SternVonUsedom YEP )) Herzlichst DEr Stern |
Feedre Wie wohl ist dem, der dann und wann Sich etwas Schönes dichten kann. Der Mensch, durchtrieben und gescheit, Bemerkte schon zu alter Zeit, Daß ihm hienieden allerlei Verdrießlich und zuwider sei. Die Freude flieht auf allen Wegen; Der Ärger kommt uns gern entgegen. Gar mancher schleicht betrübt umher; Sein Knopfloch ist so öd und leer. Für manchen hat ein Mädchen Reiz, Nur bleibt die Liebe seinerseits. Doch gibt’s noch mehr Verdrießlichkeiten. Zum Beispiel läßt sich nicht bestreiten: Die Sorge, wie man Nahrung findet, Ist häufig nicht so unbegründet. Kommt einer dann und fragt: „Wie geht’s?“ Steht man gewöhnlich oder stets Gewissermaßen peinlich da, Indem man spricht: „Nun, so lala!“ Und nur der Heuchler lacht vergnüglich Und gibt zur Antwort: „Ei, vorzüglich!“ Im Durchschnitt ist man kummervoll Und weiß nicht, was man machen soll. - Nicht so der Dichter. Kaum mißfällt Ihm diese altgebackne Welt, So knetet er aus weicher Kleie Für sich privatim eine neue Und zieht als freier Musensohn In die Poetendimension. Die fünfte, da die vierte jetzt Von Geistern ohnehin besetzt. Hier ist es luftig, duftig schön, Hier hat er nichts mehr auszustehn, Hier aus dem mütterlichen Busen Der ewig wohlgenährten Musen Rinnt ihm der Stoff beständig neu In seine saubre Molkerei. Gleichwie die brave Bauernmutter. Tagtäglich macht sie frische Butter. Des Abends spät, des morgens frühe Zupft sie am Hinterleib der Kühe Mit kunstgeübten Handgelenken Und trägt, was kommt, zu kühlen Schränken, Wo bald ihr Finger, leicht gekrümmt, Den fetten Rahm, der oben schwimmt, Beiseite schöpft und so in Masse Vereint im hohen Butterfasse. Jetzt mit durchlöchertem Pistille Bedrängt sie die geschmeidge Fülle. Es kullert, bullert, quietscht und quatscht, Wird auf und nieder durchgematscht, Bis das geplagte Element Vor Angst in Dick und Dünn sich trennt. Dies ist der Augenblick der Wonne. Sie hebt das Dicke aus der Tonne, Legt’s in die Mulde, flach vom Holz, Durchknetet es und drückt und rollt’s, Und sieh, in frommen Händen hält se Die wohlgeratne Butterwälze. So auch der Dichter. - Stillbeglückt Hat er sich was zurechtgedrückt Und fühlt sich nun in jeder Richtung Befriedigt durch die eigne Dichtung. Doch guter Menschen Hauptbestreben Ist, andern auch was abzugeben. Dem Dichter, dem sein Fabrikat Soviel Genuß bereitet hat, Er sehnt sich sehr, er kann nicht ruhn, Auch andern damit wohlzutun; Und muß er sich auch recht bemühn, Er sucht sich wen und findet ihn; Und sträubt sich der vor solchen Freuden, Er kann sein Glück mal nicht vermeiden. Am Mittelknopfe seiner Weste Hält ihn der Dichter dringen feste, Führt ihn beiseit zum guten Zwecke In eine lauschig stille Ecke, Und schon erfolgt der Griff, der rasche, Links in die warme Busentasche, Und rauschend öffnen sich die Spalten Des Manuskripts, die viel enthalten. Die Lippe sprüht, das Auge leuchtet, Des Lauschers Bart wird angefeuchtet, Denn nah und warm, wie sanftes Flöten, Ertönt die Stimme des Poeten. - „Vortrefflich!“ ruft des Dichters Freund, Dasselbe, was der Dichter meint; Und, was er sicher weiß zu glauben, Darf sich doch jeder wohl erlauben. Wie schön, wenn dann, was er erdacht, Empfunden und zurecht gemacht, Wenn seines Geistes Kunstprodukt, im Morgenblättchen abgedruckt, Vom treuen Kolporteur geleitet, Sich durch die ganze Stadt verbreitet: Das Wasser kocht. - In jedem Hause, Hervor aus stiller Schlummerklause, Eilt neu gestärkt und neu gereinigt, Froh grüßend, weil aufs neu geeinigt, Hausvater, Mutter, Jüngling, Mädchen Zum Frühkaffee mit frischen Brötchen. Sie alle bitten nach der Reihe Das Morgenblatt sich aus das neue, und jeder stutzt und jeder spricht: „Was für ein reizendes Gedicht!“ Durch die Lorgnetten, durch die Brillen, Durch weit geöffnete Pupillen, erst in den Kopf, dann in das Herz, Dann kreuz und quer und niederwärts Fließt’s und durchweicht das ganze Wesen Von denen allen, die es lesen. Nun lebt in Leib und Seel der Leute, Umschlossen vom Bezirk der Häute Und andern warmen Kleidungsstücken, Der Dichter fort, um zu beglücken, Bis daß er schließlich abgenützt, Verklungen oder ausgeschwitzt. Ein schönes Los! Indessen doch Das allerschönste blüht ihm noch. Denn Laura, seine süße Qual, Sein Himmelstraum, sein Ideal, Die glühend ihm entgegenfliegt, Besiegt in seinen Armen liegt, Sie flüstert schmachtend inniglich: „Göttlicher Mensch, ich schätze dich! Und daß du so mein Herz gewannst, Macht bloß, weil du so dichten kannst!“ Oh, wie beglückt ist doch ein Mann, Wenn er Gedichte machen kann! Wilhelm Busch (1832 - 1908), deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller Herzlichen Gruß ins Wochenende Feedre |