Fantasy & Horror
Die Wilde Ebene - 6 - Das StoAx (Teil 3)

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"Die Wilde Ebene - 6 - Das StoAx (Teil 3)"
Veröffentlicht am 20. Juli 2015, 36 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
© Umschlag Bildmaterial: Jon Barnis
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Über mich gibt es erstaunlich wenig zu sagen. Ich schreibe. Hin und wieder. Zeitweise auch mal öfter und intensiver. Ich denke zu oft, urteile zu schnell und merke mir definitiv zu wenig ... zumindest zu wenig von den unwichtigen Sachen die die Welt bewegen und sie dennoch nicht verändern. Ich verabscheue Oberflächlichkeiten und Smal-Talk, rede gern, wenn ich wirklich was bei zu tragen habe, und schweige ansonsten lieber. Ah, und ohne die ...
Die Wilde Ebene - 6 - Das StoAx (Teil 3)

Die Wilde Ebene - 6 - Das StoAx (Teil 3)

Vorwort

Auch beim dritten Teil dieses etwas ausufernden Kapitels möchte ich vorher jurz anmerken, das es natürlich deutlich zum Verständniss beiträgt, wenn man die beiden ersten Teile vorher gelesen hat. Ich gehe mal forsch davon aus, dass Sie das auch getan haben und erspare mir deshalb hier an der Stelle eine Inhaltsangabe. Viel Spaß also weiterhin!


Jon.

Das Sto Ax - Geschenk des Waldes - Teil 3

Der Bergling saß noch immer auf seinem Stein, als ob er sich in der ganzen Zeit nicht eine Hand breit bewegt hätte. Interessiert musterte er mich und den voll beladenen Wagen in meiner Hand, auf dem ein Kleiner Harzer zufrieden thronte. "Nun, ich sehe, du hattest Erfolg!" sagte er ruhig und anerkennend, mit der Stimme des Baumes hinter ihm "Mein Bruder ist sehr erleichtert, dass du ihn von dieser Plage befreit hast" "Plage!?" quiekte der Kleine Harzer "Plage! Ich zeig dir gleich was eine Plage ist, du stinkendes Stück Hol... "


"Ruhig, eure Hoheit, ganz ruhig, denken Sie an unsere Abmachung" mahnte ich ihn mit gedämpfter Stimme Er verstummte, machte aber ein beleidigtes Gesicht, was außerordentlich putzig wirkte. Der Baum ignorierte ihn zum Glück komplett und fuhr ungerührt fort "Ich muss zugeben, dass deine Lösung des Problems eher unkonventionell war, aber zumindest kreativ. Mir gefällt zwar nicht, dass jetzt eine Weide unter ihm zu leiden hat, aber sei´s drum, es war wohl kaum zu verhindern. Wenigstens hast du dafür gesorgt, dass er sie nicht schält sondern sein altes Nest mitbringt. Das dürfte ihr Leid etwas erträglicher machen. Alles in allem muss ich gestehen, dass ich zufrieden bin mit der Lösung und dir somit, wenn meine Brüder einverstanden sind, das Geschenk des Waldes übergebe.

Eine Ehre, die schon lange niemanden mehr zu Teil wurde. Wir ziehen uns nun kurz zur Beratung zurück, bitte hab noch ein Moment Geduld." Mittlerweile war es später Nachmittag geworden im Tal der Winde. Nebenbei gesagt habe ich selten einen Ort erlebt, der windstiller war. Warum das Tal dennoch diesen Namen trug, war mir deshalb ein Rätsel. Die Sonne begann sich derweil langsam aber unaufhaltsam von der Lichtung zurück zu ziehen, immer länger werdende Schatten folgten ihr dabei auf den orangeroten Fuß. Von den 'Beratungen' konnte ich leider nichts mit bekommen, sie fanden in einer Sprache statt, welche ich sicherlich nie verstehen werde, bestand sie doch hauptsächlich aus Blätterrauschen und Holzknarren. Derweil saß der Bergling weiter auf dem Stein und versuchte uns so wenig wie möglich Beachtung zu schenken, was ihm recht

ordentlich gelang. Man konnte eine deutliche Spannung zwischen ihm und dem Kleinen Harzer spüren, die sicherlich nicht erst seit heute bestand. Nach kurzer Zeit sprach er dann, so unvermittelt, dass ich zusammen zuckte "So, Brüder haben eine Entscheidung gefällt. Prüfling, erheb dich!" Ihm war an zu sehen, dass er es kaum noch erwarten konnte, wieder in seinem Bett zu liegen, wo immer das auch stehen mochte. Daher versuchte er die Sache so schnell es ging hinter sich zu bringen. "Hada, ich bin wieder bereit" sprach er dann, und verwandelte sich sogleich erneut in die Marionette des alten Schwarzblut-Baumes.

"Suchender. Dir wird nun eine Ehre zu Teil, die nur wenigen Sterblichen jemals vergönnt war. Ich werde dir jetzt das Geschenk des Waldes verleihen, in der Hoffnung, und der festen Überzeugung, dass du es zum Guten benutzen wirst. Bitte tritt ein wenig zurück." Ich tat wie mir geheißen, auch wenn mir nicht ganz klar war, wozu das dienen sollte. Dann begann die Erde tief unter mir zu beben. Es klang, als ob sich etwas an die Oberfläche kämpfte, wurde immer lauter und stärker, bis direkt vor mir der Boden auf brach und eine schwarze Wurzel hervor trat. Nur gut das ich einen Schritt zurück getreten war. Die Wurzel hatte gerade mal den Umfang eines kleinen Astes, zeigte sich aber wendig wie eine Schlange. Darauf folgte eine Weitere, dann die Dritte. Im Boden war nun ein ansehnliches Loch

entstanden, an dessen Rändern die Erde in groben Klumpen hinab viel. Der Staub legte sich nur langsam, dann aber konnte ich erkennen, dass die letzte Wurzel etwas mitgebracht hatte aus dem Erdreich. Ein mittelgroßer, blauer Edelstein klemmte zwischen ihren Verzweigungen, die sich wie Finger um ihn rankten und ihn somit fest umklammert hielten. Dann wurde es still. Nichts bewegte sich mehr. Alles umher schien in Ehrfurcht erstarrt zu sein beim Anblick dieses kleinen Artefaktes. Nach einigen Augenblicken begann Hada mit ruhiger Stimme wieder zu sprechen. "Unsere Wurzeln reichen sehr tief" begann er an mich gerichtet "Sie durchwühlen den Boden noch weit unterhalb der Schichten, die menschliche Bergarbeiter jemals betreten haben. Dabei stoßen wir auf so manch wundersame Schätze,

verloren gegangen oder absichtlich vergraben, von Lebewesen deren Namen heute niemand mehr kennt.“ Langsam drehte er die Wurzel, wie ein geschickter Markt-Händler, damit ich das wertvolle Stück in aller Ruhe betrachten konnte. „Dieser Stein ist einer von acht. Ich fand ihn in einem verzweigten Höhlen-System, am Ende eines Korridors, welcher komplett mit einem blank polierten Metall ausgekleidet war. Die sieben Anderen seiner Art sind noch immer dort, leider aber für mich nun unerreichbar. Als ich den Blauen aus dem Sockel nahm, setzte sich eine Art Mechanismus in Gang, der die schweren Türen des Korridors zu schließen begann. Gerade noch rechtzeitig schaffte ich es, die Wurzel hinaus zu ziehen, bevor sie zerquetscht werden konnte.

Alle meine Versuche die Tür wieder auf zu brechen, und mich auch der anderen Steine zu bemächtigen, blieben seither erfolglos. So ist dieser blaue Stein nun der Einzige seiner Art, der das Licht der Sonne erblicken wird. Er soll dein Lohn sein für die bestandene Prüfung." Sogleich schlang sich eine der anderen Wurzeln um die, die den Stein umklammert hielt. Erst zaghaft, dann immer fester, bis ein knacken des Geräusch zu hören war. Im selben Moment konnte man aus des Baumes Nähe ein leises Stöhnen vernehmen. Der Teil der Wurzel mit dem eingeschlossenen Stein löste sich und viel vor mit auf den Boden. "Ich habe diesen Schatz lange gehütet, zu lange, wie mir scheint. Du kannst dir sicher vorstellen, dass es mir nicht leicht fällt, mich jetzt davon zu trennen.


Aber ich glaube, und hoffe, in deinen Händen wird er Gutes bewirken. Außerdem..." Er zögerte einen Moment, schien angestrengt zu überlegen ob es Weise wäre, das aus zu sprechen, was ihm gerade auf der hölzernen Zunge lag. "Außerdem muss ich mich bei dir entschuldigen. Eigentlich war deine Prüfung schon beendet, als der Bergling dich fragte, ob du gekommen bist, um die Schönheit der alten Bäume zu betrachten oder die Prüfung ab zu legen. Die richtige Antwort auf diese Frage ist ´beides´ und sie genügt schon, um das Geschenk des Waldes zu erhalten. Nach über sechzig Jahren bist du der erste Suchende, der sie gegeben hat. Es ist so einfach, sollte man glauben,



dennoch bekommen wir sie nur sehr selten zu hören." Nun sah der Bergling sehr traurig aus, fast schon deprimiert. Ich dagegen war gerade dabei, empört die Gesichtsfarbe zu wechseln. „Wir graben unaufhörlich in der Erde“ fuhr er fort „und finden dabei viele sonderbare Schätze. Allerdings können wir damit naturgemäß wenig anfangen, und so kamen wir auf die Idee, sie zu verschenken. Natürlich nicht an jeden daher gelaufenen Wanderer, nein, nur an die, die sie würdig zeigen. Wir wollten diejenigen zu belohnen, die zu uns kommen und den langen Weg nicht nur des Schatzes wegen auf sich nehmen. Schließlich gibt es hier die fünf letzten Schwarzblut-Bäume der Vergessenen Lande zu bestaunen. Wir waren sehr enttäuscht, als wir merkten, wie Wenige überhaupt an uns interessant sind,

wie wenig man uns Beachtung schenkt." "Moment" warf ich entrüstet ein "Dann habe ich den Kleinen Harzer ganz umsonst zum Umsiedeln überredet?" "Nein, selbstverständlich nicht. Du hast meinem Bruder damit einen großen Dienst erwiesen, und uns in der Gewissheit bestärkt, dass der Stein bei dir gut aufgehoben ist" "Was für eine Frechheit!" quäckte es nun auf dem flachen Stein neben mir, wo ich den Wagen des Harzers samt Besitzer abgestellt hatte. "Eine unerhörte Frechheit! Ihr habt den Menschen benutzt, um mich los zu werden! Und jetzt stellt sagt ihr, dass er es überhaupt nicht tun musste? Das ist doch..." "Ruhig, ganz ruhig" ermahnte ich ihn wieder beiläufig

"ich finde das auch unverschämt, glauben Sie mir. Aber wie gesagt, denken Sie an die Weiden, Hoheit, es hatte also auch etwas Gutes" Das verfehlte seine Wirkung nicht, zumindest beschränkte er sich ab jetzt darauf, eingeschnappt und schmollend auf seinen verschnürten Habseligkeiten zu sitzen. Der Baum ignorierte ihn weiterhin und fuhr fort "Außerdem muss jeder Suchende eine Aufgabe erfüllen, auch wenn er vorher eigentlich schon versagt hat, weil er die falsche Antwort gab. Oder tatsächlich richtig lag. Versteh doch, wenn sich herum spräche, dass nicht die Aufgabe die Prüfung ist sondern eine einfache Frage, auf die man in bestimmter Art antworten muss - das wäre ein Desaster! Ich entschied mich, dir dieses gut gehütete Geheimnis zu offenbaren, auch wenn meine Brüder dagegen waren.

Weil ich dein Ziel kenne. Weil ich weiß, nach was du suchst und wozu du unser Geschenk brauchst." Ich war überrascht, verlor ich doch bisher kein Wort über meine weitere Reise und hatte es auch nicht vor. Aber Hara ließ mir keine Zeit zu fragen. "Deine Gedanken liegen die ganze Zeit offen, weil du keine Anstalten machst, sie vor mir zu verbergen. Du hast so oft und intensiv darüber nachgedacht, welches die nächsten Schritte sein würden, das es fast unmöglich war, das zu ignorieren. Nun aber nimm deine Belohnung bitte, du hast sie verdient." Ich bückte mich, nicht ohne dem Bergling und Hara ein paar misstrauische Blicke zu zu werfen, nahm den kleinen Stab mit zwei Fingern auf und betrachtete ihn ausgiebig. Er

war angenehm warm, und wenn man dem Stein näher kam, begann sich ein seltsames Kribbeln in der Hand aus zu breiten. "Du solltest ihn übrigens nicht berühren" sagte der Baum fast beiläufig "ich befürchte, bei einem Menschen könnte er... unvorhersehbar reagieren" ich hielt es für besser seinen Rat zu folgen. "Wie funktioniert er" wollte ich wissen "was für Kräfte besitze er?" "Darüber kann ich dir keine Auskunft geben. Um das heraus zu finden, musst du wohl ein wenig damit experimentieren. Aber bitte nicht hier im Wald, er scheint mir zu unberechenbar zu sein" "Ich danke dir für das Geschenk, euch allen, auch wenn ihr uns getäuscht habt.

Dennoch wird es mir auf der Reise sicher nützlich sein." sagte ich.

Da sich der Nachmittag jetzt unaufhaltsam in den Abend verwandelte, hielt ich es für besser, auf zu brechen.


"Erlaubt uns nun, dass wir uns verabschieden, wir haben noch einen weiten Weg..." "Oh, das würde ich euch nicht raten" unterbrach mich der Baum "Ihr werdet es vor Anbruch der Dämmerung unmöglich aus dem Wald hinaus schaffen, wenn euch nicht spontan Flügel wachsen. Das Tal der Winde ist zwar am Tag gefahrlos zu durchqueren, nachdem die Sonne über unseren Kronen verschwunden ist, verwandelt es sich allerdings in eine tödliche Falle. Ihr könnt aber den neuen Tag auf dieser Lichtung abwarten,



wir werden dafür sorgen, dass euch kein Leid geschieht." Der kleine Harzer schien zumindest dieses Mal mit dem Baum einer Meinung zu sein. "Er hat leider Recht! Nachts schleichen zwischen den knorrigen alten Stämmen Wesen herum, wandelnde Schatten, unheimlich und auf der Suche nach... Ich weiß es nicht, irgendwas, aber Ihnen möchte ich nicht begegnen, und du sicher auch nicht." Damals wusste ich nicht, dass diese Wesen in anderen Teilen der Lande „Schwarze Schleicher“ genannt werden, und das ich ihnen auf meiner weiteren Reise noch des Öfteren ungewollt über den Weg lief. "Gut, dann würde ich sagen, wir nehmen das Angebot an und bedanken uns für die Gastfreundschaft" sagte ich

"Zuvor möchte ich dich aber bitten, Hara, den Bergling für heute aus deinem Dienst zu entlassen. Er sieht müde aus, wenn er gerade nicht mit deiner Stimme spricht. Wir wollen seine Geduld nicht noch länger strapazieren." "So sei es, sicherlich hast du Recht. Dann verabschiede ich mich, hier und jetzt. Wenn morgen die ersten Sonnenstrahlen auf die Lichtung fallen, solltet ihr gefahrlos eure Reise fortsetzen können. Bis dahin stelle ich euch ein paar Wächter zur Seite, nur zur Sicherheit. Diese Wesen fürchten und meiden uns zwar, aber es geschieht dennoch nur selten, dass sich Menschen hier länger aufhalten. Man weiß nie, wie mutig sie werden beim Anblick einer so nahen Beute. Ich wünsche gut zu ruhen, auch im Namen meiner Brüder. Es war angenehm deine Bekanntschaft zu machen." Dann schüttelte sich der Bergling, sank in sich

zusammen und sah mit einmal unglaublich müde und schlaff aus. Es war sicher anstrengend, immer wieder einen Baum in seinem Kopf zu haben. Mit einem "Nacht" schlurfte er davon, ohne sich noch einmal um zu drehen. "Du kannst den Wagen hier auf dem Stein stehen lassen" sagte der Kleine Harzer neben mir "werde mir mein Nachtlager hier aufbauen. Ich denke für dich sollte das Moos dort recht bequem sein" Er zeige auf eine Stelle neben dem Stein, die mit niedrigen Flechten und Moosen bewachsen war und tatsächlich verhältnismäßig einladend erschien um dort ein improvisiertes Bett auf zu schlagen. Als ich damit fertig war und mich zur Ruhe legte, raschelte es plötzlich zwischen den Bäumen um mich herum. Mehrere Augenpaare erschienen, manche leuchtend gelb, andere eher

grün, alle aber unheimlich und beängstigend. Der Kleine Harzer war schon eingeschlafen, ein kaum wahrnehmbares Piepsen konnte man aus dem Wagen vernehmen, er schnarchte also friedlich. Ich wollte auf springen, hielt aber im letzten Moment inne. Aus der Dunkelheit kamen unheimliche Augen auf mich zu, wurden im Licht der fast erloschenen Dämmerung mit beschnauzten Köpfen versehen, dann mit langsam schreitenden Beinen, einem fellübersähten Körper und zu guter Letzt dem Schweif, buschig und hellgrau, wie der Rest der eleganten Tiere. Es waren die Wölfe, einer größer und imposanter als der Andere. Sie hielten auf die Stelle zu, an der wir unser Nachtlager auf geschlagen hatten. Allerdings zeigten sie keinerlei Aggressionen, ihre Blicke waren freundlich aber wachsam. Wie angewurzelt lag ich auf meinem Rucksack, der mir als Kissen diente, sah wie sie auf mich zu kamen und erst

Halt machten, als sie nur noch drei oder vier Fuß von uns entfernt waren. Der Größte von Ihnen sah mich mit seinen grünen Augen lange und eindringlich an. Dann senkte er fast unmerklich den Kopf ein wenig, als ob er mir damit Respekt zollen wollte und legte sich direkt neben mich der Länge nach hin. Die anderen Wölfe taten ihm gleich, bildeten so einen Kreis um uns, einen graufelligen Schutzwall vor der Dunkelheit. Dann begannen sie zu knurren, im Einklang, wie aus einer Kehle. Es war kein bedrohliches Geräusch, eher beruhigend, ähnlich dem Schnurren von Katzen. Es wirkte sofort, denn nur wenige Augenblicke später war ich bereits in einen sanften, traumlosen Schlaf gesunken.


Als ich am Morgen darauf erwachte, war die Sonne schon über die Bäume hinaus geklettert und flutete die ersten Teile der Wiese mit warmen Licht. Auch wenn es nun wieder

komplett windstill war, schien in der Nacht ein kräftiger Sturm durch den Wald gefegt zu sein. Einige Blätter und kleine Zweige lagen dicht bei meinem Lager und teilweise auch auf mir, doch muss ich wohl tief im Schlaf versunken gewesen sein, denn von all dem hatte ich nichts mit bekommen. Die Wölfe waren verschwunden, bis auf den einen, größeren, vermutlich der Rudelführer der Sippe. Er stand beim Wagen des Kleinen Harzers, den Kopf geneigt, mit gespitzten Ohren. Auf dem Felsen, dicht bei ihm, stand seine winzige Hoheit, sprach mit dem Tier in einer mir unbekannten Sprache und gestikulierte wild mit den Händen. Der Wolf lauschte nur, knurrte hin und wieder leise und arbeitete ansonsten mit rührender Gesichtsgestik, um zu antworten. Eigentlich wollte ich die Verabschiedungszeremonie nicht unterbrechen,

aber der Harzer hatte schon bemerkt, dass ich erwacht war, hielt im Gespräch inne und fragte, an mich gerichtet "Bist du bereit zum Abreisen? Der Weg ist noch weit, würde gern so schnell es geht in mein neues Zuhause ein ziehen." "Auch Ihnen einen schönen guten Morgen" erwiderte ich noch etwas verschlafen und missmutig. Morgens hat meine Laune normalerweise noch viel Potential um sich im Laufe des Tages zu bessern. "Ich packe kurz noch meine Sachen zusammen, dann können wir auf brechen" Während ich das tat, konnte ich beobachten, wie der Harzer sich vom großen, grauen Wolf

verabschiedete. Zuerst sprach er noch ein paar ruhige Worte, dann verstummte er, trat an den Kopf des Tieres heran, welcher im Vergleich zu ihm haushoch sein musste und sah ihm in die riesigen Augen. Der Wolf hielt den Blick kurz stand, neigte dann das Haupt, was wieder einer kleinen Verbeugung glich, und schloss die Augen. Der Harzer tat es ihm gleich, hob dann seinen winzigen Arm und legte seine noch winzigere Hand auf das graue Fell oberhalb der Nase des Tieres. Ein kurzes, dunkles Brummen war zu vernehmen, dann folgte ein ruhiger Moment, in dem beide erstarrt zu sein schienen. Nur wenige Augenblicke später war alles vorbei, beide öffneten die Augen wieder, sahen sich ein letztes Mal an, dann trennten sich ihre Wege. Der Harzer ging zum Wagen und verschnürte gedankenverloren noch ein paar Habseligkeiten. Unterdessen trottete der Wolf in den Wald davon, ohne sich noch einmal um zu drehen. Eine anrührende Szene, die sich

in mein Gedächtnis bis heute glasklar ein gebrannt hat. Wenig später waren wir bereit zur Abreise. Den Wagen des Harzers hatte ich mit einem Strick gut am Gepäck befestigt, was dem kleinen Wesen sichtlich gefiel. Als wir die Lichtung verließen und wieder in die Schatten des Waldes ein tauchten, warf ich einen letzten Blick zurück. Ein leichter Wind kam auf, eher eine kurze Böe, ließ die Kronen der ehrwürdigen alten Bäume hin und her schwingen und flaute dann wieder genauso schnell ab. Es war, als würden sie uns zum Abschied zu winken, und ich musste mir eingestehen, das es auch mir schwer viel, diesen Ort zu verlassen. Hier war definitiv Magie am Werk. Die Schwarzblut-Bäume, die vermutlich letzten fünf ihrer Art in dieser Welt, machten den Wald immer noch zu einem mystischen Ort, weitab der Realität.

Bald darauf ließen wir die Bäume und das Tal der Winde hinter uns und traten den Aufstieg zum kahlen Hügel an, als die Mittagssonne am höchsten Stand. Hier oben im Hochland des Dreispitz-Gebirges war das Klima um diese Zeit erstaunlich ausgeglichen. Es wurde nachts nicht zu kalt, so dass man nicht gleich erfror wenn man es wagte im Freien zu schlafen. Tagsüber stieg die Temperatur um die Mittagszeit nur auf ein erträgliches Maß an, auch wenn man der Sonne hier ein paar hundert Meter näher war. So legten wir schnell eine gute Strecke zurück, übernachteten im Schutz einer alten Schürfer-Hütte am Silberfluss und folgten diesem auch am nächsten Tag, bis wir an den Weiden an kamen, die der Kleine Harzer so herbei gesehnt hatte. Schon von Weiten konnte er ihren Duft riechen. Noch bevor ich den kleinen Hain am Wasser überhaupt sah, rief

er aufgeregt "dort hinten, gleich, gleich müssen wir da sein!" und sprang vor Freude auf meiner Schulter herum. Die Weiden standen noch genau so majestätisch am Fluss herum wie vor knapp vier Tagen, als ich auf meiner Hinreise ihren Weg gekreuzt hatte. Erhaben streckten sie ihre Zweige über das Ufer hinaus, beugten sich dabei immer wieder sanft im Wind als dieser durch die Senke wehte und aalten sich ansonsten sehr zufrieden in der Nachmittagssonne. Scheinbar waren sie sich der 'Plage' noch nicht bewusst die ich mit mir führte, aber spätestens morgen früh, wenn der Harzer begann seinem Handwerk nach zu gehen, würde Ihnen klar werden, das sie nun einen neuen Untermieter beherbergten, der es hauptsächlich auf ihr Blut angesehen hatte.

"Setz mich ab, setz mich ab!" rief er aufgeregt "dort auf den Baumstumpf! Ein idealer Ort um mein Werk zu beginnen!" Ich tat wie mir geheißen und setzte den Wagen samt Schwarzblut-Harz, Behausung, Harzer-Werkzeug und Harzer auf einem Weiden-Stumpf ab, der direkt am Hain stand. "Nun trennen sich unsere Wege, Hoheit. Es war letztendlich erstaunlich angenehm, mit Ihnen zu Reisen. Aber gestatten sie mir zum Abschied noch eine Frage?" "Nenn mich bitte nicht Hoheit. Du hast dein Versprechen gehalten, wofür dir Dankbarkeit gebührt, und die Ehre mich mit meinem Namen ansprechen zu dürfen.


Haktar von den Hirschen, oberster Hüter der zweiten Kammer, erster Gesandter des Königs Leobarz, Träger Kalteisens, und Beauftragter Kundschafter seiner Majestät." Ich zögerte einen Moment, versuchte mir seinen Namen in der gleichen Vielfalt ins Gedächtnis zurück zu rufen "Für dich aber Haktar, das reicht.“ Ich war erleichtert. „Alle anderen Titel haben nur bei uns eine Bedeutung. Und natürlich sei dir eine letzte Frage gewehrt, bevor sich unsere Wege trennen." "Danke, Haktar. Ich würde gern wissen, was es mit dem Wolf auf sich hat" Der Kleine Harzer schien einen Moment nach zu denken, antwortete dann mit ungewöhnlich ruhiger und etwas belegter Stimme.

"Er ist mein Freund, dieser Wolf. Einer der wenigen die ich behaupten kann zu haben. Lange Geschichte, die du sicher nicht hören möchtest. Und die ich dir jetzt auch nicht erzählen werde. Nur so viel, er hat mir einmal das Leben gerettet. Seitdem... nun, ich hatte ihn gefragt ob er mich begleiten will, also uns, hier her. Aber er musste schweren Herzens verneinen, sein Rudel braucht ihn und diese verdammten alten Bäume wohl auch." "Das tut mir leid, davon wusste ich nichts. Aber vielleicht begegnet ihr euch irgendwann einmal wieder, schließlich ist es nur ein Tagesmarsch, zumindest für einen Wolf, von der Lichtung bis hier her." "Vielleicht Suche ich aber auch, wenn ich hier fertig bin, die Schwarzblut-Bäume wieder auf,

und zapfe noch ein wenig an ihnen herum. Dafür dass sie uns hinters Licht geführt haben hätten sie es eigentlich verdient." Ein höhnisches Lächeln huschte über seine Lippen, keck, verschmitzt und irgendwie sympathisch. Er blickte kurz zu Boden, oder besser gesagt, zu Baumstamm, legte den Faden/Tau beiseite, welches er gerade entwirren wollte um seine Habseligkeiten zu befreien und sah zu mir auf. "Ich wünsche dir viel Erfolg bei dem was du vor hast, auch wenn ich nur erahnen kann was das sein mag. Vermutlich wird es gefährlich, wenn du das da brauchst." Er zeige auf den Rucksack, in dem ich den StoAx, das Geschenk des Waldes verstaut hatte. "Wird es, ganz sicher sogar. Aber ich habe es begonnen und werde es auch beenden.

Dir wünsche ich eine reiche Ernte in deinem neuen Zuhause. Die Chance, dass wir uns jemals wieder begegnen ist zwar sehr gering, wenn aber doch, durch welche verrückten Zufälle auch immer, werden wir es als Freunde tun. Gehabe dich wohl, Hoheit." Nun war es an mir verschmitzt zu grinsen, worin aber auch ein wenig Wehmut mit schwang. Dieser Kleine Harzer war sicher anstrengend und schrullig, aber mir dennoch irgendwie ans Herz gewachsen. Mit einer ehrlich gemeinten Verbeugung verabschiedete ich mich von ihm, begab mich wieder auf den alten Weg, zurück nach Miosma und genoss die einzigartige Natur dieser Gegend in vollen Zügen. Etwa dreieinhalb Tage später erreichte ich die Stadt ohne größere Zwischenfälle, dafür aber mit einem Geschenk, welches mir in Zukunft

noch unerlässliche Dienste leisten sollte.

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JonBarnis
Über mich gibt es erstaunlich wenig zu sagen. Ich schreibe. Hin und wieder. Zeitweise auch mal öfter und intensiver. Ich denke zu oft, urteile zu schnell und merke mir definitiv zu wenig ... zumindest zu wenig von den unwichtigen Sachen die die Welt bewegen und sie dennoch nicht verändern. Ich verabscheue Oberflächlichkeiten und Smal-Talk, rede gern, wenn ich wirklich was bei zu tragen habe, und schweige ansonsten lieber. Ah, und ohne die rudimentäre Rechtschreibkorrektur von Open-Office wäre ich schon komplett aufgeschmissen. Was sagt das alles über mich aus? Falls jemand die Antwort weiß, bin ich für jede Nachricht diesbezüglich offen :)

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