Humor & Satire
Endlich frei - Flucht aus dem Flohzirkus - FB 42

Endlich frei!

Wie habe ich den Tag der Freiheit herbei gesehnt, mir täglich Bilder im Kopfkino vorbei tanzen lassen vom Sprung in ein grenzenloses Nichts. Wirklich daran geglaubt habe ich nie. War immer etwas skeptisch, wenn in den Nachrichten von Hundstagen die Rede war. Und doch, es gibt sie wirklich, denn heute war plötzlich ein wunderschöner Hund im Zuschauerraum.  Dichtes schwarz--weißes Fell, verführerischer Blick und dieser wunderbare Duft, da konnte ich einfach nicht widerstehen. Mit ihm könnte ich mir eine Zukunft vorstellen, vielleicht haben wir eine Chance. Er trug ein feines rotes Mäntelchen, ein edles Stück, sicherlich aus einer exklusiven Hundeboutique. Darunter würde

es auch im tiefsten Winter kuschelig warm bleiben, überlegte ich noch schnell, bevor ich sprang.

Es war ein meisterhafter Sprung mit sanfter Landung auf dem längsten Schwanzhaar. Gut, ich würde mich schön langsam vorwärts und abwärts arbeiten müssen. Der beste Platz an der Tafel war sicherlich am Bäuchlein, doch ich bin zuversichtlich. Auch das schaffe ich noch vor dem Abendessen.

Seit einer Woche brütende Hitze über unserer Manege und trotzdem jeden Tag eine Vorstellung. Unser Direktor ist unerbittlich, wahrscheinlich ist die Kasse leer.  Ein Flohzirkus muss immer einsatzbereit

sein, Faulheit verdirbt den Charakter, das ist seine Meinung, ich habe nie viel davon gehalten und tue es auch heute nicht. Ich war der Star in der Manege, keine sprang besser als ich. Jeden Sprung genau kalibrieren, eine punktgenaue Landung, das schaffte nur ich.

Wie fühlt sich Freiheit an? Diese Frage habe ich mir immer und immer wieder gestellt. Nacktes Fleisch garniert mit zarten Schweißperlen, davon habe ich oft geträumt und jetzt sitze ich im dichten Fell am Schwanz eines Hundes und fühle mich richtig wohl dabei. Viele meiner Artgenossen tummeln sich zwischen den Haaren, sogar athletische Männchen zeigen ihre Künste. Bei uns im

Flohzirkus gab es nur Mädchen und oft richtigen Zickenkrieg. Verköstigt wurden wir bei einem jungen Azubi, ein zartes Bürschchen, nur Haut und Knochen.  Es schmeckte nicht besonders,  meist war sein Blut mit Alkohol veredelt.  Mir wurde oft schlecht und ich musste mich übergeben. Andere begannen zu tanzen und drehten sich stundenlang unkontrolliert im Kreis.

Keines der Mädels wollte mit mir kollaborieren, na dann sollen sie eben schauen, wo sie bleiben. Solche Gelegenheiten wie heute, kommen sicherlich nicht so schnell wieder. Nur wer wagt, gewinnt, doch Mut kann man nicht kaufen.

Wenn ich mir die Bürschchen da genauer ansehe, kommen mir allerlei lustige Gedanken und so eigenartige Gefühle. Leider schmerzt meine Hüfte wieder höllisch. Ich habe mir vor einiger Zeit eine Hüftluxation zugezogen, die noch nicht richtig ausgeheilt ist. Der heutige Sprung in die Freiheit hat das alte Leiden noch verschlechtert. Ob wohl einer der Jungs an einer näheren Bekanntschaft interessiert ist? Werde diese Frage bald klären. Vielleicht reicht es für ein paar nette Sadomaso-Spielchen.

Eine Frage geht mir jetzt nicht aus dem Kopf.Muss ich mit dem Hundechwanz wedeln, oder wedelt der Schwanz mit mir?