Vorbemerkung
Wer englisch beherrscht, der kennt das Verbum „to nip“. Das heißt auf Deutsch zwicken, kneifen,.
Es gibt natürlich auch die Redewendung "to nip downthere", was soviel wie vorbeischauen heißt. "To take a nip" heißt wiederum ein Schlückchen trinken. Die Bezeichnung Nipper allerdings heißt wirklich der Kneifer.
Hier ist die wahre Geschichte, wie man auf den Hund kommt.
"Forumsbattle 42"
(neu eingestellt 09.03.2021)
Copyright: G.v.Tetzeli
Cover: G.v.Tetzeli
Verwendete Wettbewerbswörter:
Hundstage
Luxation
veredeln
Azubi
Knochen
kalibrieren
Nachrichten
nacktes Fleisch
Boutique
wedeln
kollaborieren
Nipper
Wir schreiben das Jahr 1881 und wir befinden uns irgendwo in einem Hinterhof in London. Dort kam ein kleiner Hund zur Welt. Er hatte natürlich noch keinen Namen, doch wir wollen ihn gleich so nennen, wie er später weltbekannt wurde: Nipper.
Ein süßer ‚Racker war er. Weißes Fell, freche Schnauze und Schlappohren in braun. Tja, welcher Rasse war nun unser Held zuzuordnen? Ich würde auf einen Mischling tippen. Stolze Engländer wiederum erklären, dass Nipper zumindest ein Teil Parson Russel Terrier wäre und der andere einem Fox Terrier zu verdanken sei.
Aber damals stand dieser herrenloser Hund noch nicht in den Nachrichten.
Über seine ersten drei Jahre wissen demzufolge wir nichts. Der Gute schlug sich halt als Köter in London so durch. Abfälle wurden durchforstet und dem Bettelhandwerk nachgegangen. Es war ein raues Leben, das Nipper führte, echte Hundstage. Nicht nur wegen des englischen, nasskaltem Wetters, das London zu bieten hatte, sondern auch wegen der täglichen Straßenkämpfe, denen man sich stellen musste, war das Überleben kein Zuckerschlecken. Na ja, so manch einem heute berühmten Schauspieler, oder Model ist es schließlich nicht anders ergangen.
Eines Tages aber, man schrieb das Jahr 1884, da begegnete Nipper einem Menschen, für den er augenblicklich Zuneigung empfand. Er verfolgte diesen Mann bis zu seiner Behausung und tatsächlich, es fiel ein Schälchen Milch ab. Ach guck, auch ein Würstchen fand den Weg in das kleine Schnäuzelchen. Der Mann war einsam, trotzdem er verheiratet war. Und so geschah es, dass Hund und Herrchen zueinander fanden. Eine ewige, innigliche Freundschaft.
Der Mann hieß Mark Barraud, seines Zeichens Bühnenbildner. Seine hervorstechendste Eigenschaft war seine Armut. Aber seit er Nipper als Gefährten hatte, da fand er wieder Gefallen am Dasein. Im Übrigen gelangen ihm nun auch komplizierte
Bühnenaufbauten, so dass er sich Lob einfing.
(Nipper - original - Photo)
Wieder drei Jahre später schlug das Schicksal des Lebens zu. Mark Barraud verstarb
plötzlich und Nipper war wieder allein. Das geschah im Jahre 1887.
Und genau in diesem Jahr wurde auch das Grammophon erfunden (Anmeldung zum Patent – Emil Berliner: 26. September 1887).
Nach dem Tod von Mark fiel die Erbmasse dem jüngeren Bruder Francis zu. Okay, es war nicht allzu viel, jedenfalls gehörte Nipper zu den armseligen Schätzen. Für Nipper änderte sich finanztechnisch kaum etwas, denn der Bruder Francis Barraud war ein mehr oder weniger erfolgreicher Werbetexter und Maler. Eher weniger erfolgreich.
Mit Nipper wiederum hatte es Francis Barraud auch nicht leicht. Oft saß Nipper an der Türe und wartete. Vielleicht würde endlich Mark
wiederkommen? Nipper wartete vergeblich.
Die Pflicht mit Nipper Gassi zu gehen, war für Francis unangenehm. Als ehemaliger Gassenköter legte sich Nipper mit jedem männlichen Konkurrenten an und hetzte jeder Hundetussi hinterher. Vielleicht lag es auch daran, dass ihm Liverpool nicht so gut gefiel, wie zuvor London. An anderen, menschlichen Fußgängern passten Nipper vor allem die Füße nicht. Wenn sich eine Gelegenheit ergab, biss er zu. Gäste in der Wohnung von Francis blieb Nipper oft in bleibender, schmerzlicher Erinnerung, den Nipper schnappte ordentlich beim Schuhwerk zu. Folglich fanden sich Besucher nur noch spärlich ein.
Nippers Benehmen ließ also zu wünschen übrig. Und da ihm dieses „in den Fuß beißen“ nicht abzugewöhnen war, erhielt er von Francis seinen Spitznamen: Nipper, der Kneifer.
Nipper blieb nur 3 Jahre bei Francis. Dann hatte er dessen Geduld ausgereizt.
Nipper bekam 1890 ein neues Zuhause. Er fühlte sich nun endlich wieder Pudel wohl, Verzeihung Terrier wohl. Seine neue Herrin war nämlich die Witwe seines geliebten Mark Barraud.
In Kingston-upon-Thames in Surrey konnte er nach Herzenslust Knochen verbuddeln und Ratten jagen. Auch die Fasanen im Richmond Park waren nicht vor ihm sicher.
Er hatte seine Freiheit, sein glückliches Leben gefunden. Mit der Witwe kam er prächtig aus und vom „Kneifen“ in nacktes Fuß-Fleisch wurde nie wieder etwas bekannt.
Erst 1894 verstarb er im Alter von 13 Jahren. Eine Gedenktafel in einem Garten in Surrey erinnert an ihn.
Damit wäre an sich die Sache zu Ende erzählt, aber…
Jeder Hundebesitzer kennt das, wenn ein Hund aufmerksam guckt und dabei den Kopf schief hält und mit dem Schwanz wedelt. Das ist dann immer der Zeitpunkt, bei dem das menschliche Gesicht seine Strenge verliert, bei manchen Menschen stellt sich Mitleid ein und wieder andere wollen dem Vierbeiner
dann jeden Wunsch erfüllen.
Auch Francis kannte diesen Blick. Nipper beherrschte ihn besonders gut, wie eigentlich jeder Terrier.
Francis Barraud kam eine Idee, inwieweit man so etwas in der Werbung benutzen könnte.
Gestützt auf viele Zeichnungen, die er von Nipper angefertigt hatte, malte er Nipper neben einem Phonografen.
Am 11.Februar 1899 war sein Gemälde vollendet. Er nannte dieses Bild:
“Hund, der in einen Phonographen schaut und lauscht"
Auf diesem Originalbild wollen Nipper-Forscher sogar eine Luxation des rechten
Vorderbeines erkennen, aber das hat wohl eher mit Wichtigtuerei zu tun. Francis Barraud pries die Zeichnung an, aber ohne Erfolg. Nur eine Firma zeigte Interesse.
Wäre zu überlegen, meinten sie, aber das dargestellte technische Gerät sei doch veraltet.
(Eine Fotografie von Francis Barraud - das Bild ist bereits geändert!)
Francis änderte den Phonographen auf ein
aktuelles Modell.
Mit dieser Ausbesserung, also Nipper mit veredeltem Grammophon, wurde das Bild verkauft und Francis Barraud um 100 Pfund reicher.
Schließlich orderte man noch zwei weitere Kopien. Der Erfinder des Grammophons, der als Azubi eigentlich eine Kaufmännische Lehre einschlug, Emil Berliner, erwarb die Rechte an Nipper, nun unter dem Bildernamen: „His Masters Voice“.
So entstand eine postume Kollaboration zwischen Nipper und Herrn Berliner.
Dazu erfanden der Chef Emil Berliner und die Herren der Gramophone Company eine rührselige Geschichte:
Die Stimme seines verstorbenen Herrchens von Nipper wäre auf Schallplatte gebannt worden. Und das Bild würde Nipper zeigen, wie er die Stimme seines verstorbenen Herrchens erkennt, sie quasi kalibriert. Natürlich ist die Story frei erfunden, aber „His Masters Voice“ wurde zu einem der berühmtesten Firmenlogos der Welt, weil Herr Berliner nach USA auswanderte und dort die Gramophone Company gründete.
Die deutsche Niederlassung hieß „deutsche Grammophon Gesellschaft“ und die englische: British Grammophone Company. Aus ihr ging "EMI" hervor.
Der Hund mit dem Trichter schlug wie eine
Bombe ein. Ein unvergessliche Geniestreich der Werbung.
(EMI Records)
Ein wahrer Boom an Nipperabilia entstand, das Sammlerherzen höher schlagen lässt. Selbst in Boutiquen ist das Logo zu finden.
Noch heute gehört „His Masters Voice“ zu den Top Ten aller Markenlogos der Welt.
Man war sozusagen auf den Hund gekommen.
(Gromit -BBC)