie bekam von mir ein paar alte Latschen, die zwar noch gut aussahen, aber die ich bisher nur einmal anhatte, weil sie mir zu eng waren. Ich weiß selber nicht, warum ich sie mir damals gekauft hatte. So ein schönes Lächeln, wie sie es mir beim Konzert geschenkt hatte, als ich ihr Bier nachschenkte, gab sie mir nicht mehr. Schade. Sie war auch nicht wirklich in der Lage dazu gewesen. Ihr Kopf war noch zu schwer. Ich wollte sie ja zum Bleiben überreden. Aber sie wollte unbedingt gehen und ihre Klamotten suchen. Ohne mich. Kein Lächeln. Nicht einmal ein Danke. Auch kein Tschüss. Nichts. Gar nichts.

Sie verließ mich einfach, ohne sich noch einmal umzudrehen. Werde ich sie jemals wiedersehen? Ich habe noch ihren Rock und ihr Höschen. Wird sie es irgendwann einmal abholen kommen?

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