4.Kapitel
Als ich dieses Mal aufwachte, sah ich, wie Fjorde und Berge an mir vorbeiziehen.
Ich befand mich in einem Zug und so wie ich die Landschaft deuten kann, waren wir auf dem Weg durch Norwegen. Neben mir saß Jey, der aber mit einem Buch in der Hand an meiner Schulter eingeschlafen war. Gegenüber saß Fön, die begeistert in einem Kochbuch stöberte. Als sie merkte, dass ich wach war, lächelte sie mich freundlich an.
„Ah, du bist wach, Liebling. Wie geht es dir? Hast du gut geschlafen? Jey kann
anscheinend gut schlafen!“
Sie zeigte auf Jey und ich musste lachen.
„Ja, ich hab gut geschlafen, danke. Mir gehts ganz gut. Ich bin jetzt voller Energie und kann das Abenteuer kaum erwarten.“
„Ach, Sou. Dein Großvater wäre so stolz auf dich.“
„Kannst du mir eigentlich was von Großvater erzählen? Wie der so war zum Beispiel. Was mit ihm und meiner Großmutter passiert ist.“
„Ich denke Sou, ich kann dir sagen, dass dein Großvater, bevor er das Buch gefunden hat eine sehr nette und freundliche Person war, der seine Frau, also deine Großmutter, sehr geliebt hat.“
Ich nickte und denke mir schon, dass Fön mir mehr nicht erzählen wird. Den Rest müssen Jey und ich schon selbst herausfinden. An unseren Sitzen fährt gerade ein Wagen vorbei, der vollgepackt war mit Essen und Getränken und selbstverständlich wurde Jey genau in dem Moment wach und rennt dem Wagen hinter her . Ich musste lachen. Der ist so verfressen. Das ist unglaublich. Verfressen und ein Bücherwurm. Naja, er ist halt mein Bruder.
Als er mit einem Brötchen im Mund, einem Brötchen in der rechten Hand und einem in der linken Hand zu uns zurückkam, fingen Fön und ich an
zulachen. Wir dachten wohl das gleiche.
„Ist was? Hier, die hab ich euch mitgebracht. Ich hab gedacht, vielleicht habt ihr ja auch Hunger.“
Er reicht uns die Brötchen. Eins mir und das andere Fön. Jey ist zwar nach Essen süchtig, denkt aber auch an die anderen. Mein Bruder halt. Wir nehmen die Brötchen, nicken uns zu und fangen an zu essen. Erst jetzt bemerkte, ich was ich für ein Hunger hatte.
„Wie lange fahren wir eigentlich noch, Fön?“, frage ich Fön, die genussvoll das Brötchen aß.
„Wir sind gleich da. Ihr könnt eure Sachen schon mal zusammen suchen.“
Jey und ich suchten unsere Sachen
zusammen und tatsächlich standen wir nach 15 Minuten auf dem Bahnhof von Oslo.
Jetzt fing das Abenteuer an. Wie auch immer es sich zu entwickeln vermochte.
„Los, beeilt euch wir müssen schnell weiter!“, sagte Fön zu uns und ohne zu fragen rannten wir Fön hinterher, die erst anhielt, als wir vor einem Jeep stehen.
„Steigt ein. Mit dem fahren wir jetzt zu den Fjorden in den Norden von Norwegen. Ihr könnt gleich schon mal eure dicken Jacken anziehen“, erklärte uns Fön. Wir stiegen in den Jeep, der zum Glück geschlossen war und eine Heizung hatte, denn es war jetzt schon
echt frisch und wenn wir erstmal weiter im Norden waren... Uhhhh, das wird kalt. dachte ich. Wir fuhren los und mit jedem Kilometer sehe ich immer mehr Berge vor uns.
„Sag mal Fön, hast du den Wagen eigentlich gestohlen oder so?“
„Wie kommst du den darauf Sou? Der Wagen gehört uns, besser gesagt eurem Vater.“
„Unserem Vater?“
„Er hat sich einen Jeep gekauft als er mal öfter wegen der Arbeit nach Norwegen musste und wenn er mal euren Großvater und eure Großmutter besuchen wollte. Die beiden lebten in einer kleinen Hütte im Wald. Eigentlich eine
sehr schöne Gegend, aber es ist schwer dort hinzukommen, Deshalb der Jeep.“
„Das heißt, wir fahren jetzt bestimmt zu dieser Hütte im Wald.“
„Du bist ein schlaues Kind! Ja, wir fahren jetzt zu dieser Hütte.“ Sie schaute in den Rückspiegel, zu meinem Bruder auf der Rückbank. „…Was ist eigentlich mit dir Jey? Du bist schon die ganze Zeit so still. Stimmt was nicht?“
Da hatte Fön recht. Schon im Zug war er so still gewesen und im Auto war er bis jetzt auch so still gewesen. Fön und ich richten unsere Blicke auf Jey und warten auf die Antwort von ihm. Der zögerte noch, doch dann fängt er an zu erzählen.
„Ich weiß auch nicht. Irgendwie ist das
alles ziemlich crazy. Wir haben ein Buch gefunden was voller komischen Sprüchen steckt, finden heraus, dass das Buch unserem Großvater gehört hat und dass er durch das Buch verrückt geworden ist, fahren jetzt nach Norwegen um das Buch dort hin zu bringen wo es hingehört. Da kommen mir ein paar Fragen auf, wie zum Beispiel er das Buch gefunden hat. Es lag wahrscheinlich nicht einfach in irgendeiner Bibliothek rum.“
Wow, das hatte ich jetzt nicht von meinem Brüderchen erwartet. Er ist so ernst, was wirklich nur sehr selten vorkommt.
Fön hingegen ist begeistert und strahlt Jey richtig an.
„Ihr beiden könnt echt nur Zwillinge sein. Beide so genial.“ Sie wurde wieder etwas ruhiger und richtete ihren Blick auf die holprige Waldstraße, auf der wir uns nun befinden. „Jey… du hast eine sehr wichtige Frage gestellt, die ich allerdings nicht beantworten darf. Aber behalte die Frage im Hinterkopf. Vielleicht kommt bald die Möglichkeit, dass dir die Frage beantwortet werden kann.“
Eine Weile war es ruhig und ich hing meinen Gedanken nach.
Irgendwann zeigte Fön nach vorne und hatte mich damit voll vom Thema abgelenkt, denn die Schönheit, die man gerade durch die Frontscheibe des Autos
sehen kann, ist einfach unglaublich toll und atemberaubend. Überall ist es grün und die Berge ragen hoch empor. Es ist einfach unbeschreiblich schön.
Doch Jey lässt sich davon nicht beeindrucken. Er schaut eher besorgt aus seinem Fenster.
„Hey Jey, was ist denn los mit dir? So kenne ich dich ja gar nicht!“
„Nicht nur das alles macht mir Sorgen, Sou. Als wir ihm Zug saßen und ihr einmal kurz von Opa und dem Buch geredet habt, war ich schon wach und hab mit einem Auge gesehen wie uns ein Junge und ein Mädchen komisch angesehen haben. Das Mädchen hatte die ganze Zeit den Blick auf die Tasche, wo
das Buch drin ist, gehabt. Mir kam das in dem Moment einfach nur schwachsinnig vor und ich hab nichts gesagt. Aber irgendwie hat mir das keine Ruhe gelassen.“
Ich war ganz geschockt als Jey mir das erzählt. Ich wusste gar nicht, was ich dazu jetzt sagen sollte, aber das brauche ich auch nicht, denn Fön wurde hellhörig und auch etwas angespannt als sie das hörte. Mit ein wenig Besorgnis in ihrer Stimme fragt sie Jey: „Wie sahen das Mädchen und der Junge aus? Sahen sie aus wie Zwillinge?“
Die Besorgnis und die Angst in der Stimme von Fön ließ es mir kalt über den Rücken laufen.
„Ja Fön, ich glaube sie waren Zwillinge. Außerdem hatte der Junge Rastalocken und das Mädchen blaue Strähnen in ihren Haaren. Ach und der Junge hatte eine kleine Narbe unter dem rechten Auge. Wieso fragst du?“
Jey sah nun noch besorgter aus als vorher und Fön stand die Angst ins Gesicht geschrieben.
Plötzlich hörten wir Wasser rauschen, obwohl um uns herum das Wasser flach lag. Jey und ich sehen Fön an, die jetzt noch bleicher war.
„Okay, hört mir jetzt genau zu. Die Zwillinge, die du gesehen hast, Jey, sind Ebbe und Flut. Sie sind hinter dem Buch her, also hinter euch. Sie wollen
verhindern, dass das Buch dort zurück kommt wo es hingehört.“
Das Wasserrauschen wurde stärker und Fön fing an zu schwitzen.
„Hört zu, ihr müsst mir jetzt vertrauen! Ihr…“
Ich war wie in einer Trance. Alles was Fön erzählte, hatte ich gehört, aber war so überwältigt, dass ich nichts dazu sagen kann. Das Wasserrauschen wurde stärker und Fön fing an, etwas auf Norwegisch zu sprechen zumindest glaubte ich, dass das Norwegisch war und ich sah nur noch, wie Jey in sich zusammensackt, bevor ich in eine schwarze Welt hinein tauchte und ich bewusstlos wurde.